In deinem Licht sehen wir das Licht - Dritte Europäische ...
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THEMATISCHE<br />
VERTIEFUNGEN<br />
Der zweite Themenbereich in Sibiu: „Das <strong>Licht</strong><br />
Christi und Europa“, hat 3 Foren zu den Themen<br />
1. Beitrag der Kirchen für den Aufbau Europas,<br />
2. Religionen, 3. Migration. Die EU-Ratspräsidentschaft<br />
Deutschlands im 1. Halbjahr 2007 gibt den<br />
Kirchen Anlass zur Rechenschaft über ihr politisches<br />
Engagement in Europa. Darum ist aus dem<br />
Themenbereich dieser Schwerpunkt gewählt.<br />
Der Beitrag der Kirchen für den <strong>Europäische</strong>n<br />
Einigungsprozess<br />
I. Die Selbstverpflichtung<br />
„Die Kirchen in Europa fördern eine Einigung des europäischen<br />
Kontinents. Ohne gemeinsame Werte ist<br />
die Einheit dauerhaft nicht zu erreichen. Wir sind<br />
überzeugt, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> spirituelle Erbe des Christentums<br />
eine inspirierende Kraft zur Bereicherung Europas<br />
darstellt. Aufgrund unseres christlichen Glaubens<br />
setzen <strong>wir</strong> uns für ein humanes und soziales<br />
Europa ein, in dem die Menschenrechte und Grundwerte<br />
des Friedens, der Gerechtigkeit, der Freiheit,<br />
der Toleranz, der Partizipation und der Solidarität<br />
zur Geltung kommen. Wir betonen die Ehrfurcht vor<br />
dem Leben, den Wert von Ehe und Familie, den vorrangigen<br />
Einsatz für die Armen, die Bereitschaft zur<br />
Vergebung und in allem die Barmherzigkeit. Als Kirchen<br />
und als internationale Gemeinschaften müssen<br />
<strong>wir</strong> der Gefahr entgegentreten, <strong>das</strong>s Europa sich zu<br />
einem integrierten Westen und einem desintegrierten<br />
Osten entwickelt. Auch <strong>das</strong> Nord-Süd-Gefälle ist<br />
zu beachten. Zugleich ist jeder Eurozentrismus zu<br />
vermeiden und die Verantwortung Europas für die<br />
ganze Menschheit zu stärken, besonders für die Armen<br />
in der ganzen Welt.“<br />
DAS LICHT CHRISTI UND EUROPA<br />
So heißt es im 3. Kapitel der Charta Oecumenica.<br />
Damit <strong>wir</strong>d sowohl <strong>das</strong> jahrzehntelange Engagement<br />
der Kirchen in Europa für den europäischen<br />
Einigungsprozess zusammengefasst wie auch die<br />
Selbstverpflichtung formuliert, der sie sich weiterhin<br />
gemeinsam stellen wollen.<br />
Dies geschieht in Brüssel und Straßburg gemeinsam:<br />
durch die Büros der Mitgliedskirchen der Konferenz<br />
<strong>Europäische</strong>r Kirchen (KEK) und des Rates<br />
der <strong>Europäische</strong>n Bischofskonferenzen in der EU<br />
(COMECE) in enger Zusammenarbeit mit dem Brüsseler<br />
Büro des Bevollmächtigten der EKD bei der<br />
Bundesregierung und der EU und Vertretungen<br />
orthodoxer Kirchen.<br />
Dies geschieht in den einzelnen Mitgliedsländern<br />
der EU durch die dortigen Kirchen, oft in guter<br />
ökumenischer Gemeinsamkeit, indem sie den Menschen<br />
in ihren Ländern die Chancen der Versöhnung<br />
und des Zusammenwachsens deutlich machen,<br />
sie mitnehmen auf ihrem ökumenischen und<br />
europäischen Weg.<br />
Und dies geschieht vor allem zwischen den Menschen<br />
über die Grenzen hinweg. Jede Gemeindepartnerschaft,<br />
jede Städtepartnerschaft, jeder Austausch<br />
war und ist ein Baustein, der die tiefen<br />
Gräben der Vergangenheit – die Gräben durch den<br />
Zweiten Weltkrieg, die Gräben durch den Ost-<br />
West-Konflikt – überbrückt und zum Zusammenwachsen<br />
Europas beiträgt. Ohne dieses einander<br />
kennen lernen, einander verstehen lernen und miteinander<br />
