Brücken bauen – Junge Suchtkranke und Selbsthilfe - Kreuzbund
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2 „Lebe schnell, liebe<br />
intensiv, stirb jung.“<br />
12<br />
<strong>Brücken</strong> <strong>bauen</strong><br />
Was wird konsumiert?<br />
Ältere <strong>Suchtkranke</strong>, die die Gruppen der<br />
<strong>Selbsthilfe</strong>verbände besuchen, sind mehrheitlich<br />
alkoholkrank, manche medikamenten-<br />
oder mehrfachabhängig. Bei den jungen<br />
<strong>Suchtkranke</strong>n sind die Konsummuster<br />
vielfältiger, viele sind mehrfachabhängig,<br />
wenngleich insgesamt auch bei ihnen der<br />
Alkoholkonsum an erster Stelle steht. Statistisch<br />
gesehen waren beispielsweise im<br />
Jahr 2000 in der Altersgruppe der 18- bis<br />
29-jährigen <strong>Suchtkranke</strong>n 47% alkoholabhängig,<br />
28% abhängig von illegalen Drogen<br />
<strong>und</strong> 25% medikamentenabhängig (Kraus &<br />
Augstein, 2001). Um einen Eindruck von der<br />
Größenordnung zu erhalten, seien auch die<br />
absoluten Zahlen genannt: Im Jahr 2000<br />
waren r<strong>und</strong> 410.000 junge Menschen unter<br />
30 Jahren nach DSM-IV alkoholabhängig,<br />
250.000 abhängig von illegalen Drogen <strong>und</strong><br />
220.000 medikamentenabhängig (Kraus &<br />
Augstein, 2001).<br />
Warum konsumieren junge Menschen<br />
Suchtmittel?<br />
Alterstypisches Austesten von Grenzen: Das<br />
Jugendalter ist die Lebensphase, in der der<br />
Mensch seine Persönlichkeit herausbildet<br />
<strong>und</strong> nach <strong>und</strong> nach lernt, ein unabhängiges,<br />
selbstbestimmtes Leben zu führen. Zu<br />
den damit verb<strong>und</strong>enen Entwicklungsaufgaben<br />
gehört es, soziale Kompetenzen aufzu<strong>bauen</strong>,<br />
intellektuell dazuzulernen, mit<br />
der eigenen Geschlechterrolle zurecht zu<br />
kommen <strong>und</strong> ein Werte- <strong>und</strong> Normensystem<br />
auszubilden. Kurz: einen individuellen<br />
Lebensstil <strong>und</strong> die eigene Persönlichkeit zu<br />
entwickeln. Dass dieser Prozess nicht ohne<br />
Schwierigkeiten verläuft, sondern Konflikte<br />
<strong>und</strong> Krisen beinhaltet, liegt in der Natur<br />
der Sache. Das heißt aber auch, dass die Ju-<br />
gendlichen in diesem Lebensabschnitt vor<br />
der Aufgabe stehen, Strategien <strong>und</strong> Ressourcen<br />
zur Bewältigung von Lebenskrisen<br />
herauszubilden.<br />
Es ist ganz normal, dass Jugendliche dabei<br />
zeitweise ihre Spielräume <strong>und</strong> Grenzen<br />
austesten. In diesem Zusammenhang wird<br />
der Konsum von Suchtmitteln häufig als jugendspezifisches<br />
Experimentier- <strong>und</strong> Risikoverhalten<br />
angesehen. Der Reiz der „Grenzenlosigkeit,<br />
der Ekstase <strong>und</strong> die Sehnsucht<br />
nach Spannungsauflösung, nach Glück, hat<br />
große Bedeutung“ (Gross, 1990, S. 225). „Live<br />
fast, love deep, die young“ 2 ist nach Opp<br />
(2003) Ausdruck des Lebensprogrammes,<br />
mit dem sich die Jugendlichen von den Erwachsenen<br />
absetzen <strong>und</strong> alternative Lebensformen<br />
austesten, um die eigene Identität<br />
entwickeln zu können.<br />
Freizeitgestaltung: Darüber hinaus sehen<br />
junge Menschen im Konsum von Alkohol<br />
<strong>und</strong> anderen Suchtmitteln nicht selten eine<br />
sinnstiftende Freizeitgestaltung. Zu einer<br />
gelungenen Party gehört der Vollrausch,<br />
zum Fußballspiel die Kiste Bier, zum Diskobesuch<br />
trinkt man sich „warm“ oder „glüht<br />
an“. Durch das Mittrinken „gehört man<br />
dazu“. Die Jugendlichen selbst sehen den<br />
Konsum von Alkohol oder Drogen dabei<br />
meist nicht als problematisch an <strong>und</strong> beurteilen<br />
ihr Verhalten auch nicht als riskant.<br />
Problemlösung: Schließlich werden Suchtmittel<br />
unbewusst als Möglichkeit angesehen,<br />
Probleme <strong>und</strong> Konflikte zu lösen.<br />
So versuchen die Jugendlichen auf diesem<br />
Wege, z. B. geschlechtsspezifische Identitätsprobleme<br />
zu bewältigen (wer viel verträgt,<br />
ist „ein ganzer Kerl“), unangenehme<br />
Gefühle zu verdrängen, Spannungsgefühle<br />
zu regulieren oder Enthemmung hervorzurufen,<br />
um Ängste <strong>und</strong> Unsicherheiten zumindest<br />
zeitweise zu überdecken.