Familien stärken Zusammenleben gestalten - Evangelische ...
Familien stärken Zusammenleben gestalten - Evangelische ...
Familien stärken Zusammenleben gestalten - Evangelische ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Jochen Gran<br />
<strong>Familien</strong> <strong>stärken</strong><br />
„Jedes 6. Kind in Waldbröl ist von Armut betroffen“<br />
– so lautete die Schlagzeile des Lokalanzeigers<br />
vom 17. Oktober 2007. Was diese<br />
Überschrift plakativ beschreibt, sieht man der<br />
Kleinstadt Waldbröl mit ca. 20.000 Einwohnern<br />
auf den ersten Blick nicht an. Sie liegt idyllisch in<br />
den sanften Hügeln des Oberbergischen Landes.<br />
Das Stadtbild ist von Einfamilienhäusern geprägt<br />
und nicht von großen Wohnblocks. Nur aufmerksamen<br />
Beobachtern wird auffallen, dass es kaum<br />
noch Einzelhandelsgeschäfte gibt. Stattdessen<br />
locken Billigmärkte mit Schnäppchen. Beim<br />
genaueren Hinsehen wird auch auffallen, dass<br />
in dieser Kleinstadt inmitten einer ländlichen<br />
Gegend ein erstaunlich hoher Anteil von offensichtlich<br />
Zugezogenen durch die Straßen gehen.<br />
Die Probleme der Stadt liegen nicht an der Oberfläche,<br />
aber sie sind unverkennbar da: kreisweit<br />
höchste Arbeitslosenquote, hoher Migrantenanteil.<br />
Die ev. Kirchengemeinde Waldbröl gibt es in<br />
Waldbröl seit der Reformationszeit. Sie setzt<br />
sich im überwiegenden Teil immer noch aus den<br />
alteingesessenen Waldbrölern zusammen. Seit<br />
den 90er Jahren kamen aber zunehmend russlanddeutsche<br />
Lutheraner in die Stadt, die sich<br />
der evangelischen Kirchengemeinde anschlossen.<br />
Der überwiegende Teil der Migranten hat<br />
sich aber nicht evangelisch sozialisiert. Waldbröl<br />
war ursprünglich evangelisches Kernland. Heute<br />
befinden sich die <strong>Evangelische</strong>n statistisch gesehen<br />
in der Diaspora. Dem Umstand des Zuzugs<br />
von Migrantenfamilien ist es zwar einerseits zu<br />
verdanken, dass die demographische Prognose<br />
Waldbröls dem allgemeinen Trend entgegen<br />
läuft. Aber das ist vermutlich auch das einzige<br />
Problem, das Waldbröl nicht hat. Dafür gibt es ein<br />
großes Bündel sozialer Probleme.<br />
72 eaf rheinland – familien <strong>stärken</strong>, zusammenleben <strong>gestalten</strong><br />
Die Gemeindearbeit der evangelischen Kirchengemeinde<br />
konzentrierte sich bis in die Gegenwart<br />
auf einheimische <strong>Familien</strong> und bot ihnen<br />
das klassische Gemeindeprogramm von der Kinder-<br />
über die Jugend- bis hin zur <strong>Familien</strong>arbeit.<br />
Die jüngste Stadtgeschichte und -entwicklung<br />
hat zu einer Neuausrichtung der Gemeindearbeit<br />
geführt; denn die sozialen Probleme sind nicht<br />
übersehbar. Heute ist die evangelische Kirchengemeinde<br />
Waldbröl Trägerin von etlichen sozialen<br />
Einrichtungen, mit denen sie auf die neue<br />
Situation reagiert. Das ist außergewöhnlich. Den<br />
Anfang setzte der Aufbau einer Kleiderkammer<br />
für die Bedürfnisse der zugezogenen Großfamilien.<br />
Hinzu kam eine Kontaktstube für Personen<br />
mit unterschiedlichen sozialen Problemen. Dieser<br />
hat dreimal wöchentlich geöffnet und bietet den<br />
Besuchern ein Frühstück und ein Mittagessen.<br />
Die Besucher finden hier eine freundliche Ansprache<br />
und vor allem eine soziale Begegnungsmöglichkeit.<br />
Fachlich begleitet werden diese Personen<br />
von der Fachberatungsstelle für Personen<br />
nach § 72 BShG. Auch der hohen Arbeitslosigkeit<br />
hat sich die evangelische Kirchengemeinde angenommen.<br />
Es begann mit Arbeitsbeschaffungs-<br />
Maßnahmen. Seit der Einführung von Hartz IV ist<br />
die evangelische Kirchengemeinde Trägerin für<br />
über 150 Arbeitsgelegenheiten mitsamt der Qualifizierungsangebote.<br />
Viele ALG2-Empfangenden<br />
arbeiten in dem „Kaufhaus für alle“, das aus einem<br />
Möbellager erwachsen ist. Das Kaufhaus<br />
lebt von Sachspenden und bietet Bedürftigen die<br />
ganze Palette des Haushaltsbedarfes an, von Möbeln<br />
über Haushaltsgegenstände und Kleidung<br />
bis zu Büchern. Von der Tafel, ebenfalls in evangelischer<br />
Trägerschaft, werden wöchentlich ca.<br />
250 Tüten mit Lebensmitteln ausgegeben, von<br />
denen geschätzte 450 Personen leben. Über die