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Augsburg

Respekt in aller Welt für Rücktritt des Papstes

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THEMA DER WOCHE 16./17. Februar 2013 / Nr. 7<br />

Pontifikat eine Würdigung<br />

FASSUNGSLOSIGKEIT IM VATIKAN<br />

Die Kräfte reichen<br />

nicht mehr<br />

Papst Benedikt XVI. tritt am 28. Februar zurück –<br />

Konklave ab 15. März möglich<br />

ROM - Papst Benedikt XVI. tritt<br />

zurück. Das kündigte der 85-Jährige<br />

am Montag völlig überraschend<br />

bei einem Konsistorium<br />

im Vatikan an. Vatikansprecher<br />

Federico Lombardi gab vor Journalisten<br />

bekannt, Joseph Ratzinger<br />

wolle sich in ein Kloster im<br />

Vatikan zurückziehen.<br />

Ein neues Konklave steht am<br />

Horizont: Ab dem 28. Februar,<br />

20 Uhr, ist der Bischofsstuhl von<br />

Rom vakant. Er sei „zur Gewissheit<br />

gelangt, dass meine Kräfte infolge<br />

des vorgerückten Alters nicht mehr<br />

geeignet sind, um in angemessener<br />

Weise den Petrusdienst auszuüben“,<br />

sagte Benedikt XVI. Es ist der erste<br />

angekündigte Rücktritt eines Papstes<br />

seit Jahrhunderten. Nach seiner<br />

Ankündigung herrschte für einen<br />

Moment fassungsloses Schweigen<br />

unter den im Apostolischen Palast<br />

versammelten Kardinälen. „Wir<br />

waren alle zuerst schockiert“, sagte<br />

Ökumene-Kardinal Kurt Koch unserer<br />

Zeitung.<br />

Nicht überrascht war hingegen<br />

Papst-Bruder Georg Ratzinger. Er<br />

hat seit Monaten von den Rücktrittsplänen<br />

des Papstes gewusst.<br />

„Ich war eingeweiht“, sagte der<br />

89-jährige frühere Leiter der Regensburger<br />

Domspatzen. „Mein<br />

Bruder wünscht sich im Alter mehr<br />

Ruhe. Das Alter drückt.“<br />

Fassungslosigkeit auf dem Petersplatz:<br />

Die Ankündigung des<br />

Papst-Rücktritts hat nicht nur<br />

engste Mitarbeiter Benedikts völlig<br />

überrascht, sondern auch die Pilger<br />

und Touristen, die an diesem Montag<br />

über den Petersplatz spazierten.<br />

„Wir sind geschockt“, sagte ein<br />

Spanier unserer Zeitung. Wegen des<br />

Regenwetters waren wenige Touristen<br />

auf dem Petersplatz zu sehen.<br />

Im Petersdom gab es etliche, die für<br />

Benedikt XVI. beteten, berichtete<br />

ein Angestellter der vatikanischen<br />

Sicherheitskräfte. Viele hätten ihn<br />

gefragt, wo man denn für Benedikt<br />

XVI. beten könne. In Seitenkapellen<br />

sei dies möglich, erklärte der Sicherheitsmann.<br />

Das „vorgerückte Alter“ und die „nicht<br />

mehr geeigneten Kräfte“ haben Papst<br />

Benedikt XVI. zum Rücktritt veranlasst.<br />

Fotos: KNA<br />

Kommentiert<br />

Ein Papst tritt zurück<br />

Ich gestehe es: Ich habe geweint, wie so viele andere,<br />

die ihre Tränen nicht zurückhalten mochten in einem<br />

Moment aufkommender Vaterlosigkeit. Tränen<br />

bei den einen, Triumphgeheul bei anderen, die in<br />

Benedikt nur mehr das verhasste Bollwerk des Widerstands<br />

gegen die Moderne sahen. Aber der Papst<br />

ist nicht gestorben – er ist nur<br />

zurückgetreten.<br />

Am 13. Dezember 1294<br />

trat zum ersten Mal in der<br />

2000-jährigen Geschichte der<br />

Kirche ein Papst von seinem<br />

Amt zurück. Sein Name war<br />

Coelestin V. Am 29. August<br />

des gleichen Jahres<br />

1294 hatte man den<br />

80-jährigen heiligmäßigen<br />

Mönch und<br />

Einsiedler zum Papst<br />

gekrönt, nachdem<br />

der demütige Mann<br />

zuvor auf einem Esel in die Stadt geritten war.<br />

Innerhalb von wenigen Monaten entglitt dem<br />

frommen Mann die Kirche; er hatte dem fürchterlichen<br />

innerkirchlichen Machtspiel nichts entgegenzusetzen.<br />

Von nichts und niemand ließ sich Coelestin<br />

davon abbringen, die Papstgewänder wieder mit der<br />

Mönchskutte zu tauschen.<br />

Wer immer meint, der Rücktritt von Benedikt<br />

XVI. sei eine Niederlage, irrt. Dieser große Papst<br />

und noch größere Lehrer der Kirche hatte nur einen<br />

Feind, vor dem er wich: die Schwäche seines Körpers.<br />

Wer jetzt spekuliert, die Missbrauchsaffäre habe ihn<br />

vernichtet, Vatileaks habe ihn gebrochen, der kollektive<br />

Glaubensabfall der westlichen Welt habe ihn in<br />

Nacht und Hoffnungslosigkeit gestürzt, oder der Ungehorsam<br />

seiner Priester habe ihm den Rest gegeben,<br />

liegt daneben.<br />

In seinem altersmüden Körper ereignete sich eine<br />

immer tiefere Versenkung in das Gebet und die<br />

Heilige Schrift. Den Willen Gottes tun, sein Wort<br />

unverfälscht, ohne ein Jota an Abstrichen und in<br />

Vollmacht zu sagen, was immer der Preis ist – das<br />

trieb ihn an. Dieser Impuls rang seiner schwachen<br />

Physis das Letzte ab. Der große Beter, der er war und<br />

ist, wird seine Entscheidung nicht ohne den Heiligen<br />

Geist gefällt haben. Wer könnte da noch sagen, der<br />

Beschluss sei falsch, der Rückzug feige?<br />

Der Auferstandene ist der Herr der Kirche, die<br />

von den Pforten der Hölle nicht überwunden werden<br />

wird. In Gottes Plan gibt es schon einen, der die<br />

Hand an den Pfl ug legen wird – ein jüngerer, ein<br />

physisch stärkerer. Es wird keiner sein, der Benedikt<br />

korrigieren muss. Benedikts Agenda war die Agenda<br />

des Evangeliums.<br />

Uns bleibt der Dank an einen Mann, der das<br />

überaus große Geschenk Gottes an eine verwirrte<br />

Kirche und eine orientierungslose Menschheit war.<br />

Uns bleiben die Gebete dieses wunderbaren, heldenhaften<br />

Nachfolgers Petri, der uns noch lange erhalten<br />

bleiben möge.<br />

Bernhard Meuser,<br />

Geschäftsführer des Sankt Ulrich Verlags

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