Akademischer Stellenmarkt - Forschung & Lehre
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det sich ein kleines Lager der ISAF, der internationalen Schutztruppe.<br />
Läßt die Fahrt in die Stadt und die Ankunft im Stadtzentrum<br />
noch hoffen, daß wesentliche Teile Kabuls erhalten<br />
sind, belehrt die Weiterfahrt in Richtung Universität eines<br />
anderen: Ruinenfelder soweit das Auge reicht, Erinnerungen<br />
an Bilder deutscher Städte um 1945 stellen sich ein. 80 Prozent<br />
des Stadtgebietes sollen zerstört sein, berichten Einheimische.<br />
Das Stadtzentrum liegt wie eine Oase inmitten von<br />
Schutt und Asche, die Ministerien sind weitgehend erhalten,<br />
ebenso viele Botschaften, auch die Deutsche. Das Leben unterscheidet<br />
sich auf den ersten Blick nicht wesentlich von dem<br />
anderer Städte in der Region, umtriebig, laut und mit bunten<br />
Märkten und zahllosen Taxis. An Nahrungsmitteln scheint zumindest<br />
in Kabul kein Mangel zu bestehen. Eher wahrscheinlich<br />
an der Kaufkraft. Unter den Taliban wurden in den letzten<br />
Monaten keine Gehälter mehr gezahlt, erst seit zwei Monaten<br />
konnten über die UNDP wieder Gehaltszahlungen<br />
durchgeführt werden. Dem Außenstehenden bleibt es ein Rätsel,<br />
wovon die Menschen leben, viele erhalten wohl Unterstützung<br />
von Familienangehörigen aus dem Ausland.<br />
Es fällt ins Auge, daß die Frauen nach wie vor die Burka<br />
tragen, die Männer hingegen die Bärte zumindest gestutzt<br />
haben. Sich selbständig in der Stadt zu bewegen, ist auch für<br />
ausländische Frauen kein Problem, ganz im Gegenteil, immer<br />
wieder wird man neugierig und freundlich zur Kenntnis genommen<br />
und auch durchaus nach Herkunft, Ziel und Zweck<br />
der Reise befragt. Es fällt auf, das einzelne Jugendliche recht<br />
passabel Englisch beherrschen, aber auch mit Deutsch kommt<br />
man manchmal weiter, dies sind Relikte der alten deutschen<br />
Amani-Oberschule. Ein größeres Problem stellt hingegen die<br />
Quartiersuche dar: abgesehen von dem Hotel Interconti und<br />
dem Hotel Kabul sind nur noch einzelne Pensionen erhalten,<br />
was jedoch bei weitem nicht ausreicht, um alle Experten vor<br />
Ort halbwegs vernünftig unterzubringen: die UNDP berichtete,<br />
daß sie einen Einreisestop für weitere Fachleute erlassen<br />
hat, da sie die bereits vor Ort Arbeitenden nur zu fünft in einem<br />
Zimmer beherbergen kann! Die wenigen auf dem Markt<br />
befindlichen Immobilien haben aufgrund dieser Situation astronomische<br />
Mietpreise erreicht.<br />
Nur noch Relikte eines ehemals regen<br />
akademischen Lebens<br />
Ähnlich wie das Stadtzentrum liegt auch die Universität<br />
wie eine Oase inmitten von verwüsteten, zerbombten Stadtvierteln.<br />
Die meisten Teile der Stadt wurden 1992 und in den<br />
folgenden Jahren bei Kämpfen der Mujahedin zerstört. Erstaunlicherweise<br />
stehen noch große Teile der Universität. Doch<br />
trügt der äußere Schein: bis auf die Mauern ist nichts erhalten.<br />
Die elektrischen Leitungen sind aus den Wänden gerissen,<br />
es gibt kein Wasser, geschweige denn Heizung. Ein Rundgang<br />
durch einzelne Fakultäten zeigt, daß die Universität von<br />
Kabul einmal zu den am besten ausgestattetsten der Region<br />
gehört haben muß, Relikte von Laboratorien belegen, daß hier<br />
einmal ein reges akademisches Leben herrschte. Nichts ist<br />
geblieben: kein Stift, kein Glas, kein Versuch, nichts womit<br />
man arbeiten könnte. In den letzten Jahren unter den Taliban<br />
wurde reine Theorie gelehrt, Weiterqualifizierung war nicht<br />
möglich, es sei denn, man ginge ins Ausland. Der Lehrkörper<br />
dünnte immer weiter aus. So sind der Fakultät für Pharmazie<br />
noch gerade 14 Dozenten verblieben, die demnächst etwa 300<br />
Studenten unterrichten sollen. Erschütternd sind nicht nur<br />
307<br />
Hochschulpolitik<br />
Kunst- und<br />
Musikhochschulen<br />
aktuell<br />
<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong><br />
6/2002<br />
diese Bilder der Verwüstung, schwerer zu verarbeiten sind die<br />
vielen Gespräche mit den Dozenten: jede Familie hat Mitglieder<br />
in den jahrzehntelangen Kämpfen verloren, viele, gerade<br />
kritische Geister waren unter unvorstellbaren Bedingungen<br />
im Gefängnis, viele Menschen sind verstümmelt. Afghanistan<br />
ist inzwischen zum vermintesten Land der Erde avanciert.<br />
Um so mehr beeindruckt in vielen Fachbereichen der<br />
starke Wille, wieder neu anzufangen. Ganz an der Spitze der<br />
Präsident der Universität, der sich sehr professionell um den<br />
Wiederaufbau seiner Universität bemüht und dabei in erster<br />
Linie auf das Ausland setzt. Dabei kommt in seinen Augen<br />
Markt in Kabul Foto: Rüland<br />
Deutschland neben den USA eine Schlüsselstellung zu: gerne<br />
möchte er die alten Beziehungen insbesondere in den Wirtschaftswissenschaften<br />
und Naturwissenschaften wieder aufnehmen.<br />
Die Interessen deutscher Universitäten gehen aber<br />
auch in andere Richtungen wie Hydrologie und Geologie (in<br />
früheren Zeiten noch in der naturwissenschaftlichen Fakultät),<br />
aber auch Medizin und andere Fächer. Die medizinische<br />
Ausbildung stellt zur Zeit ein besonderes Problem dar: zum<br />
einen ist der Bereich Frauengesundheit fast nicht mehr existent,<br />
da Frauen unter den Taliban nicht behandelt werden<br />
durften, zum anderen ist die Ansiedlung dieser Fakultät ein<br />
Streitpunkt zwischen dem Hochschul- und dem Gesundheitsministerium.<br />
Ein sehr unglücklicher Zustand, denn gerade hier<br />
müßte schnell gehandelt werden. Die einzelnen Krankenhäuser<br />
der Stadt, insbesondere die für Frauen, befinden sich in<br />
einem ähnlich beklagenswerten Zustand wie die Fakultäten<br />
der Universität. Dabei hebt die Gesundheitsministerin hervor,<br />
daß ihr noch mehr an der Fortbildung selbst als an der Ausstattung<br />
liegt.<br />
Welche Konsequenzen ergeben sich nun für den DAAD<br />
und interessierte deutsche Universitäten aus dieser dramatischen<br />
Lage, und welche ersten Schritte sollten für dieses Jahr<br />
ins Auge gefaßt werden?<br />
Wie viele Gespräche mit anderen deutschen, aber auch<br />
internationalen Gebern gezeigt haben, spielt der Hochschulbereich<br />
bisher fast keine Rolle: grundständige Bildung,