Journal of European Integration History - Centre d'études et de ...
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Christian HENRICH-FRANKE<br />
Die Kommission und ihre Generaldirektion Verkehr bild<strong>et</strong>en in ihren inhaltlichen<br />
Überlegungen zur Formulierung <strong>de</strong>r gemeinsamen Verkehrspolitik recht früh eine<br />
Ten<strong>de</strong>nz zu marktwirtschaftlichen Prinzipien heraus. Eigenwirtschaftlichkeit sollte<br />
als Garant rationeller Verkehrsbedienung dienen. Einen ersten konkr<strong>et</strong>en Standpunkt<br />
bezog die Kommission in einem Memorandum vom 12. November 1960, in <strong>de</strong>m die<br />
Anwendbarkeit <strong>de</strong>r allgemeinen Regeln <strong>de</strong>s EWG-Vertrags wie z.B. die W<strong>et</strong>tbewerbsregeln<br />
<strong>de</strong>r Artikel 85-94 auch auf <strong>de</strong>n Verkehr propagiert wur<strong>de</strong>. 10 Die Kommission<br />
hatte damit eine klare inhaltliche Position bezogen. Sie ließ <strong>de</strong>m Memorandum<br />
im April 1961 eine Denkschrift zur europäischen Verkehrspolitik, das sogenannte<br />
Schaus-Memorandum, folgen, in <strong>de</strong>r sie erstmals ihre verkehrspolitische<br />
Konzeption in aller Breite vorstellte.<br />
Mit <strong>de</strong>r Denkschrift, die in erster Linie theor<strong>et</strong>isch-konzeptionelle Vorschläge für<br />
die spätere Ausformulierung <strong>de</strong>r Verkehrspolitik enthielt, h<strong>of</strong>fte die Kommission eine<br />
breite Diskussion loszutr<strong>et</strong>en. So schlug sie theor<strong>et</strong>isch <strong>de</strong>nkbare Lösungen wie<br />
die Einführung eines verbindlichen Margentarifsystems für alle Verkehrsträger im<br />
binnen- wie grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Verkehr vor, obwohl sich die Tarifsysteme und<br />
D<strong>et</strong>ailvorschriften zwischen <strong>de</strong>n einzelnen Staaten und Verkehrsträgern ebenso wie<br />
zwischen <strong>de</strong>m binnen- wie grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Verkehr erheblich unterschie<strong>de</strong>n.<br />
Der Kommission waren die zu erwarten<strong>de</strong>n Schwierigkeiten angesichts <strong>de</strong>r verkehrspolitischen<br />
Differenzen zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedsstaaten durchaus bekannt. Mit<br />
Bedacht wählte sie <strong>de</strong>shalb die Strategie, mit einer unverbindlichen Denkschrift erste<br />
Reaktionen zu provozieren, bevor sie mit einem Maßnahmenkatalog an <strong>de</strong>n Rat herantrat.<br />
Inhaltlich stellte die Denkschrift eine sehr extensive Auslegung <strong>de</strong>s EWG-Vertrags<br />
dar. Die Kommission gab klar zu erkennen, dass die gemeinsame Verkehrspolitik<br />
sich nicht auf ein Minimum von Maßnahmen zum Abbau <strong>de</strong>r Beeinträchtigungen<br />
und Verzerrungen im Warenverkehr beschränken sollte. Statt<strong>de</strong>ssen plante die Kommission<br />
einen ambitionierten Mix aus Tarif-, Kapazitäts-, W<strong>et</strong>tbewerbs- und Infrastrukturpolitik<br />
anzuwen<strong>de</strong>n. Die Denkschrift unterstrich noch einmal die Anwendbarkeit<br />
<strong>de</strong>r allgemeinen Regeln <strong>de</strong>s EWG-Vertrags auf <strong>de</strong>n Verkehr und nannte drei<br />
allgemeine Ziele <strong>de</strong>r Verkehrspolitik:<br />
– die Beseitigung <strong>de</strong>r Hin<strong>de</strong>rnisse, die sich auf <strong>de</strong>m Verkehrssektor für die Verwirklichung<br />
<strong>de</strong>s gemeinsamen Markts ergeben können;<br />
– <strong>de</strong>n freien Dienstleistungsverkehr auf <strong>de</strong>m Verkehrsgebi<strong>et</strong> innerhalb <strong>de</strong>r Gemeinschaft;<br />
– eine allgemeine Ordnung <strong>de</strong>s Verkehrssystems in <strong>de</strong>r Gemeinschaft.<br />
Fünf elementare Grundsätze erklärte die Kommission zu Leitlinien <strong>de</strong>r Verkehrspolitik:<br />
– die inter- wie intramodale Gleichbehandlung aller Verkehrsunternehmen;<br />
– die finanzielle Eigenständigkeit <strong>de</strong>r Verkehrsunternehmer;<br />
10. BARCH, B108/10047, Memorandum <strong>de</strong>r Kommission an die Mitgliedsstaaten, 12.11.1960.