Journal of European Integration History - Centre d'études et de ...
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Book reviews – Comptes rendus – Buchbesprechungen<br />
Matthias Asche stellt in seinem Beitrag über die religiöse Grundierung Alteuropas<br />
an <strong>de</strong>r Epochenwen<strong>de</strong> vom Mittelalter zur Neuzeit heraus, dass sich staaten-, regionen-,<br />
nationen- und stän<strong>de</strong>übergreifend wirksame europäische Leitbil<strong>de</strong>r – so es sie<br />
in dieser Zeit überhaupt gegeben hat – st<strong>et</strong>s in irgen<strong>de</strong>iner Weise von religiösen Bedingtheiten<br />
abgeleit<strong>et</strong> haben. Das christliche Europa habe seine spezifische I<strong>de</strong>ntität<br />
durch Abgrenzung gegenüber <strong>de</strong>n nichtchristlichen, vor allem <strong>de</strong>n islamischen Völkern<br />
entwickelt; <strong>de</strong>mgegenüber seien die muslimisch-jüdischen Wurzeln verschwiegen<br />
wor<strong>de</strong>n. In diesem Kontext weist Vladimir von Schnurbein in seinem Beitrag zur<br />
gegenseitigen Wahrnehmung von Türken und Europäern in <strong>de</strong>r Frühen Neuzeit auf<br />
<strong>de</strong>n direkten Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>n jeweiligen politisch-militärischen Machtverhältnissen<br />
und <strong>de</strong>m vorherrschen<strong>de</strong>n Türkenbild <strong>de</strong>r Europäer bzw. <strong>de</strong>m Europabild<br />
<strong>de</strong>r Türken hin.<br />
Das Verhältnis zwischen <strong>de</strong>r nationalen Grundierung und <strong>de</strong>m europäischen Kontext<br />
einzelner Leitbil<strong>de</strong>r ist ein in vielen Beiträgen <strong>de</strong>s Ban<strong>de</strong>s wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong>r Aspekt.<br />
So wird im Beitrag <strong>de</strong>s Mitherausgebers Jürgen Elvert zu europäischen Leitbil<strong>de</strong>rn<br />
in <strong>de</strong>r Neuzeit <strong>de</strong>utlich, dass „Europa“ als Leitbild regelmäßig auch dazu<br />
dienen sollte, nationale o<strong>de</strong>r dynastische Einzelinteressen zu legitimieren. Vorstellungen<br />
eines gesamteuropäischen politischen Systems – <strong>de</strong>ssen Ursprünge bis zum<br />
Beginn <strong>de</strong>r Frühen Neuzeit zurückreichen, wie Alfred Kohler in seinem Beitrag zeigt<br />
– bzw. Vorstellungen einer europäischen Einigung gingen <strong>de</strong>mzufolge nicht selten<br />
einher o<strong>de</strong>r wechselten sich ab mit Vorstellungen nationaler Interessenwahrnehmung<br />
und einzelstaatlichen Hegemoniebestrebungen. Nicht selten wur<strong>de</strong> nationales Hegemonialstreben<br />
mit einem „Deckmantel europäischer I<strong>de</strong>ale“ (S.85) kaschiert.<br />
Diesen Aspekt b<strong>et</strong>ont auch Vanessa Conze in ihrem Beitrag über Richard Cou<strong>de</strong>nhove-Kalergis<br />
Paneuropa-Konzept: „Die Orientierung am Leitbild Europa in <strong>de</strong>r<br />
Zwischenkriegszeit war in <strong>de</strong>n allermeisten Fällen einem nationalen Interesse geschuld<strong>et</strong>“<br />
(S.124). Diese „nationale Dimension von Europai<strong>de</strong>en“ habe laut Conze<br />
lange Zeit nicht genügend Berücksichtigung in <strong>de</strong>r Forschung gefun<strong>de</strong>n. Statt<strong>de</strong>ssen<br />
seien die in <strong>de</strong>r Zwischenkriegszeit politisch und gesellschaftlich nicht mehrheitsfähigen<br />
<strong>de</strong>mokratischen Europakonzepte überschätzt wor<strong>de</strong>n. Das gelte auch für Cou<strong>de</strong>nhove-Kalergis<br />
Paneuropa-Konzept, <strong>de</strong>m eine solche nationale Komponente fehle<br />
und das aus diesem Grun<strong>de</strong> nicht zum europäischen Leitbild avancieren konnte.<br />
Auch für das 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt konstatiert Wolf D. Gruner eine Instrumentalisierung<br />
von Europaplänen und Europabil<strong>de</strong>rn für nationale Interessen. Zu<strong>de</strong>m weist<br />
Gruner darauf hin, dass Leit- bzw. Vorstellungsbil<strong>de</strong>r nicht allein durch die Gegenwart<br />
bestimmt wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn ebenso durch Vergangenheitserfahrungen und Zukunftserwartungen.<br />
Daher habe man es st<strong>et</strong>s mit unterschiedlichen Europaleitbil<strong>de</strong>rn<br />
zu tun, „die differenziert in <strong>de</strong>r Zeit, in <strong>de</strong>n historischen Räumen, bei gesellschaftlichen<br />
Gruppen und Einzelpersönlichkeiten feststellbar sind“ (S.90). Obwohl im politischen<br />
Diskurs und im öffentlichen Bewusstsein die nationalstaatliche Verfasstheit<br />
Europas im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt weitgehend unangefochten gewesen sei, also ein „Leitbild<br />
<strong>de</strong>s Nationalen“ dominiert habe, habe es zur selben Zeit ein „Europaleitbild“ (S.