Stahlguss - Konstruieren und Gießen - Bundesverband der ...
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4 Erschmelzen von <strong>Stahlguss</strong><br />
Bereits das Erschmelzen des Stahls aus<br />
den Rohstoffen beeinflusst entscheidend<br />
die Qualität des Gussstücks. Von Bedeutung<br />
sind nicht nur das Einhalten von Analysen-<br />
<strong>und</strong> Temperaturvorschriften, son<strong>der</strong>n<br />
es lassen sich hier bereits die<br />
Fehler erzeugenden Einflussgrößen auf ein<br />
Minimum reduzieren. Dies ist Voraussetzung<br />
für das Ziel eines fehlerfreien gegossenen<br />
Bauteils mit besten Werkstoffeigenschaften,<br />
wozu <strong>der</strong> Stahlgießer mit<br />
dem ihm zur Verfügung stehenden Schmelzaggregaten<br />
die nötigen Vorkehrungen <strong>und</strong><br />
metallurgischen Schritte zu treffen hat.<br />
Die Wahl des Schmelzverfahrens für die<br />
Herstellung von Flüssigstahl richtet sich<br />
nach folgenden Merkmalen:<br />
• dem Stahlsortenprogramm <strong>der</strong> Gießerei,<br />
• den gefor<strong>der</strong>ten Verarbeitungseigenschaften,<br />
• den für die Stückmassen (Einzelguss)<br />
bzw. Losgrößen (Serienguss) erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Flüssigstahlmengen,<br />
• <strong>der</strong> Rohguss-Produktionsrate <strong>der</strong><br />
Gießerei,<br />
• <strong>der</strong> Beschaffbarkeit (<strong>und</strong> damit den<br />
Kosten) von Hilfs- <strong>und</strong> Betriebsstoffen,<br />
z. B. Schrott.<br />
4.1 Schmelzverfahren<br />
In Stahlgießereien wird Stahl vorwiegend im<br />
Induktions- o<strong>der</strong> Lichtbogenofen elektrisch<br />
erschmolzen.<br />
Mittelfrequenz-Induktionsöfen mit Einsätzen<br />
von 10 kg bis zu 10 t <strong>und</strong> mehr werden zum<br />
Umschmelzen von Stahl aus “kalten” Einsätzen<br />
ohne “Sumpf” verwendet. Der frequenzverän<strong>der</strong>te<br />
Strom erzeugt in den<br />
Kupferspulen ein elektromagnetisches<br />
Wechselfeld, welches im metallischen Einsatzmaterial<br />
zum Entstehen von Induktionsströmen<br />
(Wirbel- o<strong>der</strong> Kurzschlussströme)<br />
führt. Diese wie<strong>der</strong>um erzeugen<br />
die benötigte Schmelzwärme. Der Stromfluss<br />
bewirkt gleichzeitig eine elektromagnetische<br />
Krafteinwirkung. Dadurch<br />
entsteht beim Einschmelzen <strong>und</strong> Aufheizen<br />
eine frequenz- <strong>und</strong> leistungsabhängige<br />
Badbewegung, die die Legierungsstoffe<br />
schnell <strong>und</strong> homogen im Stahlbad auflöst.<br />
Durch diese Vorzüge ist eine hoheAnalysentreffsicherheit<br />
gegeben.<br />
Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> kleinen Badoberfläche, die<br />
induktiv nicht beheizt werden kann, ist mit<br />
dem Induktionsofen eine metallurgische Arbeit<br />
in <strong>der</strong> Regel nicht möglich. Gasreaktionen<br />
zum Senken des Kohlenstoff-,<br />
Stickstoff- <strong>und</strong> Wasserstoffgehalts sowie<br />
Schlackenreaktionen zum Verringern des<br />
Phosphor- <strong>und</strong> Schwefelgehalts werden in<br />
<strong>der</strong> betrieblichen Praxis nicht nennenswert<br />
12<br />
Tabelle 1: DurchschnittlicheEndgehalte<br />
<strong>der</strong> Begleitelemente<br />
von<br />
<strong>Stahlguss</strong> in <strong>der</strong><br />
Abstichpfanne in<br />
Abhängigkeit<br />
vom Schmelzaggregat<br />
angewendet. Um die in Tabelle 1 genannten<br />
durchschnittlichen Analysenendgehalte<br />
<strong>der</strong> Begleitelemente zu erreichen, muss<br />
ein entsprechend hochwertiger Schrott<strong>und</strong><br />
Legierungseinsatz verwendet werden.<br />
Beim Lichtbogenofen wird die elektrische<br />
Energie zum Schmelzen von Schrott <strong>und</strong><br />
Heizen des flüssigen Einsatzes durch direkte<br />
