Studie "Das volle Leben! Frauenkarrieren in Ostdeutschland" - des ...
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1. E<strong>in</strong>führung<br />
Auch 20 Jahre nach der deutschen E<strong>in</strong>heit gibt es erhebliche<br />
Differenzen <strong>in</strong> den kulturellen E<strong>in</strong>stellungen und <strong>Leben</strong>sumständen<br />
der Menschen <strong>in</strong> den neuen und alten Bun<strong>des</strong>ländern.<br />
So haben Frauen <strong>in</strong> den Neuen Ländern ihre größere Teilhabe<br />
<strong>in</strong> der Berufswelt erfolgreich und selbstbewusst verteidigt.<br />
Ihre Erwerbsmuster haben sich trotz hohem Druck auf dem<br />
Arbeitsmarkt nicht den westdeutschen Mustern angepasst.<br />
Grund genug, neue Fragen zu stellen. Welche Strukturen –<br />
gesellschaftlich-kulturelle, wirtschaftliche und private – ermutigen<br />
Frauen <strong>in</strong> den Neuen Bun<strong>des</strong>ländern, berufliche und private<br />
<strong>Leben</strong>sziele erfolgreich mite<strong>in</strong>ander zu verb<strong>in</strong>den? Wie sehen<br />
Unternehmenskulturen aus, die Frauen <strong>in</strong> größerer Zahl dar<strong>in</strong><br />
unterstützen, leitende Funktionen zu übernehmen? Herrscht<br />
<strong>in</strong> ostdeutschen Unternehmen und Verwaltungen e<strong>in</strong> partnerschaftlicher<br />
Umgang – jenseits von klassisch männlich geprägten<br />
Strukturen wie Dom<strong>in</strong>anz, „Ellbogenkultur“, Statusdenken?<br />
Nach wie vor s<strong>in</strong>d für viele junge Frauen <strong>in</strong> den Neuen Ländern<br />
das Mutterdase<strong>in</strong> und die Berufstätigkeit ke<strong>in</strong>e Gegensätze.<br />
Frauen im Osten Deutschlands wollen auf nichts verzichten<br />
und ke<strong>in</strong>e Kompromisse e<strong>in</strong>gehen. Sie wollen für sich e<strong>in</strong> <strong>volle</strong>s<br />
und erfüllen<strong>des</strong> <strong>Leben</strong> gestalten. Dies lässt auch e<strong>in</strong>e größere<br />
Unterstützung im Privaten, zum Beispiel <strong>in</strong> den Partnerschaften,<br />
vermuten. Haben nicht nur die Frauen sondern auch die Männer<br />
im Osten Deutschlands e<strong>in</strong>en Gleichstellungsvorsprung?<br />
Diese Fragen s<strong>in</strong>d auch <strong>des</strong>halb von Bedeutung, da die Entscheidung<br />
für e<strong>in</strong>e anspruchs<strong>volle</strong> Berufslaufbahn Frauen<br />
noch mehr <strong>in</strong>dividuelle Kompromisse abverlangt als Männern.<br />
Viele Frauen, die Führungspositionen besetzen, haben <strong>in</strong>sbesondere<br />
im Westen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> häufig ke<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der. Manche<br />
müssen unfreiwillig auf e<strong>in</strong>e Partnerschaft verzichten. Neben<br />
der viel zitierten „gläsernen Decke“ s<strong>in</strong>d diese Restriktionen<br />
e<strong>in</strong> wesentlicher Grund für den hartnäckigen „gender gap“ <strong>in</strong><br />
Führungspositionen. Es gibt immer noch zu wenig weibliche<br />
Rollenvorbilder, die Karriere, Partnerschaft und K<strong>in</strong>der erfolgreich<br />
<strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang br<strong>in</strong>gen.<br />
Antworten auf diese Fragen können für Unternehmen <strong>in</strong>teressant<br />
se<strong>in</strong>, denn vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>des</strong> Fachkräftemangels<br />
konkurrieren sie zunehmend um qualifiziertes Personal. Sie<br />
Danksagung<br />
Wie <strong>in</strong> den letzten Jahren wurden wir bei der Erstellung der<br />
vorliegenden <strong>Studie</strong> wieder sehr großzügig unterstützt.<br />
Ganz herzlich bedanken möchten wir uns bei allen <strong>in</strong>terviewten<br />
Frauen, die ihre häufig sehr knappe Zeit für e<strong>in</strong> Gespräch zur<br />
Verfügung gestellt haben und sehr offen über ihren beruflichen<br />
Werdegang berichtet haben. Diese Gespräche waren e<strong>in</strong>e sehr<br />
