Sekundäranalyse der <strong>Studie</strong> „Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen – Barrieren und Brücken“ Autor: Carsten Wippermann 50
Mehr Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen! Vergleichende Analyse von Führungskräften <strong>in</strong> Ostdeutschland und Westdeutschland Analyse e<strong>in</strong>er Repräsentativbefragung im Auftrag <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>m<strong>in</strong>isteriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 5 von Carsten Wippermann 6 „Funktionieren“ Führungsetagen und Karrierewege <strong>in</strong> Ostdeutschland anders als <strong>in</strong> Westdeutschland? Haben Frauen <strong>in</strong> Unternehmen mit Sitz <strong>in</strong> Ostdeutschland schlechtere, gleiche oder bessere Chancen auf e<strong>in</strong>e Führungsposition als Frauen <strong>in</strong> Westdeutschland? Was s<strong>in</strong>d Voraussetzungen und Gründe für Unterschiede, und was bedeuten diese für die privaten <strong>Leben</strong>sumstände von Frauen, die es geschafft haben, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Führungsposition zu kommen? Und welche E<strong>in</strong>stellungen haben Führungsfrauen <strong>in</strong> Ost und West zu politischen, rechtlichen und betrieblichen Maßnahmen zur Steigerung <strong>des</strong> Anteils von Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen? Die zentralen Befunde s<strong>in</strong>d: • Zwischen Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen im Osten und Westen gibt es erhebliche Unterschiede im privaten familiären H<strong>in</strong>tergrund. Frauen <strong>in</strong> Führungsposition <strong>in</strong> Unternehmen mit Sitz <strong>in</strong> Ostdeutschland s<strong>in</strong>d deutlich häufiger verheiratet als <strong>in</strong> Westdeutschland. 70% der ostdeutschen Manager<strong>in</strong>nen haben e<strong>in</strong> oder zwei K<strong>in</strong>der; nur 36% der westdeutschen Manager<strong>in</strong>nen. Die Kernfamilie und e<strong>in</strong> alltägliches Familienleben ist für Führungsfrauen <strong>in</strong> Ostdeutschland e<strong>in</strong> selbstverständlicher Bestandteil ihres Berufs- und Alltagslebens und das Normalitätsmodell; für westdeutsche Manager<strong>in</strong>nen dagegen nurmehr e<strong>in</strong>e (schwierige) Option mit hohem Belastungsrisiko. • Unternehmen <strong>in</strong> Ostdeutschland bieten derzeit primär für Männer Gelegenheiten für Karrieresprünge und den schnellen Aufstieg <strong>in</strong> Toppositionen. Frauen <strong>in</strong> Unternehmen mit Sitz <strong>in</strong> Ostdeutschland machen deutlich weniger Karrieresprünge als Männer <strong>in</strong> Ostdeutschland und auch als Frauen <strong>in</strong> Westdeutschland. Aber Frauen <strong>in</strong> Ostdeutschland haben deutlich häufiger (und auch länger) ihre Berufstätigkeit unterbrochen (58%) als Manager<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Westdeutschland (35%) – und s<strong>in</strong>d trotzdem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Führungsposition! 51 • Zugleich ist zu beobachten, dass Führungsfrauen <strong>in</strong> Ostdeutschland überwiegend <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en oder mittelgroßen Betrieben mit maximal 100 Mitarbeitern tätig s<strong>in</strong>d (wenig komplexe und ausdifferenzierte Hierarchie; weniger Führungspositionen gerade im Topmanagement). Typischerweise s<strong>in</strong>d Führungsfrauen <strong>in</strong> Ostdeutschland Inhaber<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>en oder mittleren Unternehmens, oder dort <strong>in</strong> der Funktion der