In deinem Licht sehen wir das Licht - Dritte Europäische ...
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Sozialstationen. Sie sollen mit Geduld und Liebe<br />
Zeit für die Menschen haben, zugleich aber kostenbewusst<br />
<strong>wir</strong>tschaften und konsequent die Vorgaben<br />
der Verwaltung umsetzen.<br />
Zwischen allen Stühlen – ich denke an Pastorinnen<br />
und Pastoren, zerrissen zwischen der Erwartungshaltung<br />
derer, die nur betreut und versorgt, besucht<br />
und ge<strong>sehen</strong> werden wollen, und dem<br />
Wunsch nach einer mittragenden, mündigen Gemeinde,<br />
die selbstbewusst ihren Weg geht. Ein<br />
Gedicht, <strong>das</strong> ich vor Jahren fand, beschreibt die<br />
Pfarrersituation zwischen den Stühlen so:<br />
Ein Pfarrer muss sein ganz groß und ganz klein,<br />
vornehmen Sinnes wie aus Königsgeschlecht,<br />
einfach und schlicht wie ein Bauernknecht,<br />
ein Held, der sich selbst bezwungen,<br />
ein Mensch, der mit Gott gerungen,<br />
ein Quell vom heiligen Leben,<br />
ein Sünder, dem Gott vergeben,<br />
ein Herr dem eignen Verlangen,<br />
ein Diener der Schwachen und Bangen,<br />
vor keinem Großen sich beugend,<br />
zu den Geringsten sich neigend,<br />
ein Schüler vor seinem Meister,<br />
ein Führer im Kampf der Geister,<br />
ein Mann an den Kampfesstätten,<br />
ein Weib an den Krankenbetten,<br />
ein Greis im Schauen, ein Kind im Trauen,<br />
nach Höchstem trachtend, <strong>das</strong> Kleinste achtend,<br />
gestimmt zur Freude, vertraut dem Leide,<br />
weitab vom Neide.<br />
Im Denken klar, im Reden wahr,<br />
feststehend in sich – ganz anders als ich.<br />
Aber zurück zu unserer Geschichte. Zwischen allen<br />
Stühlen – so erlebt sich Mose. Und wie reagiert<br />
Gott auf die angespannte Situation? Nicht mit falschem<br />
Trost, auch nicht mit Beschwichtigungen<br />
und Durchhalteparolen. Gott reagiert pfingstlich –<br />
und sehr originell. Er schafft Abhilfe, schnell und<br />
konsequent.<br />
Gott hat Mose seinen Geist gegeben. Den braucht<br />
es schon, wenn Gottes Volk geleitet werden soll.<br />
Aber bisher hat dieser Geist Gottes auf einem Menschen<br />
allein gelegen. Und mit diesem Geist-Monopol<br />
– <strong>das</strong> sieht Gott offenbar auch so – ist Mose<br />
überlastet. Gott stattet seinen Mose deshalb nicht<br />
mit noch mehr Kraft aus, um seine Allmachtsphantasien<br />
zu beflügeln und ihn zu provozieren,<br />
seine Grenzen zu überschreiten. Das hätte sich <strong>das</strong><br />
Volk Israel sicher gewünscht: einen noch stärkeren<br />
Mose. Das wünschen sich fast alle Gemeinden: einen<br />
noch kreativeren, mit noch mehr Gaben und<br />
Zeit begnadeten Pastor.<br />
Nein, Gott geht einen völlig anderen Weg. Er<br />
nimmt einen Teil des Geistes, den er Mose gegeben<br />
hat, und legt ihn auf 70 bewährte Menschen aus<br />
dem Volk. Nun werden es 70 Schultern mehr sein,<br />
die die Last und Verantwortung mittragen. Ein seltsamer<br />
Vorgang: Der Geist Gottes, Gott selbst, erweist<br />
sich als teilbar, als mitteilbar. Geistbegabung<br />
als Lastenausgleich, Überschuss an Gottes Energie<br />
und Lebendigkeit, Geistesfülle, die <strong>das</strong> kleine Gefäß<br />
eines einzelnen Lebens sprengt. Damals hat<br />
sich diese Ausbreitung des Geistes Gottes auf 70<br />
Personen beschränkt. Aber Mose träumt bereits<br />
von mehr: „Wenn doch der Herr seinem ganzen<br />
Volk seinen Geist gegeben hätte!“.<br />
Gut geträumt, Mose! Gottes Geist fürs ganze Volk!<br />
Ein pfingstlicher Traum ist <strong>das</strong>, liebe Gemeinde.<br />
Denn Pfingsten ist <strong>das</strong> Fest der Demokratisierung<br />