Wege suchen, um die Wunden der Vergangenheit<br />
zu heilen, wäre der europäische Einigungsprozess<br />
der letzten 50 Jahre nicht möglich<br />
gewesen.<br />
II. Die Kirchen und der Verfassungsvertrag<br />
Zeitgleich dazu, <strong>das</strong>s die Kirchen sich daran machten,<br />
in Aufnahme der Beschlüsse der 2. <strong>Europäische</strong>n<br />
Ökumenischen Versammlung in Graz die<br />
Charta Oecumenica zu erarbeiten, entstand die<br />
Charta der Grundrechte der <strong>Europäische</strong>n Union.<br />
Beide Dokumente belegen, <strong>das</strong>s „gemeinsame<br />
Werte“ eine grundlegende Bedeutung für den europäischen<br />
Einigungsprozess haben. Das Gespräch<br />
darüber, woher diese Werte abgeleitet sind, wie sie<br />
zu beschreiben und wieweit sie festzuschreiben<br />
sind, ist innerhalb der Kirchen, unter ihnen, wie<br />
auch im Gespräch mit den Partnerinnen und Partnern<br />
in den europäischen <strong>In</strong>stitutionen ein zentrales<br />
Thema.<br />
Am 18. Juni 2004 haben sich die Regierungschefs<br />
der damals 25 Länder der <strong>Europäische</strong>n Union auf<br />
einen Verfassungsvertrag geeinigt und ihn am 29.<br />
Oktober unterzeichnet. Die Mehrheit in Frankreich<br />
und in den Niederlanden hat dagegen gestimmt,<br />
während 17 Staaten ihn inzwischen ratifiziert haben.<br />
Während der deutschen Ratspräsidentschaft<br />
soll zumindest <strong>das</strong> weitere Verfahren geklärt werden,<br />
um die notwendige Rechtsgrundlage für die<br />
erweiterte Union zu schaffen.<br />
KEK und COMECE und ihre Mitgliedskirchen haben<br />
den Verfassungsprozess intensiv begleitet. Warum<br />
interessiert die Kirchen der Verfassungsvertrag so<br />
sehr?<br />
Ganz sicher wäre sein Zustandekommen ein deutliches<br />
Zeichen für <strong>das</strong> Zusammenwachsen Europas –<br />
auch in Bezug auf die ideelle Grundlegung, auf die<br />
Basis Europas. Und dazu gehört die Frage nach<br />
dem Stellenwert der religiösen Wurzeln Europas.<br />
Religion kommt im <strong>Europäische</strong>n Verfassungsvertrag<br />
an drei Stellen vor: in der Präambel, im so genannten<br />
„Kirchenartikel“, dem Art. 52, und im<br />
Art. 10 der Charta der Grundrechte, die als Teil II in<br />
den Verfassungsvertrag aufgenommen wurde.<br />
a.) Der so genannte „Kirchenartikel“, Artikel 52<br />
Die europäische Verfassung enthält den sog. „Kirchenartikel“,<br />
den Artikel 52. Die ersten beiden<br />
Absätze dieses Artikels lauten:<br />
(1) Die Union achtet den Status, den Kirchen und<br />
religiöse Vereinigungen und Gemeinschaften in<br />
den Mitgliedsstaaten nach deren Rechtsvorschriften<br />
genießen, und lässt ihn unangetastet.<br />
(2) Die Union achtet den Status von weltanschaulichen<br />
Gemeinschaften in gleicher Weise.<br />
Diese Absätze gewährleisten, <strong>das</strong>s durch europäisches<br />
Gesetz nicht in die nationale Gestaltung<br />
des Verhältnisses Staat – Kirche eingegriffen <strong>wir</strong>d,<br />
solange die individuelle und kollektive Religionsfreiheit<br />
aller Menschen in einem Mitgliedsstaat<br />
respektiert <strong>wir</strong>d. <strong>In</strong> allen Mitgliedsstaaten der <strong>Europäische</strong>n<br />
Union ist die Religionsfreiheit in den<br />
Rechtsordnungen garantiert. Das Selbstbestimmungsrecht<br />
der Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
ist ein wesentliches Merkmal der Freiheit<br />
im Verhältnis zum Staat.<br />
Artikel 52 hat noch einen dritten Absatz:<br />
(3) Die Union pflegt in Anerkennung der Identität<br />
und des besonderen Beitrags dieser Kirchen und