Lichtbogenerwärmung eingebracht.<br />
Die Energieübertragung an das Einsatzgut<br />
erfolgt durch die intensive Lichtbogenstrahlung<br />
bei Temperaturen von etwa 4000<br />
bis 6000 K. Der als Drehstrom-Lichtbogenofen<br />
gebaute Herdofen mit einem relativ<br />
großen Speicherenergiebedarf <strong>und</strong> dadurch<br />
erhöhtem spezifischem Energieverbrauch<br />
bei Ein- o<strong>der</strong> Mehr-Chargen-<br />
Betrieb pro Tag kommt überwiegend als<br />
Halbportalofen mit Schwenkdeckel <strong>und</strong><br />
Korbbeschickung zum Einsatz. Zunehmend<br />
werden Lichtbogenöfen als Einschmelzaggregat<br />
mit nachfolgen<strong>der</strong> Sek<strong>und</strong>ärmetallurgie<br />
betrieben.<br />
Für <strong>Stahlguss</strong> sind Nenngrößen ab 2 t im<br />
Einsatz. Die Mehrzahl <strong>der</strong> Öfen liegt bei 5<br />
bis 10 t Nenngröße. Seltener sind wesentlich<br />
größere Ofeneinheiten. Unter bestimmten<br />
Einsatzbedingungen sind heute selbst<br />
mit kleinen Ofengrößen sehr gute Betriebsergebnisse<br />
erreichbar.<br />
Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> direkten, großflächigen Badbeheizung<br />
ist eine metallurgische Arbeit<br />
sowohl über gaskinetische als auch über<br />
schlacken-chemische Reaktionen möglich.<br />
Das Einsatzgut Schrott ist wesentlich<br />
kostengünstiger, bezüglich Schrottdichte,<br />
Stückigkeit <strong>und</strong> Beschaffenheit<br />
sowie wesentlich anspruchsloser <strong>und</strong> in<br />
seiner analytischen Zusammensetzung<br />
variabler als <strong>der</strong> Induktionsofen. Diese<br />
Gründe machten den Lichtbogenofen für<br />
größere Stahlmengen zum Hauptschmelzaggregat<br />
in den Stahlgießereien.<br />
Wie die metallurgischen Möglichkeiten des<br />
Lichbogenofens für das Erschmelzen eines<br />
qualitativ sauberen <strong>Stahlguss</strong>es voll<br />
genutzt werden können, ist in Tabelle 2 an<br />
einem detaillierten Verfahrensablauf nach<br />
dem Zwei-Schlacke-Verfahren dargestellt.<br />
Die mit dieser Schmelzführung zu erreichenden<br />
durchschnittlichen Analysenendwerte<br />
für Begleitelemente enthält Tabelle 1.<br />
4.2 Sek<strong>und</strong>ärmetallurgie<br />
Steigende Qualitätsanfor<strong>der</strong>ungen hinsichtlich<br />
• besserer mechanischer Eigenschaften<br />
bei ungeän<strong>der</strong>ter <strong>Stahlguss</strong>sorte,<br />
• erhöhten Reinheitsgrades <strong>und</strong><br />
• sehr enger Analysengrenzen<br />
beeinflussten die schmelzmetallurgischen<br />
Überlegungen für die <strong>Stahlguss</strong>herstellung.<br />
Die in den Großstahlwerken bewährten<br />
Nachbehandlungsanlagen wurden auf die<br />
für <strong>Stahlguss</strong> spezifischen Bedingungen<br />
modifiziert. Dabei wird im Induktions- <strong>und</strong><br />
Lichbogenofen nur noch <strong>der</strong> Schrott geschmolzen<br />
sowie die metallurgische Arbeit<br />
des Entphosphorens durchgeführt. Die<br />
weiteren Prozessschritte des Entkohlens,<br />
des Entgasens, <strong>der</strong> Desoxidation <strong>und</strong> des<br />
Entschwefelns übernehmen die Nachbehandlungsanlagen.<br />
In <strong>der</strong> betrieblichen<br />
Praxis haben sich für die <strong>Stahlguss</strong>herstellung<br />
durchgesetzt:<br />
• für kleinere Schmelzeinheiten <strong>der</strong><br />
Vakuum-Induktionsofen (VIO),<br />
• für größere Abstichmassen <strong>der</strong> AOD-<br />
Bild 27: Nahezu ausschließlich aus Schrott<br />
<strong>und</strong> Kreislaufmaterial wird <strong>Stahlguss</strong> erschmolzen.<br />
Da die Gussteile nach Gebrauch<br />
vollständig dem Stoffkreislauf durch Erschmelzen<br />
wie<strong>der</strong> zugeführt werden, ist<br />
Guss Rohstoffe <strong>und</strong> Umwelt schonend.<br />
konstruieren + giessen 29 (2004) Nr. 1