des Heiligen Geistes. Gottes Geist ist für alle da. Er<br />
bleibt nicht besonderen „Geistlichen“ vorbehalten,<br />
sondern will <strong>das</strong> ganze Volk Gottes erfüllen. Er<br />
macht alle Christen zu „Geistlichen“, zu geistbegabten<br />
Menschen, die aus seiner Kraft leben und<br />
<strong>das</strong> gemeinsame Leben mitverantworten. Zwischen<br />
den Stühlen – <strong>das</strong> ist nicht der Ort des Geistes<br />
Gottes. Er drängt zu den Menschen, verteilt sich<br />
auf viele Schultern. Das eint und erneuert, <strong>das</strong> verständigt<br />
und versöhnt, <strong>das</strong> befreit und beunruhigt.<br />
Seit Pfingsten ist genügend Geist Gottes vorhan-<br />
den. Wir brauchen nicht zum Himmel zu starren<br />
und auf neue Feuerzungen zu warten. Der Heilige<br />
Geist ist längst da. Wir dürfen ihn nur nicht pastoral<br />
einsperren und seine vielfältigen Gaben und<br />
Möglichkeiten im Pfarramt beerdigen. Gottes Geist<br />
wartet darauf, <strong>das</strong>s <strong>wir</strong> alle ihm Raum geben.<br />
Genau <strong>das</strong> meint Pfingsten: Wir sind füreinander<br />
da – und Gottes Geist ist für uns alle da. Für uns als<br />
Gemeinde ist <strong>das</strong> Anlass zur Freude und eine spannende<br />
Herausforderung zugleich. Anlass zu dankbarer<br />
Freude, weil <strong>wir</strong> es ja auch schon erfahren<br />
haben, was Gottes Geist unter uns frei setzt. Viele<br />
in unserer Gemeinde denken mit und beten mit,<br />
entfalten ihre Gaben und setzen sie ein, tragen<br />
Mitverantwortung und engagieren sich. Im Thomasmesse-Team<br />
haben <strong>wir</strong> entdeckt, wie Gottes<br />
Geist aus sog. „Laien“ <strong>wir</strong>klich „Geistliche“<br />
macht, wie bereichernd es ist, wenn Verkündigung<br />
nicht nur aus Pastoren-Mund kommt, wie sich Segen<br />
Gottes ausbreitet, wo <strong>wir</strong> es wagen, einander<br />
zu segnen und füreinander zum Segen zu werden.<br />
Aber <strong>das</strong>s Gottes Geist für uns alle da ist, liebe<br />
Pfingstgemeinde, <strong>das</strong>s dieser Geist uns alle meint<br />
und beansprucht – <strong>das</strong> ist und bleibt auch eine<br />
spannende Herausforderung für uns als Kirche.<br />
Pfingsten ist nämlich die Einladung Gottes an seine<br />
Kinder, erwachsen zu werden. Das Volk Israel ist<br />
damals ins Kleinkindstadium zurückgefallen, hat<br />
sich den starken Papa Mose gewünscht – ohne<br />
selbst stark werden zu wollen. Sicher: Wir alle sind<br />
und bleiben Gottes Kinder. Aber <strong>wir</strong> müssen keine<br />
geistlichen Säuglinge bleiben. Wir brauchen nicht<br />
ständig einen Mose, der uns wie eine Amme auf<br />
seinen Armen trägt. Wir leben nicht nur von der<br />
pastoralen Nuckelflasche, die uns ernährt. Wir haben<br />
Gottes Geist, der aus Unmündigen Mündige,<br />
aus Abhängigen Selbständige, aus kirchlich Betreuten<br />
mutige Christenmenschen macht, die für<br />
ihren Glauben selbst einstehen. Gottes Geist ist für<br />
uns alle da. Also: Geben <strong>wir</strong> ihm Raum! Amen.<br />
Gebet<br />
Lebendiger Gott,<br />
du willst die Fülle des Lebens nicht für dich behalten.<br />
Du willst deinen guten Geist mit uns teilen.<br />
Darum bitten <strong>wir</strong> dich:<br />
Mach aus uns pfingstliche Menschen.<br />
Öffne uns für dein Wirken.<br />
Kehr bei uns ein mit <strong>deinem</strong> Geist<br />
und kehr bei uns aus, was dir entgegensteht.<br />
Füll unsere leeren Herzen<br />
mit der Freude daran,<br />
<strong>das</strong>s du für uns da bist<br />
und <strong>wir</strong> füreinander da sein können.<br />
Amen.<br />
Landessuperintendent<br />
Dr. Burghard Krause,<br />
Göttingen