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fremdheit und identität in herta müllers reisende auf einem bein ...

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5.2. Zur Erzählweise<br />

Im Buch kommt auch die oben erwähnte Verwirrung durch die gewählte Erzählsituation<br />

Müllers zum Ausdruck <strong>und</strong> als Leser wird es oft schwer zu unterscheiden, wer wahrnimmt<br />

<strong>und</strong> erzählt. Hat Irene es selbst erlebt, kommen ihre Erlebnisse durch ihre eigenen<br />

Beobachtungen vor oder werden sie von e<strong>in</strong>em Erzähler vermittelt? In den meisten Fällen<br />

sche<strong>in</strong>t es eher, es könnten sowohl Irenes eigene Gedanken als auch diejenigen e<strong>in</strong>es<br />

Erzählers se<strong>in</strong>, was <strong>in</strong> der folgenden zitierten Stelle aus dem Buch zum Vorsche<strong>in</strong> kommt:<br />

Es war e<strong>in</strong> Graffiti an der Hauswand, hoch über den Bäumen. Die Schrift war zerronnen. Buchstaben<br />

mit F<strong>in</strong>gern. Passanten g<strong>in</strong>gen über den Platz, spürten, ohne die Köpfe zu heben, den Hauch dieser<br />

Schrift. Sie steckten beim Gehen e<strong>in</strong> paar Schritte lang die Hände <strong>in</strong> die Taschen. Sie froren e<strong>in</strong><br />

bißchen, ohne zu wissen weshalb. (R 91).<br />

Das Zitat exemplifiziert genau die Verwirrung, die häufig beim Lesen vorkommt. Und als<br />

Leser fragt man: S<strong>in</strong>d die Buchstaben mit F<strong>in</strong>gern die Wahrnehmung der Protagonist<strong>in</strong>? Und<br />

die Passanten, die über den Platz gehen, s<strong>in</strong>d sie durch e<strong>in</strong>e Erzählerstimme präsentiert<br />

worden? Ihr Stecken der Hände <strong>in</strong> die Taschen, ist das noch e<strong>in</strong>e der vielen Beobachtungen<br />

Irenes? Oder dass sie frieren, sagt uns das der Erzähler? Solche Fragen tauchen mehrmals<br />

beim Lesen des Buches Reisende <strong>auf</strong> e<strong>in</strong>em Be<strong>in</strong> <strong>auf</strong>, <strong>und</strong> sie entsprechen der Verwirrung, die<br />

sowohl die Hauptfigur Irene selbst wie auch der Leser erlebt.<br />

Mit Bezug <strong>auf</strong> die Verwirrung beim Lesen des Buches, lässt sich von der Erzählweise sagen,<br />

dass wir es mit e<strong>in</strong>er personalen Erzählsituation mit allgeme<strong>in</strong>en Zügen zu tun haben: „Der<br />

Erzähler verzichtet <strong>auf</strong> se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>mengung <strong>in</strong> die Erzählung <strong>und</strong> tritt so weit h<strong>in</strong>ter den<br />

Charactern [...] zurück, daß se<strong>in</strong>e Anwesenheit dem Leser nicht mehr bewußt wird.“ 78 Denn<br />

im S<strong>in</strong>ne Stanzels wird das durch den personalen Erzähler Geschehen im Buch dem Leser <strong>auf</strong><br />

solch e<strong>in</strong>e Art <strong>und</strong> Weise präsentiert, „als befände er sich selbst <strong>auf</strong> dem Schauplatz des<br />

78 Stanzel, Franz Karl: „Zur Erzähltheorie – Def<strong>in</strong>itonen“ <strong>in</strong>: Theorie des Erzählens, Uni-Taschenbücher:<br />

Stuttgart 1979.<br />

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