CERCLE DIPLOMATIQUE - issue 02/2019

L’AUTRICHE ICMPD | INTERVIEW
Michael Spindelegger
„Asylregeln in der EU müssen einheitlicher werden“
”Asylum rules must become more unified in the EU.“
Der Direktor des ICMPD ist überzeugt, dass sein Migrationszentrum in Europa Gegensätze überbrücken
kann, die im Rahmen der EU nicht überbrückbar sind.
The director of the ICMPD is convinced that his migration centre could help bridge differences in
Europe that cannot be bridged within the framework of the EU.
Interview: Gerhard Bitzan
CD: Was unterscheidet das ICMPD von anderen
Organisationen, die sich mit Migration
befassen?
Michael Spindelegger: Es gibt mehrere
Aspekte: Der eine ist der Konnex zwischen
Theorie und Praxis. Wir sind nicht nur ein
Think Tank und wir sind nicht nur eine
Implementierungsorganisation – wir machen
beides. Vom Konzept für Staaten bis
zur Implementierung vor Ort. Das ist ein
großer Vorteil, weil man damit nicht einseitig
ist. Wir sehen nicht nur die praktischen
Probleme, sondern beachten auch
den theoretischen Überbau. Und wir konzentrieren
uns auf Europa, was wichtig ist,
weil wir die Standpunkte aller europäischen
Staaten, nicht nur der EU, sehen.
Einige der ICMPD-Mitglieder, etwa Ungarn,
gelten in Migrationsfragen als eher schwierig.
Wie pflegen Sie den Umgang mit diesen
Ländern?
Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir
sehen uns nicht als jemand, der den moralischen
Zeigefinger gegen diese Länder erhebt.
Sondern wir versuchen, das was ein
Land für sich als Politik vorgibt, in einen
größeren Rahmen zu stellen. Wir wollen
sehen, wie man das miteinander verknüpfen
kann.
Wir arbeiten daher auch konkret mit
den Visegrád-Ländern, die eine andere Position
innerhalb der EU einnehmen, eng
und intensiv zusammen. Und wir sehen
uns nicht als die, die mit der Kritik aufzuwarten
haben, sondern wir haben miteinander
gemeinsame Ziele und Lösungen zu
entwickeln. Und das gelingt auch da und
dort. Wir können gewisse Gegensätze
überbrücken, die vielleicht im Rahmen der
EU nicht so leicht überbrückbar wären.
Wie beurteilen Sie die aktuelle EU-Asylpolitik?
Im Außenverhältnis ist sehr viel weitergegangen.
Da ist sehr viel aufgeholt worden.
Mit Ankara gibt es das EU-Türkei-Abkommen,
de facto funktioniert das bis heute. Es
werden nicht mehr so viele Menschen über
die Türkei nach Europa gebracht wie
2015/16. Mit Afrika wurde der EU-Trustfund
für Afrika aufgestellt, wo 1,3 Mrd.
Euro für Projekte der Migration zur Verfügung
stehen. Projekte, um innerhalb Afrikas
die Migration entsprechend zu kontrollieren
und zu regeln.
Im internen Verhältnis gibt es aber noch
sehr viel Aufholbedarf. Da sind wir nach
wie vor in einer Situation, wo es scheinbar
unüberbrückbare Gegensätze gibt. Die
müssen überwunden werden. Außerdem
sollten die Asyl-Regeln einheitlicher gelten.
Es kann nicht sein, dass innerhalb der
EU in einem Land eine Nein-Entscheidung
fällt und im nächsten das Verfahren neu
beginnt.
Wie stehen Sie zum Migrationspakt?
Wir haben den Prozess mitbegleitet und
haben auch gesehen, dass zum Schluss viele
Länder nicht einverstanden waren.
Nachdem der Pakt jetzt schon beschlossen
ist, müssen wir nun auf diese Länder zugehen
und gleichzeitig auch die Bedenken
mancher Staaten ernst nehmen und versuchen,
zu einer gemeinsamen Lösung zu
MICHAEL SPINDELEGGER
Der frühere österreichische Außenminister ist seit 2016
Chef des International Centre for Migration Policy
Development
The former Austrian Foreign Minister has headed the
International Centre for Migration Policy Development
since 2016.
kommen. Der Migrationspakt ist zwar
nicht verbindlich, aber dennoch eine
Grundlage für Zusammenarbeit.
CD: What differentiates the ICMPD from other
organisations that are concerned with migration?
Michael Spindelegger: There are several
different aspects: One of them is the connection
between theory and practice. We
are neither just a think tank nor are we an
action committee – we do both. From ideas
and concepts for governments all the way
to on-site implementation. That’s a big benefit,
because it gives us multiple perspectives.
We spot practical problems and take
into consideration theoretical frameworks.
And we concentrate on Europe, which is
very important, because we consider the
point of view of all European states, not just
the EU as a whole.
Several ICMPD members such as Hungary are
considered rather difficult to deal with when it
comes to migration issues. How do you interact
with these countries?
That’s a crucial point. We don’t consider
it our mission to wag the moral finger at
these countries. Instead, we try to present
the bigger picture of a country’s political
views. We want to see where we have things
in common. This is why we are working
closely and intensively with the Visegrád
countries, which have adopted a different
position within the EU. And we don’t view
it as our task to criticise these countries but
instead try to work on joint goals and
solutions. And that actually works from
time to time. We have been able to bridge
Thema Migrationspolitik: Michael Spindelegger
im Gespräch mit CD-Autor Gerhard Bitzan.
On the topic of migration policy: Michael
Spindelegger in conversation with CD author
Gerhard Bitzan.
certain differences that may not have been
so easy to bridge within the framework of
the EU.
How do you evaluate the EU’s current asylum
policy?
When it comes to foreign policy, a lot
has been achieved. A lot of catching up has
been done. Concerning Ankara, we’ve got
the EU-Turkey Agreement, which, de facto,
works to this day. We are no longer receiving
as many people in Europe via Turkey
as we did in 2015/2016. When it comes to
Africa, we have established the EU Emergency
Trust Fund for Africa, where 1.3 billion
euro have been made available for migration
projects. Projects with the purpose of
controlling and regulating migration within
Europe.
Internally speaking, however, there is still
plenty of catching up that needs to be done.
Here, we continue to find ourselves in a situation
where there seem to be a heap of unbridgeable
differences. In addition, we need
to streamline asylum rules in a much more
unified manner. It must not be the case that
a one country within the EU makes a decision
against granting asylum only for the case
to be reopened in another country.
What is your take on the Global Compact for
Migration?
We have accompanied the process and
have also seen that many countries didn’t
agree with it in the end. Now that the compact
has been made, we must approach those
countries and, at the same time, take seriously
their reservations in order to come to
a joint solution. The migration pact may
not be binding, but it can be a foundation
for more cooperation.
PHOTOS: RALPH MANFREDA
70 Cercle Diplomatique 2/2019