Akademischer Stellenmarkt - Forschung & Lehre
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Pro<br />
Der Peer Review, die qualitative<br />
Evaluation von <strong>Forschung</strong>sarbeiten<br />
durch ‚fellow<br />
scientists‘, ist eines der zentralen<br />
Verfahren, mit denen sich wissenschaftliche Arbeit professionalisiert.<br />
Insofern macht eine Debatte „Pro“ und „Contra“<br />
nicht viel Sinn. Mit der ersatzlosen Streichung kollegialer<br />
Prüfverfahren würde die wissenschaftliche Kommunikation<br />
nur noch von Evaluationsformen<br />
bestimmt, die ihr Niveau drastisch senken<br />
würden: der „selbstkritischen“ Beurteilung<br />
durch individuelle Forscher und der theorielos-willkürlichen<br />
Zählung von kommunikativen<br />
Akten (Publikationen und Zitaten)<br />
durch politisch ernannte „Evaluatoren“. So<br />
jedoch ließe sich das argumentative Niveau<br />
wissenschaftlicher Kommunikation nicht<br />
aufrechterhalten: Sich selbst bewertende<br />
Autoren, die für ihre Publikationsziffern al-<br />
les tun würden, bieten ihren Lesern eine<br />
Menge „Junk“ - wenn sie überhaupt noch<br />
welche finden.<br />
312<br />
Pro Kunst- & Contra<br />
und<br />
Musikhochschulen<br />
Privatdozent Dr.<br />
Stefan Hirschauer,<br />
Soziologie, ehem.<br />
geschäftsführender<br />
Hg. der Zeitschrift für<br />
Soziologie<br />
Mein Plädoyer für den Peer Review versteht<br />
sich insofern nur als eine Besinnung auf dessen<br />
basale Funktionen angesichts berechtigter<br />
Kritik an den Schwächen vieler Verfahren.<br />
Zu dieser Kritik gehört der Nachweis<br />
zahlloser Vorurteile, die individuelle Kollegen in der Begutachtung<br />
von <strong>Forschung</strong>sarbeiten haben (z.B. gegen<br />
prestigearme Autoren oder „gegnerische“ Ansätze). Diese<br />
Kritik speist sich m.E. aus einer seltsam vordemokratischen<br />
Erwartung an Menschen als „weise und unparteiische“<br />
Schiedsrichter. Anstelle solcher Tugendnormen sind Peer<br />
Review Verfahren daran zu messen, wie sie mit der Fehlbarkeit<br />
von Personen umgehen: ob sie eine hinreichende<br />
Zahl von kritischen Lesern mobilisieren, die eine <strong>Forschung</strong>sarbeit<br />
unter unterschiedlichen Aspekten betrachtet,<br />
und ob sie für die Mehrzahl von Manuskripten eine<br />
Anonymität sichern können, die die Beurteilung von den<br />
Bekanntschafts- und Filiationsbeziehungen abhebt, wie sie<br />
etwa lokale Prüfungsverfahren der wissenschaftlichen Qualifikation<br />
kennzeichnet.<br />
Eine zweite oft formulierte Kritik richtet sich gegen die<br />
schwache Übereinstimmung von Gutachterurteilen. Erwartet<br />
wird, daß der Peer Review ein objektives Verfahren der<br />
<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong><br />
6/2002<br />
„Messung“ wissenschaftlicher Güte sei. Diese Erwartung<br />
ist insofern „schülerhaft“ als die ergebnisoffenen Wissensprozesse<br />
an <strong>Forschung</strong>sfronten nicht über die eindeutigen<br />
Standards „richtigen Wissens“ verfügen können wie sie die<br />
schulische Evaluation kennzeichnet. In Kommunikationsformen,<br />
die explizit auf neues, unsicheres Wissen zielen, ist<br />
Meinungsverschiedenheit nicht nur erwartbar, sondern erstrebenswert.<br />
Die Frage kann nur sein, wie Peer Review<br />
Verfahren organisiert sind, um Expertenkonflikte<br />
zuzulassen und zu fördern: ob sie sich<br />
bei der Besetzung ihrer Rollen (Autoren, Gutachter,<br />
Entscheider) für möglichst viele Teilnehmer<br />
öffnen und ob sie in den Entscheidungsrollen<br />
hinreichend Pluralität und Fluktuation<br />
gewährleisten.<br />
Unter diesen - mal realisierten, mal verfehlten<br />
- Voraussetzungen leisten Peer Review Verfahren<br />
eine gleichzeitige Steigerung von sonst widerstrebenden<br />
kommunikativen Momenten:<br />
die von Meinungsverschiedenheit und von<br />
Sachlichkeit. Letzteres liegt vor allem daran,<br />
daß der Peer Review die Urteile über wissenschaftliche<br />
Güte an eine verfahrensinterne Öffentlichkeit<br />
zerrt. An die Stelle privater Meinungsbildung<br />
von Lesern oder bloßen Geraunes<br />
auf Tagungsfluren treten schriftliche Verfahren,<br />
in denen gezielt nach ihren Verstehensund<br />
Beurteilungschancen ausgewählte Leser (die Autoren<br />
oft gar nicht kennen und erreichen können) zu sorgfältiger<br />
Lektüre und zu schriftlichen Stellungnahmen verpflichtet<br />
werden, die von einem weiteren Leserkreis (den Herausgebern)<br />
in ihrer eigenen Qualität und Perspektivität supervidiert<br />
werden. Der Kern des Peer Review ist die wechselseitige<br />
Beobachtung von Professionellen bei der (stets kontroversen)<br />
Beurteilung der Arbeit von Kollegen. Was man<br />
auf dieser Basis vom Peer Review erwarten kann, sind Optimierungen<br />
wissenschaftlicher Kommunikationsangebote<br />
(durch die vorzeitige Einmischung von Lesern mit Einwänden,<br />
Rückmeldungen und zahllosen kleinen Fehlerkorrekturen),<br />
kontrollierte Verfahren der Reputationszuteilung und<br />
des Reputationsschutzes (der Verhinderung rufschädigender<br />
Ramschpublikationen) und eine qualifizierte Steuerung der<br />
Leseraufmerksamkeit auf bestimmte kommunikative Foren.<br />
Diese Funktionen sind für wissenschaftliche Kommunikation<br />
unersetzbar.<br />
Peer Re