Akademischer Stellenmarkt - Forschung & Lehre
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Im Gespräch<br />
<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong>: Was bedeutet<br />
Kreativität in der Musik für Sie? Wie<br />
kann man Kreativität fördern?<br />
Christhard Gössling: Als Musiker und<br />
gerade auch als Orchestermusiker ist<br />
es mir außerordentlich wichtig, nicht<br />
nur reproduzierender Künstler zu sein,<br />
sondern in hohem Maße auch, jeden<br />
Abend neu, kreativ schöpferisch tätig<br />
zu sein. Die gestalterischen Möglichkeiten<br />
auch einer vorgegebenen Posaunenstimme<br />
einer Orchester- oder<br />
Opernpartitur sind wesentlich größer<br />
als man gemeinhin denkt. Es gibt unendlich<br />
viele Nuancen der musikalischen<br />
Ausdrucksweise, die natürlich<br />
auch sehr stark abhängen von den<br />
mitspielenden und korrespondierenden<br />
anderen Instrumentalisten und<br />
Sängern. Die Lebendigkeit und Einzigartigkeit<br />
eines Konzertes hängt aber<br />
auch stark von der Einstellung und der<br />
Inspiration des Dirigenten ab. Bei einer<br />
Aufführung sollte nie im Mittelpunkt<br />
stehen, das in den Proben Erarbeitete<br />
möglichst genau abzurufen,<br />
sondern man muß die Proben dazu<br />
nutzen, sich gegenseitig und das zu<br />
spielende Werk kennenzulernen, Vertrauen<br />
zu entwickeln, um dann am<br />
Konzertabend etwas völlig Neues entstehen<br />
lassen zu können. Insofern<br />
kann eine Probe zuviel der Kreativität<br />
mehr schaden als eine Probe zuwenig.<br />
Lebenslange Aufgabe<br />
Um die große Palette musikalischer<br />
Möglichkeiten auszuschöpfen, ist es<br />
nicht nur für Studenten, sondern für<br />
jeden Musiker ein Leben lang eine<br />
zentrale Aufgabe, das Zuhören zu pflegen<br />
und zu trainieren, das sorgfältige<br />
sich selbst zu hören und das Hinhören<br />
auf alles andere.<br />
Ich denke Kammermusik zu betreiben,<br />
soviel es möglich ist, schafft für<br />
jeden Musiker die besten Grundlagen<br />
und Voraussetzungen, kreativ auch<br />
alle anderen Aufgaben bestens erfüllen<br />
zu können.<br />
294<br />
Kunst- und<br />
Musikhochschulen<br />
Eigene kreative Interpretationen<br />
Worin liegt der Reiz des Unterrichtens<br />
im Fach Musik? Wieviel Ihrer Zeit verwenden<br />
Sie auf Ihr Engagement als<br />
Künstler und als Rektor?<br />
Der Reiz Musik zu unterrichten ist in<br />
Berlin ein ganz besonderer. Ich will erklären,<br />
warum.<br />
Professor Christhard Gössling,<br />
Rektor der Hochschule für Musik<br />
„Hanns Eisler“ in Berlin,<br />
Soloposaunist bei den Berliner<br />
Philharmonikern<br />
Unterrichten hat viel mit dem Vermitteln<br />
handwerklicher, technischer und intellektueller<br />
Fähigkeiten zu tun, im Fach<br />
Musik darüber hinaus auch besonders<br />
mit Emotionalität und Ausdrucksfähigkeit<br />
seelischer Empfindungen. Gerade<br />
Musikstudenten brauchen Vorbilder, die<br />
sie in der Praxis erleben können. Das<br />
müssen nicht unbedingt die eigenen <strong>Lehre</strong>r<br />
sein. Wichtig ist das erlebbare Angebot<br />
insgesamt. Und da ist Berlin für die<br />
künstlerische Ausbildung ein einmaliger<br />
Standort. Bei der Anzahl von Opernhäusern,<br />
Orchestern, Theatern, Ensembles,<br />
Podien und Kulturstätten kann jeder Student<br />
seine künstlerische Persönlichkeit<br />
durch eigene zuhörende oder mitmachende<br />
Erfahrung weiterentwickeln,<br />
nicht um das Gehörte nachzuahmen,<br />
sondern um als gereifter Künstler zu eigenen<br />
kreativen Interpretationen fähig<br />
zu sein.<br />
Und diese Verbindung von Theorie und<br />
Praxis spiegelt sich auch in meiner eigenen<br />
Berufsgestaltung wider. In allem was<br />
ich tue, durchdringen sich immer alle<br />
Aufgabenbereiche, die des Musikers, die<br />
des <strong>Lehre</strong>rs und die des Rektors.<br />
<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong><br />
6/2002<br />
Wie werden begabte Studenten ausgewählt?<br />
Welche Kriterien legen Sie bei<br />
den Aufnahmeprüfungen zugrunde?<br />
Die Auswahlkriterien für Musikstudenten<br />
sind an unserer Hochschule<br />
vergleichbar mit allen anderen Instituten.<br />
Da steht zunächst einmal die<br />
künstlerische Leistung im Hauptfach<br />
an erster Stelle, aber auch die Pflichtfachprüfungen<br />
in Klavier und Musik-<br />
Theorie/Gehörbildung müssen bestanden<br />
werden. Das absolute Niveau der<br />
Studenten, die wir aufnehmen, steigt<br />
natürlich durch den enorm großen Andrang<br />
hervorragender Bewerber. So<br />
müssen wir viele eigentlich geeignete<br />
Kandidaten ablehnen, da uns kapazitäre<br />
Grenzen gesetzt sind. Neben den<br />
rein musikalischen, technischen Fähigkeiten,<br />
versuchen wir aber auch besonders<br />
die Gesamtpersönlichkeit des Bewerbers<br />
mit seinen Entwicklungschancen<br />
zu beurteilen. Deshalb war ich<br />
auch immer ein Gegner von Probespielen<br />
hinter einem Vorhang, da auf<br />
diese Weise die Wahrnehmung immer<br />
eine reduzierte bleibt. Der Interpret<br />
muß immer die Möglichkeit haben, mit<br />
dem Publikum in direkte Verbindung<br />
zu treten.<br />
Wie gewinnt man hervorragende Solisten<br />
für die Hochschule?<br />
Diese Stadt mit ihrem reichen kulturellen<br />
Leben macht es für uns natürlich<br />
leichter, hervorragende Solisten für<br />
die Arbeit an unserem Hause zu gewinnen.<br />
Aber auch die schon bei uns<br />
arbeitenden Lehrkräfte haben eine Anziehungskraft<br />
und locken andere Kollegen<br />
an unser Haus. Meine eigene<br />
enge Verbindung zu den Berliner Philharmonikern<br />
tut da sicherlich ihr übriges.<br />
Wir wollen hier bei uns nur hoffen, daß<br />
dieses Kleinod, diese exklusiv künstlerisch<br />
ausbildende Musikhochschule,<br />
nicht durch kurzsichtige Sparbeschlüsse<br />
und Zusammenlegungsphantasien<br />
irreparablen Schaden nimmt.<br />
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