Aschermittwoch der Künstler Bildergalerie
16./17. Februar 2013 / Nr. 7 NACHRICHT UND HINTERGRUND SPEZIAL Geld statt Frohe Botschaft „Forbes“-Rangliste beweist: Brasiliens Sektenbosse scheffeln Millionen SÃO PAULO – In Deutschland heißen Südamerikas Wunderheiler-Sektenkirchen meist „Freikirchen“. In Brasilien nennt der Volksmund sie dagegen „Gelddruckmaschinen“. Viele empören sich über den luxuriösen Lebensstil der selbsternannten Apostel und Bischöfe. Mit ihrer Millionärs-Statistik hat die US-Zeitschrift „Forbes“ nun erstmals eine fundierte Rangliste der reichsten Sektenführer erstellt. „Bischof“ Edir Macedo, Chef der „Universalkirche vom Reich Gottes“, ist mit 950 Millionen Dollar Spitzenreiter. Ihm gehört Brasiliens zweitgrößter Fernsehsender „Rede Record“. 2012 kaufte der sogar die Übertragungsrechte für die Olympischen Sommerspiele in London – und verdiente entsprechend daran. Dazu kommen Musikfirmen und Verlage. Allein der Privatjet des Bischofs ist 45 Millionen Dollar wert. Macedo hat seine ersten Millionen im berühmtesten Stadion der Fußball-WM 2014 verdient, dem „Maracaná“ von Rio de Janeiro – mit spektakulären Wunderheilungsshows. Unsere Zeitung war dabei, als Macedo, zuvor Lotterieangestellter, vor den Mikros wild gestikuliert und mit dem Fuß aufstampft, wie er die bösen Geister und den Satan auffordert, sofort zu verschwinden. „Raus, raus, raus“, skandiert die Menge. Weil ihr Führer es sagt, glauben die Anhänger, von allen Krankheiten, sogar von Krebs, Aids und Blindheit geheilt zu werden. Auf Anweisung Macedos werfen Zehntausende begeistert ihre Brillen auf den Fußballrasen, die säckeweise weggetragen werden. „Wunderheilungen geschehen kontinuierlich in den Tempeln der Universalkirche“, heißt es auf ihrer Internetseite. Macedo und seine Sekten-Manager zählen politisch zum Regierungslager. Sie stellen Parlamentsabgeordnete und sogar einen Minister. Für die Wahl von Staatschef Lula und seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff waren sie unverzichtbar. Da verwundert es nicht, dass selbst Anklagen der Bundesanwaltschaft wegen Scharlatanerie, Bandenbildung, Geldwäsche und Betrug letztlich bislang folgenlos blieben. In einem Tempel der Universalkirche fand die Polizei gar automatische Waffen und reichlich Munition. Lediglich ein Sekten-Bischof sitzt derzeit im Gefängnis und wartet auf seinen Prozess. Nach Angaben der Sicherheitskräfte missbrauchte er mit zwei seiner Pastoren einen 14-jährigen Jungen und tötete ihn. Einer, der von Macedo alle Tricks und Kniffe lernen konnte, um selbst reich zu werden, ist Valdemiro Santiago. 18 Jahre lang stand er an Macedos Seite – um sich dann selbst zum „Apostel“ zu ernennen und seine eigene „Kirche“ zu gründen: die „Weltkirche der Macht Das US-Magazin „Forbes“ ermittelte die reichsten Sektenbosse in Brasilien. Edir Macedo, „Bischof“ der „Universalkirche vom Reich Gottes“, steht an der Spitze der Rangliste. Fotos: Screenshot, Hart Gottes“. Auf der „Forbes“-Liste belegt er mit einem Vermögen von 220 Millionen Dollar den zweiten Platz. Ein Säufer, ein Verrückter „Ich halte es nicht mehr aus, helft mir, meine Brüder“, schluchzte Santiago noch vor wenigen Jahren am Altar. „Ich brauche dringend sieben Millionen Real, damit ich das TV- Programm unserer Kirche nicht stoppen muss. Bitte zahlt rasch!“ Solche Appelle funktionieren. Inzwischen jagt „Apostel“ Santiago seinem Ex-Boss Macedo aggressiv die Anhänger ab, nennt ihn einen Säufer, einen Verrückten. Die Anhänger der Sekten – zumeist Arme und Verelendete aus den Slums – müssen monatlich ein Zehntel ihrer mageren Einkünfte an ihre „Kirchen“ abliefern. Trotzdem hat die „Forbes“-Statistik bei ihnen keinen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Das hat einen Grund: In den Wunderheilerkirchen wird die Theologie der Prosperität gepredigt. „Wer ein üppig-reiches Leben führt, genießt die Segnungen des Herrn“, sagt Edir Macedo. „Wohlstand ist eine Gabe Gottes.“ Die Sektenanhänger denken, erklärt Religionswissenschaftler Edin Abumanssur in São Paulo, Gott habe all das Vermögen den Kirchenführern gegeben – und wird es jedem geben, der es verdient. „Unsere religiöse Realität ist völlig anders als in Deutschland“, sagt Abumanssur. „Hier existiert eine Art religiöser Markt, auf dem Wirtschaftsunternehmen derartige Kirchen wie ein Produkt anbieten. Da wird heftig und aggressiv um Marktanteile gestritten.“ Die Anhängerzahlen der Sekten in Brasilien sind heftig umstritten. Das wird beim jährlichen „Jesusmarsch“ in São Paulo deutlich, der als Barometer für die Stärke der evangelikalen „Freikirchen“ gilt. 2012 feierte man einen neuen Teilnehmerrekord: über fünf Millionen! Eine der größten Zeitungen des Landes, „Folha de São Paulo“, hat nachgezählt – und kam auf gerade einmal 335 000 Teilnehmer. Klaus Hart Trainiert für das große Geld: ein Sektenprediger im Straßeneinsatz.