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33484 Umschlag.indd - Museen in Bayern

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58 Berichte/Aktuelles<br />

genwart, wobei die „Authentizität“ für die meisten Rezipienten<br />

ke<strong>in</strong>e große Rolle spielt. Am Beispiel des Regensburger Bruckmandls<br />

zeigte er auf, dass gerade der Verlust der ursprünglichen<br />

Bedeutung ideal für die spätere ahistorische Nutzung als Projektionsfläche<br />

ist.<br />

Walter Leimgruber aus Basel führte spezielle Formen des Bildgebrauchs<br />

anhand von typologischen Fotoreihen an, die im 19.<br />

Jahrhundert als Medien der Ausgrenzung dienten, und verglich<br />

mit den heutigen Gegebenheiten: Aus dem Protonormalismus ist<br />

e<strong>in</strong>e flexible Normalität geworden, was besagt, dass zwar früher<br />

als „von der Norm abweichende“ Gruppen <strong>in</strong>zwischen weitgehend<br />

akzeptiert werden, dafür durch „positive Vorbilder“, etwa<br />

die jungen, schönen und erfolgreichen Menschen der Werbung,<br />

der <strong>in</strong>nere Druck wächst, sich <strong>in</strong>dividuell dem Normbild anzugleichen.<br />

Arg gebeutelt von zumeist älteren Vertretern der Zunft<br />

wurde Friedemann Schmoll, der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Vortrag zur Visualisierung<br />

von Kultur <strong>in</strong> der Geschichte der Volkskunde über den „Atlas<br />

der deutschen Volkskunde“ und dessen ethnografische Karten als<br />

Medium der Kulturwissenschaft berichtete und es dabei an der<br />

wohl notwendigen Ehrfurcht mangeln ließ. Auch Jahrzehnte nach<br />

E<strong>in</strong>stellung des Projekts s<strong>in</strong>d hier noch manche Wunden nicht<br />

geschlossen.<br />

Guido Fackler stellte – ausgehend von Aufnahmen im KZ<br />

Mauthausen – Fotografien <strong>in</strong> ihrer Ambivalenz von ikonisierter<br />

Er<strong>in</strong>nerung („Ikonen des Grauens“) und historischen Dokumenten<br />

vor. Ebenfalls das Geschehen im Dritten Reich stand bei Michaela<br />

Haibl im Mittelpunkt ihrer Ausführungen. Die erstaunliche Zahl<br />

von 30.000 illegalen Bildern – Zeichnungen und Gemälde – ist<br />

aus KZs überliefert. Stellt man sie <strong>in</strong> ihren Kontext von Biografie,<br />

Lagergeschichte und erzählten Informationen von Zeitzeugen, so<br />

werden sie zu „ästhetischen Überlebens- und Beweismitteln“. Die<br />

Frage, ob und <strong>in</strong> welcher Weise diese unter schlimmstem Druck<br />

entstandenen Zeugnisse als „Kunst“ zu werten seien, gab den<br />

Ausgangspunkt für e<strong>in</strong>e ausführliche Diskussion. E<strong>in</strong> abendlicher<br />

Vortrag von Nils-Arvid Br<strong>in</strong>geus aus Lund/Schweden über Bildtransformationen<br />

am Beispiel südschwedischer Wandbehangmalereien<br />

schloss den zweiten Vortragstag.<br />

Ästhetische Bildpraxis und visuelle Kultur war schließlich der<br />

letzte Vortragsblock des Marathonprogramms überschrieben, der<br />

sich mit e<strong>in</strong>er „Volkskunde der Kunst“ befassen sollte, vom Berichterstatter<br />

jedoch nicht besucht werden konnte. Ausklang bildeten<br />

e<strong>in</strong>e Begehung des Universitätsgebäudes der LMU mit Florian<br />

Raff unter der Fragestellung „Dekoration als Programm oder<br />

Programm als Dekoration“, schließlich e<strong>in</strong>e „Kultfilmnacht“.<br />

Zum Schluss e<strong>in</strong>e persönlich-nostalgische E<strong>in</strong>lassung: Nach<br />

über e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Jahrzehnte langer Abst<strong>in</strong>enz wieder den altgewohnten<br />

Hörsaal der Ludwig-Maximilians-Universität aufzusuchen,<br />

hatte fast den Effekt der Benutzung e<strong>in</strong>er Zeitmasch<strong>in</strong>e.<br />

Ambiente und Farbgebung s<strong>in</strong>d unverändert, nur die Pat<strong>in</strong>a hat<br />

etwas zugelegt; die Blechsp<strong>in</strong>de der Garderobe klemmen nach wie<br />

vor, und viele der Vortragenden, vor allem die „großen Namen“ der<br />

Zunft, legten zur Illustration ihrer Ausführungen die selben vergilbten<br />

Folien auf den Overhead-Projektor, die sie wohl schon seit<br />

Beg<strong>in</strong>n ihrer Lehrtätigkeit begleiten. Zum<strong>in</strong>dest im universitären<br />

Bereich sche<strong>in</strong>t damit die Übersättigung und Überfrachtung mit<br />

Bildern, die <strong>in</strong> vielen Vorträgen beschworen wurde, nur langsam<br />

voranzuschreiten, die visuelle Zeitenwende noch nicht erreicht.<br />

Unverändert schien auch die Lust zur kontroversen Diskussion,<br />

wobei die Bedeutung des Streitpunkts nicht mit der Heftigkeit<br />

der jeweils vorgebrachten Formulierungen korrelieren muss.<br />

Es gibt also auch <strong>in</strong> unserer schnelllebigen Welt noch Konstanten.<br />

Ad multos annos, Münchner Volkskunde!

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