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REISE IN KLEINASIEN

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Wir gehen eine breite, von niedrigen Häusern eingefasste Strasse herunter<br />

und stehen bald vor der von Sultan Selim erbauten Moschee (1512<br />

bis IS 20 )- . , . 1<br />

Eine zierliche säulengetragene Vorhalle führt in den weiten quadratischen<br />

Betraum, der von einer gewaltigen Halbkugel überdacht ist. Die<br />

Anlage dieser Moschee ist durchaus dieselbe, wie wir ihr hier zu Lande<br />

mit wenigen Ausnahmen bei allen derartigen Bauten begegnen, die nach<br />

der Eroberung Konstantinopels von den osmanischen Sultanen errichtet<br />

sind, eine Nachahmung der Hagia Sophia.<br />

Nur wenige Schritte entfernt steht die Tekke, das Kloster der Derwische.<br />

Wir treten durch ein Portal und sind überrascht von dem freundlichen<br />

Anblick, der sich uns hier bietet An drei Seiten wird der Hof von grünberankten<br />

Hallen und niedrigen Gebäuden, den Wohnräumen der Derwische,<br />

eingefasst. In der Mitte erhebt sich, von Bäumen beschattet, ein Marmorbrunnen<br />

mit säulengetragenem Dach, unter dem eine Fayence-Kügel, eine<br />

ältere sog. Kiutahia-Arbeit, und ein hölzernes Schiffsmodell — vermuthlich<br />

symbolischer Bedeutung — herabhängen. Die vierte Seite des Hofes wird<br />

von einem grösseren Gebäude eingenommen, das zu gleicher Zeit die<br />

Räume für die Andachtsübungen des Ordens, sowie die Gräber des Stifters<br />

und ersten Oberhaupts und seiner Nachfolger enthält.<br />

Gleich der christlichen Kirche hat auch der Islam geistliche Brüderschaften,<br />

sog. Derwisch-Orden, deren ungefähr 30 verschiedene gezählt<br />

werden. Der Orden der Mewlewi ist der ausgedehnteste und berühmteste<br />

des gesammten türkischen Reiches. Sein Stifter, Dscheläl eddin wurde 1207<br />

in Baiich im nördlichen Theile des heutigen Afghanistan geboren; er war ein<br />

Anhänger des Süfismus, einer mystischen Lehre des Islam, die in Persien<br />

entstanden war.*) Von Buchara aus, wo Djeläl eddin in lyrischen Gedichten<br />

die Phüosophie der Lichtlehre besungen und hohen Ruhm erworben<br />

hatte, berief ihn Sultan Ala eddin Kai Kobäd I (1219 —1236),<br />

der bedeutendste der seldjukischen Herrscher, im Jahre 1233 an seinen<br />

Hof nach Konia, wo er fortan als Lehrer seiner Philosophie lebte. Ibn<br />

Batuta erzählt, wie der Meister nach dem Genuss der Waare eines Zuckerbäckers<br />

plötzlich verschwand, wie man ihn vergeblich jahrelang suchte, bis<br />

*) »Der Ursprung des Süfisinus verliert sich in die Anfänge der muhammedanischen<br />

Herrschaft in Persien zurück. Die Lehre verlangt vier aufsteigende Stufen der Gottesverehrung:<br />

Erstens die Befolgung der rituellen Vorschriften. Zweitens den »Pfad«, d.i. das Aufsteigen<br />

vom körperlichen zum geistigen Gottesdienst. Die dritte Stufe, die des »Wissens«, vermittelt<br />

den Besitz übernatürlicher Einsicht, gleich den Engeln des Lichtes, die am Throne Gottes<br />

stehen. Die vierte Stufe verlangt ein Versenken in die Gottheit, ein völliges Einssein mit Gott.<br />

Also Pantheismus. Diese Viertheilung geht zurück auf eine angebliche Tradition des Propheten.<br />

Das Symbol für das Gesetz ist ein Schiff, für den Pfad das Meer, für das Wissen die Muschel<br />

und für die Gotteinheit die Perle. Wer die Perle erlangen will muss zuerst das Schiff<br />

besteigen. [B. M.J«<br />

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