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FASTENAKTION 16./17. Februar 2013 / Nr. 7<br />
PARAGUAY<br />
Widerstand gegen die Soj<br />
Sozialpastoral unterstützt Kleinbauern im Überlebenskampf und hilft bei der Umstel<br />
Ofelio Aeraujo hat es geschafft: Dank<br />
verbesserter Anbaumethoden gedeiht<br />
sein Maniok gut.<br />
Manchmal möchte Dionisio<br />
Gómez morgens<br />
nicht mehr aufstehen.<br />
Es ist nicht der Körper.<br />
Der ist noch recht fit – trotz der 70<br />
Jahre, die der Bauer auf dem Buckel<br />
hat. Es sind die Schatten auf der<br />
Seele, die manchen Tag so finster erscheinen<br />
lassen. Die Erinnerungen.<br />
Wie er vor 30 Jahren hier ankam<br />
in Pastoreo im Osten Paraguays.<br />
Wo der Boden fruchtbar war und<br />
auf Menschen wartete, die ihn bewirtschafteten.<br />
Fleißige, wortkarge,<br />
einfache Leute wie Dionisio. Wie er<br />
nach langem Kampf und vielen Jahren<br />
als schlecht bezahlter Tagelöhner<br />
endlich den Landtitel bekam. Zehn<br />
Hektar, sein ganzer Stolz, in die er<br />
alle Kraft investierte. Und die genügend<br />
hergaben, um seine Frau Ursulina<br />
und die drei Kinder zu versorgen.<br />
Mais, Maniok, Bohnen, Futter<br />
für die Tiere. Der Älteste hatte noch<br />
eine unbeschwerte Kindheit.<br />
Beim mittleren, Gustavo, fing es<br />
an. Der heute 18-Jährige hatte schon<br />
als kleiner Junge Atemprobleme und<br />
chronische Gastritis. Und die dritte,<br />
die einzige Tochter, wurde vor 13<br />
Jahren blind und missgebildet geboren.<br />
Ein Schicksalsschlag, dachten<br />
die Eltern damals, als die Krankheit<br />
die ganzen Ersparnisse auffraß und<br />
sie sogar einen Kredit aufnehmen<br />
mussten. Um ihn abzubezahlen,<br />
mussten sie acht Hektar verkaufen.<br />
Dann starb die Tochter trotzdem.<br />
Aufreibende Jahre<br />
Es waren aufreibende Jahre, und<br />
Dionisio merkte lange nicht, wie<br />
der schleichende Tod sich seinen<br />
Weg nach Pastoreo bahnte. Immer<br />
näher rückten die Sojafelder an die<br />
Siedlung, immer häufiger versank<br />
das Dorf im Nebel giftiger Pestizide,<br />
die von Flugzeugen versprüht<br />
wurden. Mehr als 24 Millionen<br />
Liter Agrochemikalien<br />
werden jedes<br />
Jahr auf die Sojafelder<br />
Paraguays gekippt:<br />
Heptachlor,<br />
Aldrine, aber auch<br />
eigentlich verbotene, hochgiftige<br />
Substanzen wie DDT.<br />
Einmal protestierten die Anwohner<br />
vor dem Hof des brasilianischen<br />
Großgrundbesitzers. Er versprach,<br />
künftig mehr Abstand zur Siedlung<br />
zu halten. „In fünf Jahren gehört<br />
mir ohnehin alles“, entgegnete er.<br />
Und er behielt recht: Immer mehr<br />
Nachbarn gaben auf, verkauften ihr<br />
Land an den Sojabaron und zogen<br />
in die Stadt.<br />
Von einst 20 Familien sind noch<br />
drei übrig. Dionisios Familie, ein<br />
80-jähriger, gebrechlicher Nachbar<br />
und eine junge Familie. „Die wollen<br />
jetzt aber auch verkaufen“, murmelt<br />
Dionisio und treibt die Kuh<br />
von der Weide, um sie zu melken.<br />
Manchmal fühlt er sich einsam. Eigentlich<br />
wollte Dionisio sein<br />
Land den Kindern<br />
vererben. „Aber<br />
was kann man<br />
auf zwei Hektar<br />
schon anbauen?“,<br />
sagt er<br />
schulterzu-<br />
Leitwort 2013<br />
„Wir haben den<br />
Hunger satt!“<br />
Alle drei Sekunden stirbt ein<br />
Mensch an Hunger, Tag für Tag,<br />
auch heute. Dauerhafter Hunger<br />
entsteht meist nicht in Folge eines<br />
Naturereignisses, sondern<br />
dort, wo Wälder abgeholzt werden<br />
und es dann wiederholt zu<br />
lang anhaltenden Dürren kommt.<br />
Hunger entsteht, wenn Menschen<br />
von ihrem Land vertrieben werden<br />
oder wenn mit Nahrungsmitteln<br />
spekuliert wird. Rund 870 Millionen<br />
Menschen leiden so weltweit<br />
unter den dramatischen Folgen<br />
dauerhafter Mangel- und Unterernährung.<br />
Tagtäglich kämpfen sie<br />
um ihr Überleben.<br />
Misereor stellt deshalb seine Fastenaktion<br />
in diesem Jahr unter das<br />
Leitwort: „Wir haben den Hunger<br />
satt!“. Und ruft zur Unterstützung<br />
für die Hungernden in der Welt<br />
auf, für die ihre tägliche Mahlzeit<br />
zu einem dramatischen Überlebenskampf<br />
geworden ist. nh<br />
Soja, soweit das Auge reicht: Paraguay ist einer der größten Sojaexporteure der Welt. Für die eigene Bevölkerung bleibt aber<br />
kaum etwas übrig.<br />
Kleines Bild ganz oben: Sojabohne (Foto: Le Do – Fotolia)