In deinem Licht sehen wir das Licht - Dritte Europäische ...
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BIBELARBEITEN<br />
– MEDITATIONEN<br />
Bibelarbeit zu Galater 5<br />
Kirche der Freiheit – so lautet der Titel des Impulspapiers<br />
des Rates der Evangelischen Kirche in<br />
Deutschland, <strong>das</strong> „Perspektiven für die Evangelische<br />
Kirche im 21. Jahrhundert“ aufzeigt. Der reformatorische<br />
Impuls, den dieser Titel anklingen<br />
lässt und den Bischof Dr. Wolfgang Huber in seinem<br />
Eröffnungsreferat zum Zukunftskongress der<br />
EKD in Wittenberg entfaltet hat, könnte auch ein<br />
Impuls für die Christenheit in Europa für ihren<br />
– hoffentlich gemeinsamen – Weg in die Zukunft<br />
sein. Denn <strong>das</strong> Stichwort Freiheit kann ja neutestamentlich<br />
ge<strong>sehen</strong> nicht ein konfessionsspezifisches<br />
Identitätsmerkmal sein, sondern ist eine Herausforderung<br />
und eine Verheißung für die christliche Kirche<br />
als ganze.<br />
Zur Freiheit hat uns Christus befreit! – Das<br />
schreibt Paulus an die Gemeinden in Galatien (Galater<br />
5,1). Es klingt wie ein Fanal im Ringen des<br />
Apostels mit seinen Gemeinden um <strong>das</strong> rechte Verständnis<br />
des Evangeliums: Ziel des Wirkens Christi<br />
ist Freiheit für die, die sich ihm anvertrauen. Damit<br />
gibt Paulus noch einmal eine profilierte Erklärung<br />
für <strong>das</strong>, was in der Rechtfertigung aus Glauben<br />
geschieht, von der er in den vorhergegangenen Kapiteln<br />
so intensiv geredet hat: Rechtfertigung ist<br />
Freiheit zum Leben. Freigesprochen von dem drohenden<br />
Schuldspruch über die Verfehltheit unseres<br />
Lebens, freigelassen aus der Tretmühle aller untauglicher<br />
Versuche, unser Leben selbst zu rechtfertigen,<br />
befreit von der Sorge um uns selbst und<br />
dem bitteren Hader über <strong>das</strong>, was in unserem Leben<br />
schief gelaufen ist, sind <strong>wir</strong> frei, <strong>wir</strong>klich zu leben!<br />
GEIST DER FREIHEIT – ÖKUMENE DER ZUKUNFT<br />
Trotz allen Missbrauchs, der mit dem Wort Freiheit<br />
getrieben worden ist und noch <strong>wir</strong>d – <strong>das</strong> Wort<br />
Freiheit ist kein schmutziges Wort geworden, es<br />
bleibt ein Hoffnungsträger für Menschen, die <strong>das</strong><br />
wahre Leben suchen, und offensichtlich ist gerade<br />
Paulus der Meinung, <strong>das</strong>s Kirche Jesu Christi Kirche<br />
der Freiheit sein und bleiben muss; ansonsten ist<br />
seiner Meinung nach ihre Zugehörigkeit zu Christus<br />
gefährdet.<br />
Warum ist Paulus <strong>das</strong> so wichtig? <strong>In</strong> welchem Zusammenhang<br />
sagt er <strong>das</strong>? Lesen <strong>wir</strong>, was der<br />
Apostel weiter schreibt:<br />
Steht also fest und lasst euch nicht wieder <strong>das</strong><br />
Joch der Sklaverei auflegen!<br />
2 Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch<br />
beschneiden lasst, so <strong>wir</strong>d euch Christus nichts<br />
nützen. 3 Ich versichere noch einmal einem jeden,<br />
der sich beschneiden lässt: Er ist verpflichtet,<br />
<strong>das</strong> ganze Gesetz zu halten. 4 Ihr habt<br />
Christus verloren, wenn ihr durch <strong>das</strong> Gesetz<br />
gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade<br />
gefallen.<br />
Das Problem, <strong>das</strong> Paulus veranlasst, diese Zeilen<br />
bzw. den Galaterbrief als ganzen zu schreiben, ist<br />
relativ klar zu erkennen. Paulus hat bei seinem<br />
– nicht ganz freiwilligen (Apg 16,6) – Aufenthalt in<br />
Galatien, dem Gebiet um <strong>das</strong> heutige Ankara,<br />
Menschen zum Glauben an Jesus Christus geführt<br />
und einige Gemeinden gegründet. Sie bestanden<br />
zur Mehrheit aus Leuten, die vorher nicht dem<br />
Judentum, sondern heidnischen Religionen angehört<br />
hatten. Nach einiger Zeit tauchten in diesen<br />
Gemeinden Christen jüdischer Herkunft auf, die<br />
