33484 Umschlag.indd - Museen in Bayern
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46 Berichte/Aktuelles<br />
Jahrestreffen des<br />
Arbeitskreises für<br />
Hausforscher <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong><br />
Kempten 2. Juni 2003<br />
Georg Waldemer und Ariane Weidlich<br />
Zum Jahrestreffen des Arbeitskreises für Hausforschung 2003<br />
fanden sich wieder annähernd 60 Gäste aus dem bayerischen<br />
Raum und angrenzenden Regionen e<strong>in</strong>. Tagungslokal war das<br />
barocke Kornhaus des fürststiftischen Teils der Stadt Kempten,<br />
die über Jahrhunderte von der Bipolarität von der Bürgerschaft<br />
auf der e<strong>in</strong>en und der Herrschaft des unmittelbar angrenzenden<br />
Fürststifts geprägt war – e<strong>in</strong> städtisches „Doppelwesen“ mit<br />
e<strong>in</strong>em hohen Potential an Konfliktstoff.<br />
Die Veranstaltung, die zwanzigste <strong>in</strong> Folge, setzte sich traditionsgemäß<br />
aus e<strong>in</strong>em Vortragsteil und e<strong>in</strong>er anschließenden<br />
Exkursion zusammen, die dieses Mal fußläufig zu baugeschichtlich<br />
bemerkenswerten Punkten <strong>in</strong> der Bürgerstadt führte. Die<br />
<strong>in</strong>haltlichen Schwerpunkte lagen bei der Bedeutung von Archivalien<br />
für die Hausforschung, bei neuen Erkenntnissen zum Blockbau<br />
<strong>in</strong> Südbayern sowie Beiträgen mit lokalem bzw. regionalem<br />
Bezug.<br />
Kemptens Oberbürgermeister Dr. Ulrich Netzer begrüßte die<br />
Gäste und g<strong>in</strong>g kurz auf Konfliktpotentiale und Spannungen e<strong>in</strong>,<br />
die aus den unterschiedlichen Interessenslagen von Denkmalpflege<br />
und wirtschaftlich orientierter Stadtsanierung erwachsen. Insbesondere<br />
<strong>in</strong> den siebziger und achtziger Jahren sche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der<br />
Stadt Kempten die „dynamischen Kräfte“ e<strong>in</strong>er modernisierenden<br />
Umgestaltung den Sieg davon getragen zu haben.<br />
Nach e<strong>in</strong>er knappen E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Tagungsthemen durch<br />
Georg Waldemer gab Dr. Stefan Breit, als Historiker derzeit im<br />
Forschungsprojekt „Reichskammergerichtsakten“ am Bayerischen<br />
Hauptstaatsarchiv tätig, e<strong>in</strong>en Überblick über die Möglichkeiten<br />
baugeschichtlicher Forschung zur Geschichte des ländlichen Bauwesens<br />
<strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> anhand von Archivalien der ehemaligen Herrschaft<br />
Hohenaschau.<br />
Breit stellte verschiedene Kategorien von Archivalien vor und<br />
überprüfte exemplarisch ihre Relevanz für hauskundliche Fragestellungen.<br />
So f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der „Feuerstättenbeschau“ der Jahre<br />
1616-1625 E<strong>in</strong>tragungen zu sämtlichen Gebäuden über Anzahl<br />
und Zustand der Herdstellen oder dazu, ob und welche Vorrichtungen<br />
zum Rauchabzug vorhanden gewesen s<strong>in</strong>d. Bei der Auswertung<br />
derartiger Quellen steht der Historiker allerd<strong>in</strong>gs immer<br />
wieder vor dem Problem der Begrifflichkeit und der Frage, was z.<br />
B. die historische Bezeichnung „Rauchfang“ denn genau me<strong>in</strong>t:<br />
e<strong>in</strong>e Rauchhur oder e<strong>in</strong>en Schlot? Das heißt, ohne breite und fundierte<br />
Kenntnis der Materie ist bei der Interpretation historischer<br />
term<strong>in</strong>i technici größte Vorsicht geboten.<br />
Im Anschluss daran berichtete Herbert May M. A., Bauhistoriker<br />
am Fränkischen Freilandmuseum Bad W<strong>in</strong>dsheim, über e<strong>in</strong>e<br />
weitgehend unbekannte und verme<strong>in</strong>tlich wenig ergiebige Quellengruppe<br />
aus dem städtischen Bereich. Bei häufig angezeigten<br />
Nachbarschafts- und Grenzstreitigkeiten wurden amtlicherseits<br />
Baubesichtigungsprotokolle angefertigt. Für die e<strong>in</strong>stige Reichsstadt<br />
W<strong>in</strong>dsheim reichen diese Quellen mit Informationen zur<br />
Stadtgestalt, Parzellenstruktur, zum Abwasserwesen, aber auch zu<br />
Baudetails e<strong>in</strong>zelner Häuser von der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts<br />
bis <strong>in</strong> die Zeit um 1800.<br />
In jüngerer Zeit hat der vermehrte E<strong>in</strong>satz dendrochronologischer<br />
Datierungen auch <strong>in</strong> Niederbayern, wo noch vor nicht<br />
allzu langer Zeit für das ländliche Bauwesen e<strong>in</strong>e „Schallgrenze“<br />
von etwa 1600 galt, zu e<strong>in</strong>em beachtlichen Fortschritt <strong>in</strong> der<br />