Geschäftsführer<strong>in</strong> bzw. Niederlassungsleiter<strong>in</strong>; <strong>in</strong> größeren Unternehmen s<strong>in</strong>d sie meist nur im mittleren Management als Teamleiter<strong>in</strong> mit Verantwortung für bis zu 10 Mitarbeiter. Signifikant ist somit der Befund, dass Frauen <strong>in</strong> Ostdeutschland noch seltener als Frauen <strong>in</strong> Westdeutschland im Topmanagement (Aufsichtsrat, Vorstand, Direktion) großer Unternehmen vertreten s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e Hypothese ist, dass Frauen im Osten andere Strukturen bevorzugen, die sie eher <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en und mittleren Unternehmen vorf<strong>in</strong>den. E<strong>in</strong>e andere ist, dass die Barrieren noch größer s<strong>in</strong>d als <strong>in</strong> Westen. • Doch trotz der Unterschiede <strong>in</strong> der privaten Situation, der beruflichen Position und der Berufsbiographie unterscheiden sich Manager<strong>in</strong>nen im Osten und Westen kaum <strong>in</strong> ihren E<strong>in</strong>stellungen zu gesetzlichen und betrieblichen Maßnahmen für mehr Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen: Sie haben dieselbe Perspektive und fordern <strong>in</strong> gleichem Maße e<strong>in</strong> Bündel von Instrumenten. Dazu gehören e<strong>in</strong>e gesetzliche M<strong>in</strong><strong>des</strong>tanteilsregelung für Aufsichtsräte auf Arbeitgeberseite, betriebliche Zielvere<strong>in</strong>barungen zur Steigerung <strong>des</strong> Anteils von Frauen <strong>in</strong> operativen Führungspositionen 7 , die Schaffung besserer struktureller Voraussetzungen für die Vere<strong>in</strong>barkeit von Familie und Beruf, Schaffung e<strong>in</strong>er neuen Unternehmenskultur, Mentor<strong>in</strong>gprogramme zur gezielten Förderung von Nachwuchskräften, e<strong>in</strong> modernes Personalmanagement, das die unterschiedlichen Potenziale und Bedürfnisse von Frauen und Männern <strong>in</strong> Führungspositionen berücksichtigt und Quere<strong>in</strong>stiege sowie Durchlässigkeit zwischen Branchen und Verantwortungsbereichen fördert. 5 Die Befunde basieren auf e<strong>in</strong>er Repräsentativbefragung von Frauen und Männern <strong>in</strong> Führungspositionen. Weil der Anteil von Frauen und Männern <strong>in</strong> Führungspositionen sehr ungleich verteilt ist und es für die Validität der Befunde wichtig war, genügend Frauen <strong>in</strong> der Stichprobe zu haben, wurde e<strong>in</strong>e disproportional geschichtete Zufallsstichprobe gezogen (50% Frauen; 50% Männer). Somit können für beide Teilgruppen zuverlässige Befunde erhoben werden. Erhebungszeitraum war Mai bis August 2009. Befragt wurden <strong>in</strong> der Stichprobe 511 Männer und Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen. Def<strong>in</strong>ierte Grundgesamtheit waren Führungskräfte <strong>in</strong> Unternehmen mit Standort <strong>in</strong> Deutschland, die am Standort 20 und mehr Mitarbeiter beschäftigen. Die Führungskräfte gehörten e<strong>in</strong>er der folgenden Gruppen an: Aufsichtsrat / Firmen<strong>in</strong>haber(¬<strong>in</strong>nen) / Vorstand / Geschäftsführung / Betriebsleitung, Bereichsleitung, Niederlassungsleitung / Abteilungsleitung, Teamleitung / Stabstellenverantwortung. Die folgenden Ausführungen ergänzen die im März 2010 als Broschüre <strong>des</strong> BMFSFJ herausgegebene <strong>Studie</strong> „Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen: Barrieren und Brücken“. 6 Unter Mitarbeit von Silke Borgstedt (S<strong>in</strong>us Sociovision). 7 E<strong>in</strong>e gesetzliche Quote für den operativen Bereich lehnen Frauen und Ost und West ab.