mailing.150_Jubiläumsausgabe - Gruner AG
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Städtebau Energie Verkehr > Technik<br />
Quo vadis, Geotechnik?<br />
Technische Entwicklungen verlaufen scheinbar schubartig, wobei einzelne Schlüsseltechnolo gien<br />
eine ganze Reihe von aufbauenden Erfindungen ermöglichen oder begünstigen. Sehr schön<br />
ist das beispielsweise an den direkten und indirekten Effekten der Lasertechnologie zu sehen,<br />
die heute – auch aus (geo-)technischen Anwendungen – kaum noch wegzudenken sind:<br />
angefangen beim Einsatz in der Informationstechnologie über einfache Geräte auf der Baustelle<br />
bis hin zu Präzisionsmessinstrumenten beim Monitoring. Ein Paradebeispiel, wie schnell bei<br />
solchen Entwicklungen Grenzen zwischen den einzelnen Fachbereichen übersprungen werden.<br />
Dr. Jörg Meier, <strong>Gruner</strong> <strong>AG</strong>, Basel<br />
Neue Schlüsseltechnologien lassen sich nur schwer<br />
vorhersagen, da sie oft neue oder nur wenig bekannte<br />
Effekte nutzen. Manche Zukunftsvorhersagen aus den<br />
1950er-Jahren zeigen u.a. teilweise von Miniatomreaktoren<br />
angetriebene Fahrzeuge, die wir heute – aus gutem<br />
Grund – in der Praxis nicht sehen. Der Laser und seine<br />
Anwendungen wurden 1950 nicht im heute normalen<br />
Masse vorhergesehen. An der Unvorhersagbarkeit solcher<br />
Technologien hat sich aus heutiger Sicht nicht viel<br />
geändert. Der Blick auf mögliche Entwicklungen wird<br />
sich so auf die stetige Weiterentwicklung aktueller<br />
Tech niken bzw. die Konvergenz aktueller Techniken einschränken.<br />
Zusätzlich können noch Vorhersagen durch<br />
Berücksichtigung des heute absehbaren Bedarfs an<br />
Techniken (z.B. Mobilität), aber auch Ressourcen (z.B.<br />
Energie oder Wasser) abgeleitet werden. Unberücksichtigt<br />
bleiben die Möglichkeiten und auch der Bedarf<br />
(als auch die daraus notwendigen/möglichen Lösungen),<br />
der sich aus neuen Schlüsseltechnologien ergibt.<br />
Die folgende Abbildung versucht mögliche Entwicklungen<br />
in der Geotechnik abzuschätzen. Dabei bleiben die<br />
darin enthaltenen Punkte an die gleichen Einschränkungen<br />
gebunden, die im vorangehenden Absatz geschildert<br />
wurden. Die Darstellungsform der Abbildung ist so<br />
gewählt, dass die Gegenwart im Zentrum steht und die<br />
möglichen Entwicklungen bildlich in alle Richtungen<br />
weiterführen und auf die kommenden Jahre – in Form<br />
von konzentrischen Kreisen – projiziert werden. Hierbei<br />
wurde versucht, die Entwicklungen um verschiedene<br />
Spezialbereiche, wie z.B. «Planung» und «Infrastruktur»,<br />
zu gruppieren. Strahlenförmig um die Spezialbereiche<br />
sind die Entwicklungen angeordnet. Die Grösse<br />
der Kreise wurde so gewählt, dass diese mit dem Einfluss<br />
der Entwicklung korrespondiert.<br />
Beispielsweise hat sich mit der Zunahme der Leistungsfähigkeit<br />
der Rechentechnik auch die Leistungsfähigkeit<br />
der Softwarekomponenten weiterentwickelt. Alles<br />
deutet heute darauf hin, dass sich dieser Trend unvermindert<br />
fortsetzen wird. In der Grafik wurde die Kategorie<br />
«Software» dazu eingeführt. Normal ist heute<br />
bereits der Einsatz der Finite-Elemente-Methode (FEM),<br />
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die eine realitätsnahe Simulation des Verformungsverhaltens<br />
wie auch der Boden-Bauwerk-Interaktion<br />
ermöglicht. Im Moment noch sehr kontrovers diskutiert<br />
werden hingegen Nachweisstrategien bzw. statische<br />
Nachweise mit der FEM. Verschiedene sinnvolle Ergänzungen<br />
der FEM werden aktuell in verschiedensten<br />
Forschungsein richtungen bereits untersucht: In Zukunft<br />
könnten somit in der Praxis «künstliche neurale Netzwerke»<br />
als eine Form des maschinellen Lernens oder<br />
auch «erweiterte Antwortflächen» zum Einsatz kommen,<br />
die eine schnelle Vorhersage des Systemverhaltens auf<br />
der Basis bereits bekannter Informationen zu diesem<br />
System ermöglichen. Mit weiter steigender Rechenleistung<br />
verkürzen sich zudem die Laufzeiten von Techniken<br />
wie der «mathe matischen Optimierung» (z.B. zur Parameter-<br />
und Formfindung) und «gekoppelter FEM-DEM-<br />
Modelle» (DEM = Diskrete-Elemente-Methode) beispielsweise<br />
Simulation von Bruchprozessen bzw. von<br />
Prozessen mit vielen Einzelkörpern. Es ist weiter zu<br />
erwarten, dass reguläre Simulationen in der Zukunft<br />
auch neben der in der Geotechnik wichtigen Verformungsprognose<br />
weitere physikalische (z.B. chemische<br />
und thermische) Vorgänge berücksichtigen (Multi-Physics-<br />
Simulationen).<br />
Mit den parallelen Entwicklungen im Bereich der «Augmented<br />
Reality» und der computergestützten Objekterkennung<br />
wird vermutlich auch eine «Virtual-Reality<br />
integrierte Planung» möglich, in der das Bauwerk in<br />
weit höherer Detailtreue als heute üblich als virtuelles<br />
Bauwerk umfassend und dreidimensional geplant, nachgewiesen<br />
und bemessen werden kann. Um den Planer<br />
und Statiker hierbei zu unterstützen, Fehlerquellen zu<br />
erkennen als auch zu beseitigen, ist davon auszugehen,<br />
dass Techniken aus dem Bereich der künstlichen<br />
Inte lligenz (KI) eingesetzt werden. Dies kann sich in<br />
«KI-unterstützter Modellierung» bzw. «KI-unterstützter<br />
Planung» niederschlagen.<br />
Welche der Vorhersagen der folgenden Abbildung Realität<br />
werden, wird die Zukunft zeigen. Ein Punkt<br />
scheint sicher: Die Zukunft hält die eine oder andere<br />
Überraschung und Wendung für uns bereit.