33484 Umschlag.indd - Museen in Bayern
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12 Museumsporträt<br />
dem die Erlebnisgeneration kle<strong>in</strong>er wurde. Um die <strong>Museen</strong> auch<br />
für künftige Generationen attraktiv zu halten, bedurfte es neuer<br />
Präsentationsformen.<br />
Für die Neukonzeption bedeutete dies, dass die Fülle der vorhandenen<br />
Sammlungen thematisch strukturiert und gezielt selektiert<br />
werden musste. Zugleich war es notwendig, zu den neuen<br />
Themenbereichen Reichenberg und Friedland Exponate zu ergänzen.<br />
Sie wurden aus der Reichenberger Heimatstube <strong>in</strong> Augsburg,<br />
dem Reichenberger Archiv, dem Kratzauer Archiv und der Friedlandstube<br />
Hünfeld zusammengetragen. Mit f<strong>in</strong>anzieller Unterstützung<br />
e<strong>in</strong>es Neugablonzer Unternehmers konnte e<strong>in</strong> Tuchwebstuhl<br />
<strong>in</strong> Nordböhmen angekauft werden. Es gelang, weitere<br />
Leihgaben und Schenkungen aus dem Nordböhmischen Museum<br />
<strong>in</strong> Reichenberg (Liberec), aus dem Museum für Glas und Bijouterie<br />
<strong>in</strong> Gablonz an der Neiße (Jablonec nad Nisou) und von der<br />
Stiftung AutoMuseum Volkswagen <strong>in</strong> Wolfsburg zu erhalten.<br />
Das Fe<strong>in</strong>konzept legt fünf aufe<strong>in</strong>anderfolgende Themenbereiche<br />
fest, die auch fünf Räumen entsprechen: 1. Das Isergebirge,<br />
2. Wirtschaftsraum Isergebirge, 3. Kulturraum Isergebirge,<br />
4. Sudetenfrage, Krieg und Vertreibung und 5. Neuer Anfang,<br />
neues Leben. Raum 6 zeigt im Wechsel Sonderausstellungen und<br />
Gemälde aus der umfangreichen Sammlung der Gablonzer Galerie.<br />
E<strong>in</strong> Leitgedanke der Konzeption war die erlebte Geschichte.<br />
Sie wird im Museum durch drei aus dem Isergebirge stammende<br />
Persönlichkeiten verkörpert: den bekannten Schriftsteller Otfried<br />
Preußler, den Glasmacher und Designer Claus Josef Riedel und<br />
den Ofendrücker und Mundartdichter He<strong>in</strong>z Kle<strong>in</strong>ert. Sie begleiten<br />
den Besucher auf se<strong>in</strong>em Rundgang durch das Museum und<br />
lassen ihn über Hörstationen an ihren persönlichen Erfahrungen<br />
teilhaben. Die historischen Fakten bekommen damit e<strong>in</strong> Gesicht<br />
und e<strong>in</strong>e Stimme, sie prägen sich nachdrücklich e<strong>in</strong>.<br />
Auch Persönlichkeiten vergangener Jahrhunderte stellen sich<br />
und ihre Geschichte dem Besucher vor. Es s<strong>in</strong>d Pioniere wie Daniel<br />
Swarovski, Johann von Liebieg, Ferd<strong>in</strong>and Porsche und die Vorfahren<br />
Claus Josef Riedels, <strong>in</strong> deren Lebensgeschichten sich e<strong>in</strong><br />
Stück Isergebirge widerspiegelt.<br />
Das Fe<strong>in</strong>konzept diente als Arbeitsgrundlage für den Innenarchitekten<br />
Peter Rudolf aus Zwiesel und das Gestalterteam<br />
Schneider & Partner aus Pöck<strong>in</strong>g. Ursprünglich war die Eröffnung<br />
des gesamten Museums für September 2002 vorgesehen. Im Laufe<br />
der Planung stellte sich jedoch heraus, dass dieser Term<strong>in</strong> nicht<br />
