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fremdheit und identität in herta müllers reisende auf einem bein ...

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3. Poetologischer Exkurs<br />

3.1. Autofiktionalität bei Herta Müller<br />

Herta Müller ist für e<strong>in</strong>e Schreibweise bekannt worden, welche sich vor allem durch e<strong>in</strong>e<br />

Poetik der Entgrenzung charakterisieren lässt. In ihren Texten schildert sie <strong>auf</strong> e<strong>in</strong>e ganz<br />

<strong>auf</strong>fallende Weise die ungeheuerlichen Erfahrungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Diktatur, wie sie ihre Opfer<br />

psychisch zerstört, <strong>und</strong> danach wie die Leute täglich streben, e<strong>in</strong>en festen Fuß zu fassen, um<br />

e<strong>in</strong>fach überleben zu können. Dass Müllers persönliche Erfahrung mit dem Ceauescu-<br />

Regime <strong>und</strong> dessen Unterdrückung <strong>in</strong> ihrer Dichtung thematisiert wird, ist bekannt.<br />

Interessant ist jedoch die Art <strong>und</strong> Weise wie es ihr gel<strong>in</strong>gt, ihre Erfahrungen zu<br />

fiktionalisieren. Obwohl ihr Werk ke<strong>in</strong>e Autobiographie ist, er<strong>in</strong>nern die fiktiven Personen oft<br />

an Herta Müller selbst oder an Bekannte <strong>und</strong> Verwandte der Autor<strong>in</strong>. Deswegen lässt sich der<br />

Begriff Autofiktion verwenden.<br />

Herta Müller hat den Begriff Georges-Arthur Goldschmidts für sich adaptiert. Ralph Köhnen<br />

weist dar<strong>auf</strong> h<strong>in</strong>, dass Müller die Autofiktion als e<strong>in</strong>e Verwandelung der politischen<br />

Wirklichkeit <strong>in</strong> Bilder verwendet. Ihre Texte s<strong>in</strong>d Nachklänge e<strong>in</strong>es politischen Alltags. 30<br />

Philip Müller er<strong>in</strong>nert daran, dass Herta Müller außer Goldschmidt sich auch <strong>auf</strong> Jorge<br />

Semprun beruft, um ihr autofiktionales Schreibprogramm zu begründen <strong>und</strong> er unterstützt ihre<br />

Benutzung des Begriffs: „Der von Herta Müller <strong>in</strong> Anspruch genommene Term<strong>in</strong>us der<br />

Autofiktionalität bewertet das fiktionale Moment ihres Schreibens höher als die Authentizität<br />

ihrer Geschichten.“ 31 Als Leser soll man also <strong>auf</strong> ke<strong>in</strong>en Fall Müllers Dichtung der<br />

erf<strong>und</strong>enen Wahrnehmung mit ihrer persönlichen Erfahrung verwechseln, obwohl sie<br />

e<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> mehreren Fällen ähneln. Dies bildet auch <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Analyse des Buches Reisende<br />

<strong>auf</strong> e<strong>in</strong>em Be<strong>in</strong> den Ausgangspunkt, <strong>auf</strong> den wir unten bald zu sprechen kommen.<br />

30 Köhnen, Ralph: „Terror <strong>und</strong> Spiel. Der autofiktionale Impuls <strong>in</strong> frühen Texten Herta Müllers“ <strong>in</strong>:<br />

TEXT+KRITIK, Heft 115: München 2002, S. 19.<br />

31 Müller, Philipp: „Fluchtl<strong>in</strong>ien der erf<strong>und</strong>enen Wahrnehmung. Strategien der Überwachung <strong>und</strong> m<strong>in</strong>oritäre<br />

Schreibformen <strong>in</strong> Herta Müllers Roman Heute wär ich mir lieber nicht begegnet“, <strong>in</strong>: TEXT+KRITIK, Heft 115:<br />

München 2002, S. 50.<br />

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