Journal of European Integration History - Centre d'études et de ...
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Europa als "Strahlenbün<strong>de</strong>l nationaler Kräfte" 19<br />
Die Darstellung <strong>de</strong>s römischen Reiches aus einer europäischen Perspektive im Jahr<br />
1942 steht exemplarisch für auch an<strong>de</strong>re historische Erörterungen im Tagungsband.<br />
Immer wie<strong>de</strong>r wird versucht, das europäisch Gemeinsame zu b<strong>et</strong>onen. Dazu wird<br />
<strong>et</strong>wa auch die Zeit <strong>de</strong>r Türkenkriege herangezogen:<br />
„Weltgeschichtliche Be<strong>de</strong>utung aber gewann das Reich […], als es von neuem Schutz und<br />
Schirm Europas gegen die damalige Weltgefahr <strong>de</strong>s osmanischen Reiches wur<strong>de</strong>. […] Das<br />
Österreich <strong>de</strong>r Barockzeit be<strong>de</strong>ut<strong>et</strong> die wichtigste Reichsschöpfung seit <strong>de</strong>n großen Planungen<br />
<strong>de</strong>r Staufferzeit. In Josef I. und Prinz Eugen scheinen das Ordnungsprinzip <strong>de</strong>r<br />
kaiserlichen Gewalt und die territoriale Erbmasse <strong>de</strong>s Hauses Habsburg, bei<strong>de</strong> <strong>de</strong>utsch und<br />
übervölkisch zugleich in ihren Interessen in die europäische Aufgabenfülle hineinreichend,<br />
zu einer unzertrennlichen Einheit zusammenzuwachsen, um aus <strong>de</strong>m österreichischen<br />
Raum heraus ein gesamt<strong>de</strong>utsches Gefüge zu schaffen, das sich bis an die Grenzen<br />
<strong>de</strong>r ostslawischen Welt erstreckte und im überwölben<strong>de</strong>n Barock<strong>de</strong>nken […] seine geistigen<br />
Wurzeln hat. Wenn in einer Epoche das <strong>de</strong>utsche und das abendländisch-europäische<br />
Interesse i<strong>de</strong>ntisch waren, dann in <strong>de</strong>m Zeitalter <strong>de</strong>s Prinz Eugen […]“. 34<br />
Das Gemeinsame ist jedoch nicht nur eine politikgeschichtliche Kategorie, son<strong>de</strong>rn<br />
auch eine <strong>de</strong>r Kunst. So wur<strong>de</strong>n im Frühmittelalter „wesensverwandte Grundhaltungen<br />
<strong>de</strong>s Kunstwillens“ ausgemacht, die vor allem in einer „ureuropäisch-christlichen<br />
Stein- und Holzbildnerei“ ihren gesamteuropäischen Ausdruck fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n. 35<br />
I<strong>de</strong>ntifiziert wur<strong>de</strong>n dabei als „Grundpfeiler <strong>de</strong>r gesamteuropäischen Kultur“ das<br />
„griechische Altertum“ und das „nordisch geformte“, beson<strong>de</strong>rs das „germanischmittelalterliche<br />
Christentum“. 36<br />
Doch nicht nur das Gemeinsame als sinnstiften<strong>de</strong> Einheit wird dargelegt, son<strong>de</strong>rn<br />
auch das Trennen<strong>de</strong>, das u.a. durch eurozentrische Positionen eingebracht wird. Anhand<br />
von historischen Beispielen wer<strong>de</strong>n die „an<strong>de</strong>ren“ abgewert<strong>et</strong>, um die europäische<br />
Gemeinschaft zu stärken. So wird <strong>et</strong>wa in <strong>de</strong>r musikgeschichtlichen Abhandlung<br />
von Alfred Orel ein „erster Kampf zwischen Europa und Asien“ beschrieben:<br />
„Über <strong>de</strong>n Sü<strong>de</strong>n stoßen Nor<strong>de</strong>n und Osten hart aufeinan<strong>de</strong>r. Denn mit <strong>de</strong>n orientalischen<br />
Weisen <strong>de</strong>s christlichen Ritus drang eine <strong>de</strong>m nordischen Musikempfin<strong>de</strong>n unverständliche,<br />
ihm gera<strong>de</strong>zu zuwi<strong>de</strong>rlaufen<strong>de</strong> Musik in <strong>de</strong>n bisherigen Geltungsbereich einer im<br />
technischen wohl weit einfacheren, unmittelbar aus <strong>de</strong>r nordischen Volksseele erwachsen<strong>de</strong>n,<br />
durchaus ursprünglichen Kunst“.<br />
Nach Orel entstand daraus das Europäische, da das „Klangbewusstsein <strong>de</strong>s Nor<strong>de</strong>ns<br />
[…] im umfassen<strong>de</strong>n Vordringen gera<strong>de</strong>zu das künstlerische Wesen <strong>de</strong>s aufgezwungenen<br />
Kunstgutes“ vernicht<strong>et</strong>e und <strong>de</strong>n Einzelklang zum Mehrklang, zur Mehrstimmigkeit<br />
führte, was einen Bruch zur übrigen Welt darstellte. 37 Noch schärfer normativ<br />
versucht Friedrich A. Schmid Noerr, die europäische Kunst in <strong>de</strong>r Gegenwart <strong>de</strong>r<br />
34. E. MIKA, Reich und Abendland, in: Europa – Kontinent <strong>de</strong>r Jugend, op.cit., S.14-19, S.18 f.<br />
35. F.A. SCHMID NOERR, Europa und die Bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kunst, in: Europa – Kontinent <strong>de</strong>r Jugend, op.cit.,<br />
S.21-33, hier: S.22.<br />
36. Ibid., S.29.<br />
37. A. OREL, Musik Europas, in: Europa – Kontinent <strong>de</strong>r Jugend, op.cit., S.38-41, hier: S.38.