den dortigen Christen sagten, sie hätten dadurch,<br />
<strong>das</strong>s sie zum Glauben an Jesus Christus und den<br />
Gott Israels gekommen seien, zwar einen wichtigen<br />
ersten Schritt getan, um aber <strong>wir</strong>klich zum<br />
Volk Gottes zu gehören und an der Verheißung<br />
Abrahams teilzuhaben, müssten sie sich wie dieser<br />
durch die Beschneidung in Gottes Bund aufnehmen<br />
lassen.<br />
Aus der paulinischen Argumentation ist zu entnehmen,<br />
<strong>das</strong>s diese Leute nicht so sehr <strong>das</strong> Halten des<br />
ganzen Gesetzes in den Vordergrund gestellt hatten,<br />
sondern einige grundlegende Identitätsmerkmale<br />
für <strong>das</strong> Judesein eingefordert hatten, vor allem<br />
die Beschneidung, <strong>das</strong> Halten des Sabbats und<br />
ein Mindestmaß an Beachtung der jüdischen Speisevorschriften.<br />
Dies nachträglich von nichtjüdischen Christen zu<br />
fordern, sieht Paulus als Verrat am Evangelium, der<br />
Botschaft von Gottes bedingungsloser Gnade in Jesus<br />
Christus, an. Denn damit <strong>wir</strong>d <strong>das</strong>, was die Gemeinschaft<br />
mit Gott begründet, wieder im menschlichen<br />
Tun ge<strong>sehen</strong>. Paulus scheut sich darum<br />
nicht, hier und an anderer Stelle ein solches Verhalten<br />
als einen Rückfall in eine angstbesetzte religiöse<br />
Sklaverei zu <strong>sehen</strong>, in der Menschen immer neu<br />
von der Frage gequält werden: Habe ich denn <strong>wir</strong>klich<br />
genug getan? Wer sich auf diesen Weg begibt,<br />
verlässt den Weg mit Christus und in der Freiheit,<br />
die er schenkt.<br />
Die Fragestellung in Galatien gibt es für heutige<br />
christliche Gemeinden nicht mehr. Schon in der<br />
Reformationszeit haben Luther und andere reformatorische<br />
Verkündiger die aktuelle Bedrohung<br />
des christlichen Glaubens vielmehr in einer popularisierten<br />
Fassung der spätmittelalterlichen theologischen<br />
Bewertung der „guten Werke“ ge<strong>sehen</strong>.<br />
Nicht durch die Forderung der Beschneidung oder<br />
andere mosaische Gebote schien die Freiheit, zu<br />
der uns Christus befreit hat, gefährdet, sondern<br />
durch Ablasspredigt und die Auffassung, der<br />
Mensch müsse zunächst von sich aus tun, was ihm<br />
möglich sei, um der Gnade teilhaftig zu werden.<br />
Wie immer <strong>das</strong> historisch zu beurteilen sein mag,<br />
auch diese Front ist spätestens seit der Unterzeichnung<br />
der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre<br />
nicht mehr <strong>das</strong> Gegenüber, demgegenüber<br />
die Freiheit in Christus verteidigt werden<br />
müsste.<br />
<strong>In</strong> meiner Jugend war es dann die „Gesetzlichkeit“<br />
des pietistischen Milieus, in dem ich aufgewachsen<br />
bin, die hier Anlass zur Aktualisierung des Rufs zur<br />
Freiheit zu bieten schien. Die vielen Verbote, die<br />
bestimmten, was ein Christ (und vor allem auch<br />
eine Christin) nicht dürfe, waren in Gefahr, zu zusätzlichen<br />
Aufnahmebedingungen ins Reich Gottes<br />
zu werden. Sie gewannen allerdings nie den gleichen<br />
theologischen Rang wie die Beschneidungsforderung<br />
der Gegner des Paulus in Galatien, und<br />
heute haben nicht wenige Christen den Eindruck,<br />
<strong>das</strong>s die Gnaden- und Freiheitsbotschaft des Paulus<br />
eher zu selbstverständlich genommen <strong>wir</strong>d und<br />
die christliche Verkündigung Gefahr läuft, – wie<br />
Bonhoeffer <strong>das</strong> formuliert hat – billige Gnade zu<br />
predigen. Die eigentliche Gefahr für die Botschaft<br />
der Gnade scheint nicht mehr aus dem religiösen<br />
Bereich zu kommen, sondern von einer Art säkularer<br />
Leistungsreligion, die den Wert, die Würde und<br />
<strong>das</strong> Gelingen eines Lebens davon abhängig macht,<br />
was ein Mensch verdient, darstellt oder hat. Nicht<br />
mehr religiöse „Eigenleistungen“ sind gefordert,<br />
sondern materiell verwertbare wie Besitz, Schönheit<br />
oder Macht.