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fremdheit und identität in herta müllers reisende auf einem bein ...

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Beweglichkeit des losen, unfesten Sandbodens, dass der Boden auch unter se<strong>in</strong>en Füßen<br />

wankt <strong>und</strong> unsicher ist. Diese Indikationen der Unsicherheit s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne leitmotivische<br />

Merkmale, die später <strong>in</strong> der Erzählung, <strong>in</strong> der Korrelation zwischen Irene <strong>und</strong> Franz, zum<br />

Ausdruck kommen.<br />

Irene wählt also Franz. Sie hat se<strong>in</strong>e Betrunkenheit ausgenutzt, hat die Wahl getroffen, ihn<br />

zum Hotel zu schleppen <strong>und</strong> hat danach die Nacht mit ihm verbracht. Im Hotelzimmer wägt<br />

Irene die D<strong>in</strong>ge draußen gegen Franz ab, betrachtet ihr Leben aus zwei Blickw<strong>in</strong>keln, wobei<br />

sie die neue, verheißungsvolle Situation statt der rumänischen Lage wählt. E<strong>in</strong>e Distanz zu<br />

ihrem Heimatland ist im Kommen: „Sehnsucht überkam Irene. Und es war ke<strong>in</strong>e. Es war e<strong>in</strong><br />

Zustand der leblosen D<strong>in</strong>ge. [...] Ne<strong>in</strong>, sagte Irene zum Fenster h<strong>in</strong>aus.“ (R 13) Und am<br />

folgenden Tag <strong>in</strong>formiert sie Franz absichtlich über ihre Situation, denn sie spricht<br />

überraschend von der Beantragung ihrer Ausreise, wobei sie folgend h<strong>in</strong>zufügt: „Es ist der<br />

letzte Sommer. Ich warte <strong>auf</strong> den Paß.“ (R 13) Ob Franz dies als e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung gesehen hat,<br />

lässt sich diskutieren, doch er versucht <strong>auf</strong> ke<strong>in</strong>en Fall se<strong>in</strong>en Motive zu verbergen: „Franz<br />

legte sich <strong>auf</strong> sie: Ich will mit dir schlafen.“ (R 14) Später, als Franz nach Deutschland<br />

zurückkehrt, denkt Irene zurück an se<strong>in</strong>e Instruktionen, wo sie ihn <strong>in</strong> Deutschland f<strong>in</strong>den<br />

kann, sie denkt an se<strong>in</strong>e „Zeichnung aus Sand.“ (R 14) Dass diese Information im Sand<br />

gegeben wurde, verdeutlicht noch stärker das Thema der Unsicherheit <strong>und</strong> deutet die<br />

zukunftige Fremdheit Irenes im neuen Land an. Der folgende Satz, der übrigens auch am<br />

Ende der Erzählung wiederholt wird,; „Irene weigerte sich an Abschied zu denken“ (R 14) hat<br />

sowohl die Bedeutung, dass sie es schwer f<strong>in</strong>det, sich von Franz zu verabschieden, als sich<br />

von der Heimat loszureißen. In beiden Fällen wird etwas verloren. Wenn Franz wegreist,<br />

verlieren sie ihre Beziehung, die sie ansche<strong>in</strong>end nur im alten Land haben konnten. Denn sie<br />

kommt niemals zurück. Und da Irene sich nur um Franz konsentriert hat, verliert sie auch ihre<br />

Verb<strong>in</strong>dung mit dem Mann am Strand: „Zwei Abende hatte sie gefehlt. (...) Der Mann war<br />

nicht da gewesen.“ (R 15) Er ist ohne Irene weiter gegangen, hat e<strong>in</strong>e neue Stelle <strong>und</strong> neue<br />

Zuschauer<strong>in</strong>nen, die ihm die Rücken nicht zukehren, gef<strong>und</strong>en. Irene verliert damit ihre letzte<br />

Verb<strong>in</strong>dung zu ihrem Heimatland, <strong>und</strong> dieser Abschluss des ersten Kapitels markiert die<br />

Wende <strong>in</strong> Irenes Leben.<br />

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