zu halten war und die f<strong>in</strong>anziellen Mittel nur e<strong>in</strong>e Teileröffnung<br />
von drei Räumen zuließen. So wurde am 1. Juni 2003 die erste<br />
Ausbaustufe des Isergebirgs-Museums eröffnet.<br />
Museumsrundgang<br />
Im ersten Raum begegnet der Besucher den drei Zeitzeugen<br />
Otfried Preußler, Claus Josef Riedel und He<strong>in</strong>z Kle<strong>in</strong>ert, die ihn<br />
bei se<strong>in</strong>em Rundgang begleiten werden. E<strong>in</strong>e Inszenierung mit<br />
Gepäckkisten, beschriftet mit Namen und Wohnorten von Vertriebenen,<br />
verdeutlicht den historischen Kontext der Gründung<br />
von Neugablonz: die Vertreibung der Deutschen aus den Sudetengebieten.<br />
Die oberste Kiste steht offen; sie ist leer und symbolisiert<br />
damit den verschw<strong>in</strong>dend ger<strong>in</strong>gen Umfang an materiellen<br />
Besitztümern, die mitzunehmen den Vertriebenen gestattet<br />
wurde. Schwerer dagegen wog das ideelle Fluchtgepäck: Wissen,<br />
Erfahrungen, Fähigkeiten, technische Fertigkeiten und Charaktereigenschaften,<br />
die als Begriffe auf den geöffneten Kistendeckel<br />
projiziert werden. Sie waren es, die den erfolgreichen Neuanfang<br />
<strong>in</strong> Neugablonz möglich machten.<br />
Der gleiche Raum stellt die verlorene Heimat, das Isergebirge<br />
vor, das als westlicher Ausläufer des Riesengebirges die natürliche<br />
Grenze zwischen Böhmen und der Lausitz bildet. Großfotos<br />
vermitteln dem Besucher e<strong>in</strong>en plakativen optischen E<strong>in</strong>druck<br />
der wesentlichen Landschaftselemente und der drei Bezirkshauptstädte<br />
Gablonz, Reichenberg und Friedland. Zusätzlich<br />
veranschaulicht e<strong>in</strong> großes Gebirgsrelief des Reichenberger Kartographen<br />
Richard Bienert von 1957 die topografischen Gegebenheiten:<br />
e<strong>in</strong>e reizvolle Mittelgebirgslandschaft mit ursprünglich<br />
dichter Bewaldung, zahlreichen Flusstälern und Bachläufen.<br />
Ste<strong>in</strong>ige Böden und e<strong>in</strong> raues Klima erschwerten Ackerbau und<br />
Viehzucht, Handwerk und Industrie fanden dagegen günstige<br />
Bed<strong>in</strong>gungen vor.<br />
Unter diesen Voraussetzungen wurde das Isergebirge zu e<strong>in</strong>er<br />
der ersten Industrieregionen <strong>in</strong> Europa. Abteilung 2 befasst sich<br />
mit se<strong>in</strong>er Wirtschaftsgeschichte. Das Thema „Die Gablonzer<br />
Glas- und Schmuck<strong>in</strong>dustrie“ nimmt hier den breitesten Raum<br />
e<strong>in</strong>, beg<strong>in</strong>nend mit den Anfängen der Glasmacherei Mitte des<br />
16. Jahrhunderts. Im Zentrum steht die Inszenierung e<strong>in</strong>er typischen<br />
Glasdruckhütte. Die Glasdrückerei ist e<strong>in</strong>e im Isergebirge<br />
entwickelte Technik zur Massenproduktion von Glaskurzwaren<br />
wie Lusterbehang, Perlen, Ste<strong>in</strong>en und Knöpfen. Sie bildete die<br />
technische Grundlage der Gablonzer Glas- und Schmuck<strong>in</strong>dustrie<br />
und wurde bis 1945 nur im Isergebirge ausgeübt. He<strong>in</strong>z Kle<strong>in</strong>ert<br />
berichtet per Hörstation aus se<strong>in</strong>er 42-jährigen Erfahrung als<br />
Ofendrücker.<br />
An zwei Probierstationen kann sich der Besucher selbst <strong>in</strong><br />