Erforschung spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Bauten<br />
geführt, wenn auch bisher an e<strong>in</strong>er noch relativ ger<strong>in</strong>gen Zahl<br />
von Objekten. Die bislang früheste Datierung betrifft e<strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>bauernhaus<br />
<strong>in</strong> Mitterfels nördlich von Straub<strong>in</strong>g: der Blockbau<br />
des e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halbgeschoßigen Gebäudes datiert auf das Jahr 1436.<br />
Walter und Wolfgang Kirchner, die <strong>in</strong> bewährter Weise die bauanalytische<br />
Untersuchung übernommen haben, gaben e<strong>in</strong>en Vorbericht<br />
zu ihren bisherigen Befunden. Der Bau mit Mittelflur –<br />
wor<strong>in</strong> ursprünglich der Herd stand – und beidseitig jeweils zwei<br />
Räumen ist aus waldkantigen Tannenhölzern aufgezimmert, wobei<br />
die Eckverb<strong>in</strong>dungen nur andeutungsweise die zugfeste Schwalbenschwanzverz<strong>in</strong>kung<br />
aufweisen. 1617 fügte man e<strong>in</strong>en Kniestock<br />
dazu, noch später e<strong>in</strong>e quer dazu stehende Erweiterung.<br />
Die Gebrüder Kirchner vermuten u. a. aufgrund der weiten Verbreitung<br />
von Ständerbohlenkonstruktionen <strong>in</strong> hochschichtlichen<br />
Stuben (Burgen, Stadthäuser) e<strong>in</strong> deutlich späteres Auftreten<br />
des Blockbaus im südöstlichen <strong>Bayern</strong>, aber wohl nicht vor dem<br />
14. Jahrhundert.<br />
Das Nachmittagsprogramm eröffnete Dr. Gerhard Weber,<br />
Leiter der Stadtarchäologie Kempten, e<strong>in</strong>er sehr aktiven E<strong>in</strong>richtung,<br />
der e<strong>in</strong>e Vielzahl wichtiger Forschungen nicht nur im<br />
Bereich der prov<strong>in</strong>zialrömischen Überreste zu verdanken ist, sondern<br />
auch für Mittelalter und Neuzeit. In se<strong>in</strong>em Referat konzentrierte<br />
sich Weber jedoch auf die römerzeitliche Holzbautechnik,<br />
wozu Adelhart Zippelius im Jahr 1953 anhand der damaligen<br />
Befunde <strong>in</strong> Kempten e<strong>in</strong>e beachtenswerte Zusammenfassung<br />
publizierte. Mittlerweile erlauben <strong>in</strong>sbesondere die Befunde <strong>in</strong><br />
W<strong>in</strong>terthur/ Vitudurum im Rahmen der Ausgrabungen am Unteren<br />
Bühl sowie am Auerberg e<strong>in</strong> genaueres Bild zu entwerfen:<br />
An den Resten der römischen Bauwerke waren sowohl Pfostenbau,<br />
Ständerbau als auch e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation aus beiden genannten<br />
Gefügearten nachzuweisen. Die diesbezüglichen Darstellungen<br />
von Weber (Auerberg, 1997) und Albert<strong>in</strong> (Vitdurum, 2002)<br />
legen es nahe, bei der auch an anderen römischen Standorten<br />
festgestellten Abfolge vom Pfostenbau h<strong>in</strong> zum Ständerbau an<br />
e<strong>in</strong>e jeweilige unabhängige lokale Entwicklung zu denken, die<br />
nicht etwa an allen Orten gleichzeitig erfolgte.<br />
Das Referat von Dipl. Ing. Harald Bader bot e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong><br />
die baugeschichtliche Analyse des für die Region außergewöhnlich<br />
frühen Objekts Dorfstraße 4 <strong>in</strong> Moosbach, Landkreis Oberallgäu,<br />
südlich von Kempten gelegen. In se<strong>in</strong>em äußeren Ersche<strong>in</strong>ungsbild<br />
e<strong>in</strong> typischer Vertreter des späteren 18. Jahrhunderts,<br />
entpuppte sich das Gebäude im Kern als e<strong>in</strong> wenig verändertes<br />
Gefüge von 1538. Der Blockbau besaß ursprünglich auf beiden<br />
Vollgeschoßen jeweils zwei etwa gleichgroße Wohnräume, im<br />
Erdgeschoß dazu e<strong>in</strong>en breiten Flur mit Herdstelle – das „Hus“<br />
– im Obergeschoß h<strong>in</strong>gegen ohne E<strong>in</strong>ziehen e<strong>in</strong>er Deckenlage<br />
lediglich durch Zurücksetzen der Trennwand zu den Kammern<br />
e<strong>in</strong>e Art Laufgang, von dem aus die Kammertüren erreicht werden<br />
konnten. Die ältere Forschung hatte diese Struktur bereits<br />
als regionaltypisch beschrieben, ohne allerd<strong>in</strong>gs Beispiele aus<br />
dem 16. Jahrhundert identifizieren zu können. Zu Anfang des 18.<br />
Jahrhunderts erfolgte e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gfügige Erweiterung des Hauses<br />
<strong>in</strong> Firstrichtung sowie der E<strong>in</strong>bau e<strong>in</strong>es zusätzlichen Raumes im<br />
Obergeschoß.<br />
Im Rahmen der Diskussion über die Möglichkeiten, dieses baugeschichtlich<br />
bedeutende Objekt vor Ort oder durch Transferie-