03.10.2013 Aufrufe

REISE IN KLEINASIEN

REISE IN KLEINASIEN

REISE IN KLEINASIEN

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Bäume hindurch die farbenprächtige Aussicht auf den Bosporus und das<br />

gegenüber "emporsteigende Stambul' eröffnet, der sucht einen ähnlichen<br />

Eindruck auf den Friedhöfen Konias vergebens. Aber auch diese Scenerie<br />

ist von eigenem, wenn auch völlig anderem Reiz. Soweit das Auge reicht,<br />

erblickt es eine ebene Fläche, bedeckt mit roh zugehauenen Steinen,<br />

die windschief zu Häupten und zu Füssen des Grabes emporragen. Nur<br />

selten sieht man einen Buchstaben, eine Inschrift darauf, die berichten<br />

könnte, wer hier seine letzte Ruhestätte gefunden. Aber gerade diese<br />

drückende Einförmigkeit, diese trostlose Oede versinnbildlicht in ergreifender<br />

Weise die alles ausgleichende Majestät<br />

des Todes. Nur hier und da<br />

taucht aus diesem Meer von Steinen<br />

ein kleiner kuppelüberdeckter oder<br />

mit einem Kegeldach versehener<br />

Bau hervor, die Turbe eines Heiligen.<br />

An dem Gitterwerk der<br />

Fenster, durch die man den Sarkophag<br />

erblickt, hängen Bänder<br />

und Kleiderfetzen, Opferzeichen<br />

derjenigen, die hier ein Gebet<br />

verrichtet haben. Nicht des Vornehmen,<br />

des Reichen Grabmal<br />

ragt aus der unendlichen Zahl<br />

hervor: es sind die Ruhestätten<br />

heiliger Männer, die vielleicht als<br />

Bettel-Derwische von den Almosen<br />

ihrer Mitmenschen gelebt haben.<br />

Ihnen hat man diese Denkmäler<br />

errichtet, und ihr Andenken lebt<br />

in dem Glauben derjenigen fort,<br />

die zu ihrem Grabe pilgern. Kein<br />

Baum oder Strauch, keine lebende<br />

Pflanze bedeckt den Boden. Aus<br />

dem grauen Sandboden, der hier<br />

und da noch mit verdorrtem Gras bedeckt ist, ragen die formlosen Steine empor<br />

und werfen, von der tief stehenden Sonne beschienen, lange Schatten. In der<br />

Ferne glänzen die bunten Kuppeln und Minares der Stadt: wie Gebilde einer<br />

anderen Welt überragen sie das Grau der unter ihnen liegenden Mauern.<br />

Durchsichtig, klar wie ein Krystall wölbt sich der Himmel über diesem eigenartigen<br />

Bilde. Im Westen sinkt inmitten leuchtender Farben, wie sie nur der<br />

Orient hervorbringt, das Tagesgestirn hinab. Durch unser Nahen erschreckt,<br />

fliegt ein Käuzchen mit lautem Klagegeschrei davon; der Grabstein, von dem<br />

— 35 —<br />

3*

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!