Techniken der Gablonzer Industrie versuchen. Er wird aufgefordert,<br />
sich im Perlenfädeln mit e<strong>in</strong>er professionellen Fädler<strong>in</strong> zu<br />
messen, die e<strong>in</strong>e Musterkette <strong>in</strong> 30 Sekunden fertig stellt - e<strong>in</strong>e<br />
echte Herausforderung. E<strong>in</strong> Handapparat lädt dazu e<strong>in</strong>, „R<strong>in</strong>gelstifte“<br />
zu biegen, die als Broschennadeln Verwendung f<strong>in</strong>den.<br />
In Raum 2 durchwandert der Besucher Themenboxen, Räume<br />
im Raum, die durch ihre Außengestaltung auf ihren Inhalt<br />
verweisen: Die Glasherstellung, die Entstehung des rohen Ausgangsmaterials,<br />
wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mit rohen Holzbrettern verkleideten<br />
Themenbox gezeigt. Die veredelnde Bearbeitung der Glaskurzwaren<br />
f<strong>in</strong>den wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gläsernen Themenbox. Der prachtvolle<br />
Gablonzer Modeschmuck präsentiert sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em goldenen<br />
Schmuckkästchen, über dessen Rand e<strong>in</strong>e Perlenkette hängt.<br />
Die Box zum Thema Tuchmacherei ist mit e<strong>in</strong>em textilen Gewebe<br />
bespannt und lässt den Inhalt im wahrsten S<strong>in</strong>n des Wortes<br />
greifbar werden.<br />
Die Sequenz „Textil<strong>in</strong>dustrie im Isergebirge“ fällt aufgrund<br />
der Sammlungsgeschichte und des Objektbestandes weniger<br />
umfangreich aus. Zentrales Objekt ist hier der bereits erwähnte<br />
Tuchwebstuhl aus dem 19. Jahrhundert. Es war Albrecht von<br />
Wallenste<strong>in</strong>, Herzog von Friedland, der Reichenberg und Friedland<br />
mit Aufträgen für Uniformtuche mitten im Dreißigjährigen<br />
Krieg e<strong>in</strong>e erste Hochkonjunktur der Tuchmacherei bescherte. Die<br />
Grundtechnik der Handweberei kann der Besucher hier an e<strong>in</strong>em<br />
e<strong>in</strong>fachen Webrahmen erproben.<br />
Im 19. Jahrhundert war die Region um Reichenberg das Textilzentrum<br />
der Donaumonarchie. Produkte dieser Industrie wie<br />
bedruckte Baumwolltücher, die um 1850 <strong>in</strong> Kratzau entstanden,<br />
werden lichtgeschützt <strong>in</strong> Schubfächern und Auszügen präsentiert.<br />
Josef Preußler, der Vater des Schriftstellers, berichtet an e<strong>in</strong>er<br />
Hörstation vom mühsamen Tuchhandel mit dem „Roperradl“, der<br />
Schubkarre.<br />
E<strong>in</strong> schwarzer VW Käfer, Baujahr 1954, ist der Blickfang des<br />
dritten und letzten Themas <strong>in</strong> diesem Raum, der Verkehrstechnik.<br />
Er steht für den 1875 im Isergebirge geborenen Konstrukteur<br />
Ferd<strong>in</strong>and Porsche. Durch e<strong>in</strong>e Gazewand ist der Oldie bereits zu<br />
Beg<strong>in</strong>n des Rundgangs zu sehen, doch erst jetzt steht der Besucher<br />
tatsächlich vor ihm. E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Bildschirm zeigt Testfahrten<br />
mit den ersten skurril anmutenden Käfer-Prototypen aus dem<br />
Jahr 1936.<br />
Neben Porsche werden weitere Pioniere vorgestellt, wie Baron<br />
Theodor von Liebieg. Er unternahm 1894 von Reichenberg aus die