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Journal of European Integration History - Centre d'études et de ...

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12<br />

Christoph KÜHBERGER<br />

Nationalsozialismus und Europagedanke<br />

Wird <strong>de</strong>r Nationalsozialismus als radikaler und rassistisch übersteigerter Nationalismus<br />

verstan<strong>de</strong>n, wie dies in <strong>de</strong>n meisten Interpr<strong>et</strong>ationen <strong>de</strong>s NS-Regimes <strong>de</strong>r Fall<br />

ist, fällt es schwer danach zu fragen, worin die europäische Dimension <strong>de</strong>r nationalsozialistischen<br />

Herrschaftskonzeption bestand. Zu<strong>de</strong>m entwickelte <strong>de</strong>r Nationalsozialismus<br />

keine genuine europäische I<strong>de</strong>e o<strong>de</strong>r verfolgte eine konkr<strong>et</strong>e europäische<br />

Politik. Vielmehr blockierten die Blut- und Bo<strong>de</strong>n-Mythologie und die Rasseni<strong>de</strong>ologie<br />

<strong>de</strong>n Transfer <strong>de</strong>s nationalsozialistischen Herrschaftskonzeptes auf an<strong>de</strong>re Kulturen.<br />

2<br />

Die nationalsozialistische Politikerriege interessierte sich nur vage für Europa.<br />

Deutschland gelesen als „Groß<strong>de</strong>utsches Reich“ stand lange im alleinigen Fokus.<br />

Europa als Raum wur<strong>de</strong> erst viel später aktiv in politische Strategien <strong>de</strong>s Regimes<br />

eingebun<strong>de</strong>n. Es verwun<strong>de</strong>rt daher auch nicht, dass Alfred Rosenberg als einer <strong>de</strong>r<br />

wichtigsten I<strong>de</strong>ologen <strong>de</strong>s Nationalsozialismus sich <strong>de</strong>m Thema als einer <strong>de</strong>r wenigen<br />

stellte, ohne jedoch in <strong>de</strong>n breiten <strong>of</strong>fiziellen Diskurs Eingang zu fin<strong>de</strong>n. Rosenberg<br />

i<strong>de</strong>ntifizierte vor allem ein Europa <strong>de</strong>r Einzelnationen und ignorierte dabei die bereits<br />

vorhan<strong>de</strong>ne Diskussion aus <strong>de</strong>r Zwischenkriegszeit, in <strong>de</strong>r Europa mit Frie<strong>de</strong>nssicherung,<br />

Überwindung <strong>de</strong>r Wirtschaftskrise durch eine Wirtschafts- und Zollunion<br />

o.ä. in Verbindung gebracht wur<strong>de</strong>. 3 1934 hielt Rosenberg in einem Vortrag fest:<br />

„Der Punkt, die I<strong>de</strong>e, die Tatsache, von <strong>de</strong>r wir alle ausgehen müssen, ist die Tatsache <strong>de</strong>r<br />

Nation. Der Nationalismus ist […] heute lebendiger als jemals in früheren Jahrhun<strong>de</strong>rten<br />

[…], er zeigt ein vielgestaltiges Gesicht. Diese Vielgestaltigkeit hat ihre Wurzeln in ganz<br />

bestimmten Volkscharakteren. Ich glaube, daß die Art und Weise, wie ein Volk seine I<strong>de</strong>e<br />

<strong>de</strong>s Nationalismus prägt, die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> kulturgeschichtliche und politische Tatsache<br />

europäischer Geschichte darstellt“. 4<br />

Rosenberg positionierte in diesem Vortrag jedoch auch <strong>de</strong>n Antikommunismus, <strong>de</strong>n<br />

Rassegedanken, <strong>de</strong>n Anti<strong>de</strong>mokratismus, <strong>de</strong>n Kolonialismus und hebt <strong>de</strong>n Stellenwert<br />

<strong>de</strong>r Grenze hervor. 5 Eine europäische <strong>Integration</strong> wur<strong>de</strong>, wie oben skizziert, in<br />

<strong>de</strong>n ersten Jahren <strong>de</strong>r NS-Herrschaft seitens <strong>de</strong>r Nationalsozialisten nicht diskutiert.<br />

Man versuchte vielmehr all jene Traditionen zu unterbin<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n doktrinären<br />

Selbstverständnis <strong>de</strong>r NSDAP zuwi<strong>de</strong>r liefen, weshalb <strong>et</strong>wa ab <strong>de</strong>r Machtergreifung<br />

1933 alle europäischen Vereinigungen in Deutschland s<strong>of</strong>ort als pazifistisch verboten<br />

2. M. GEHLER, Europa. I<strong>de</strong>en, Institutionen, Vereinigung, Olzog, München, 2005, S.111 f.<br />

3. W. SCHMALE, Geschichte Europas, Böhlau, Wien/Köln, 2000, S.116; M. SALEWSKI, op.cit., S.<br />

37.<br />

4. Rosenbergs Ausführungen stammen aus <strong>de</strong>m Vortrag „Krisis und Neubau Europas“ (1934) – Zitiert<br />

nach W. SCHMALE, op.cit., S.115.<br />

5. G. SIMON, Europa-Gedanke und Sprachpolitik 1933-1945, in: http://homepages.uni-tuebingen.<strong>de</strong>/<br />

gerd.dimon/EuroMarbg.pdf (20.05.2009); Vgl. auch G. SIMON, Europa-Gedanke und Sprachpolitik<br />

1933 bis 1945, in: INSTITUT FÜR AUSLANDSBEZIEHUNGEN (Hrsg.), Sprachenpolitik in Europa<br />

– Sprachenpolitik für Europa (= Materialien zum Internationalen Kulturaustausch Bd. 36), Ifa,<br />

Stuttgart, o.J. (1997), S.39-45.

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