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REISE IN KLEINASIEN

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auch den übrigen Derwischen gestattet, sich zu verheirathen. Sie ver­<br />

es<br />

dienen sich meist durch ein Handwerk den nöthigen Lebensunterhalt. Nur<br />

wenige der 500 Ordensbrüder wohnen in der Tekke selbst; ein grosser Theil<br />

von ihnen ist stets in Missionen auf Reisen unterwegs.<br />

Die charakteristische Kleidung der Mewlewi besteht in dem grossen<br />

weiten Mantel aus dunkelgrünem Stoff (Feradje genannt) und der hohen<br />

topfartigen Mütze aus braunem Filz (Haidarije-i-scherlf), die sie niemals<br />

absetzen dürfen. Zwei dieser Derwische führten uns in dem Kloster umher;<br />

sie zeigten uns bereitwilligst die Zellen und Hessen uns auch in das grosse<br />

Gebäude eintreten, das die Andachtsräume und die Gräber der Scheichs<br />

enthält. Durch eine von vier Säulen getragene Vorhalle gelangten wir<br />

in einen quadratischen Saal, der von einer Halb-Kuppel bedeckt ist, und<br />

an den sich unmittelbar ein zweiter gleichgestalteter Raum anschliesst.<br />

Hier finden Freitags die bekannten rituellen Tänze statt. Mit auf der<br />

Brust gekreuzten Armen defiliren die Derwische an dem Scheich vorbei<br />

und empfangen seinen Segen; dann beginnen sie, den Kopf leicht auf<br />

die rechte Schulter geneigt, die Augen geschlossen und die Arme<br />

wagerecht emporgehoben, bei dem Klang einer Flöte sich um sich selbst<br />

zu drehen und in dieser Bewegung den Saal zu umwandeln. Immer<br />

schneller werden ihre Bewegungen, so dass sie bald den langen Mantel<br />

ablegen. »Dieses Drehen bedeutet«, wie gesagt worden ist,*) »ein Abbild der<br />

Seele, die ergriffen ist von dem göttlichen Heilsgut, von der ewigen Schönheit,<br />

fortgerissen in den Taumel der göttlichen Liebe. Die Bewegung der<br />

himmlischen Sphären wird ihnen bemerkbar und reisst sie hin in ihren<br />

zügellosen Lauf; der lange Rock beschreibt um ihren Körper einen<br />

horizontalen Kreis, während ihre Lippen leise und andächtig den Refrain<br />

der Hymne wiederholen: Es giebt nur einen Gott, das ist Gott! Wann<br />

endlich werden meine Augen den Ersehnten erblicken!« Erst eine vollständige<br />

Ermattung macht diesem Tanz ein Ende. Auch hier steht es<br />

wie in Konstantinopel Jedem, auch den Ungläubigen frei, diesen religiösen<br />

Ceremonien beizuwohnen. In den Mienen, im Gesichtsausdruck eines<br />

jeden dieser Derwische spiegelt sich, wie bei allen anderen religiösen<br />

Handlungen des Muhammedaners, strenger Ernst und tiefe Ergriffenheit<br />

wieder, und es würde uns nicht anstehen, die Aufrichtigkeit dieses Gottesdienstes,<br />

so sonderbar er auch dem Fremden anfänglich dünken mag, in<br />

Zweifel oder ins Lächerliche zu ziehen.<br />

Neben diesen beiden für die Tänze bestimmten Räumen, nur durch<br />

Säulen von ihnen getrennt und durch ein Gitter abgeschlossen, befinden<br />

sich die Grabstätten der Scheichs, aus der Familie der Mewlana, die nun<br />

schon seit 600 Jahren hier beigesetzt sind. Leider durften wir diesen Raum,<br />

*) Hamdy Bey: Les Costumes populaires de la Turquie. Constantinople 1873.<br />

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