große Bereicherung und haben bei der E<strong>in</strong>ordnung vieler<br />
wissenschaftlicher Fakten geholfen.<br />
8<br />
müssen überlegen, was sie gut qualifizierten Frauen bieten,<br />
damit diese Berufs- und Privatleben verb<strong>in</strong>den können. Gerade<br />
hoch qualifizierte Frauen leben <strong>in</strong> sogenannten Doppel-<br />
Karriere-Partnerschaften, die Beschäftigungsoptionen für beide<br />
Partner erfordern.<br />
Methodisch stützen sich die Autor<strong>in</strong>nen der hier vorliegenden<br />
<strong>Studie</strong> auf die Auswertung von Sekundäranalysen und eigene<br />
quantitative und qualitative Erhebungen. Dazu gehört e<strong>in</strong>e<br />
offene Onl<strong>in</strong>e-Befragung zu gewünschten und gelebten Familienmodellen<br />
sowie E<strong>in</strong>schätzungen zu Karrierechancen und<br />
–h<strong>in</strong>dernissen von Frauen, an welcher 655 Personen aus den<br />
neuen und alten Bun<strong>des</strong>ländern teilgenommen haben. Darüber<br />
h<strong>in</strong>aus wurden 14 qualitative Interviews mit erfolgreichen<br />
Führungsfrauen und Expert<strong>in</strong>nen aus Wissenschaft, Politik<br />
und Wirtschaft geführt und dabei die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
für ihren persönlichen Aufstieg beleuchtet 1 .<br />
Zur Erweiterung der Datengrundlage wurden darüber h<strong>in</strong>aus<br />
gesonderte Auswertungen aktueller repräsentativer <strong>Studie</strong>n <strong>in</strong><br />
Auftrag gegeben. E<strong>in</strong>erseits wurden ausgewählte Fragestellungen<br />
der BRIGITTE-<strong>Studie</strong> „Frauen auf dem Sprung. <strong>Das</strong> Update“<br />
aus dem Jahr 2009 (Allmend<strong>in</strong>ger 2009) noch e<strong>in</strong>mal nach<br />
Ost- und Westdeutschland differenziert ausgewertet und s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
die Ausführungen e<strong>in</strong>geflossen. Für e<strong>in</strong>e historische Perspektive<br />
wurden ausgewählte Daten zu partnerschaftlichen E<strong>in</strong>stellung<br />
von Vätern, welche im Jahr 1990 im Rahmen der Vergleichsstudie<br />
„Familienpolitik im Umbruch?“ von osteuropäischen<br />
Staaten durch das Deutsche Jugend<strong>in</strong>stitut München erhoben<br />
wurden, erneut ausgewertet.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus wertete das Institut S<strong>in</strong>us Sociovision im<br />
Auftrag <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>m<strong>in</strong>isteriums für Familie, Senioren, Frauen<br />
und Jugend (BMFSFJ) die quantitativen Erhebungen der <strong>in</strong><br />
diesem Jahr veröffentlichten <strong>Studie</strong> „Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen<br />
– Barrieren und Brücken“ (Wippermann 2010) noch<br />
e<strong>in</strong>mal differenziert nach neuen und alten Bun<strong>des</strong>ländern aus.<br />
Die Ergebnisse s<strong>in</strong>d als eigenständiger Artikel unter dem Titel<br />
„Mehr Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen! Vergleichende Analyse<br />
von Führungskräften <strong>in</strong> Ostdeutschland und Westdeutschland“<br />
im zweiten Teil der vorliegenden <strong>Studie</strong> zu f<strong>in</strong>den.<br />
Auch für die großzügige Bereitschaft, Daten zur Verfügung zu<br />
stellen oder noch e<strong>in</strong>mal für unsere Fragestellung auszuwerten,<br />
möchten wir uns bedanken bei Alice Hohn und Julia Schorlemmer<br />
vom Wissenschaftszentrum Berl<strong>in</strong> (WZB), Dr. Carsten<br />
Wippermann vom Institut S<strong>in</strong>us Sociovision und bei Jürgen<br />
Sass vom Deutschen Jugend<strong>in</strong>stitut. Diese Sonderauswertungen<br />
haben die empirische Basis der <strong>Studie</strong> erheblich verbessert.<br />
1 E<strong>in</strong>e ausführliche Darstellung der Methodik und die allgeme<strong>in</strong>e Befragungsstatistik bef<strong>in</strong>den sich im Kapitel „Methodik“ (S. 45f.).