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fremdheit und identität in herta müllers reisende auf einem bein ...

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30). Sie registriert also zunächst die Kälte, das Dunkel sowie die Grelle dieser neuen Stadt,<br />

die wegen der „Mauer“ (R 30) wahrsche<strong>in</strong>lich Berl<strong>in</strong> ist, <strong>und</strong> bei Irene zur neuen Fremdheit<br />

führt <strong>und</strong> sie immer nervöser macht.<br />

Änderung <strong>und</strong> Entfernung s<strong>in</strong>d also Stichwörter der neuen Sitation der Protagonist<strong>in</strong>, wobei<br />

sie dies sowohl beim Jahreswechsel wie auch <strong>in</strong> den Menschen, die sie genau betrachtet,<br />

registriert. Als Irene <strong>und</strong> Stefan am Weihnachtsmarkt bei der Gedächtniskirche (noch e<strong>in</strong><br />

H<strong>in</strong>weis <strong>auf</strong> Berl<strong>in</strong>) s<strong>in</strong>d, greift sie e<strong>in</strong> übles Gefühl, was als Sehnsucht oder Traurigkeit<br />

wegen ihr Entfernung vom Heimatland oder sich bloß als neue Entfernung, die sie im neuen<br />

Land erlebt, deuten lässt: „Weihnachten, dachte Irene. Es war, wie wenn man E<strong>in</strong>geweide<br />

über Tannen hängt.“ (R 35). Wegen der <strong>in</strong> diesem Bild spürbaren Melancholie, wird deutlich,<br />

dass sich die Protagonist<strong>in</strong> <strong>auf</strong> diese Feierlichkeit beim Jahresende nicht freuen kann, <strong>und</strong> sich<br />

wie e<strong>in</strong>e Außenseiter<strong>in</strong> betrachtet.<br />

Als Zeichen der Änderung spielt zunächst die neue Wohnung, die Irene bekommt, e<strong>in</strong>e große<br />

Rolle. Hier muss jetzt „e<strong>in</strong>e Überlegung (...) vom Bett zum Kleiderschrank“ (R 36) gemacht<br />

werden, denn e<strong>in</strong> Koffer ist ihr ganzer Besitz. Sie ist also immer noch e<strong>in</strong>e Reisende <strong>auf</strong><br />

e<strong>in</strong>em Be<strong>in</strong>, die nirgendswo h<strong>in</strong>gehört oder sich zu Hause fühlt. Die Beobachtung der<br />

Entfernung e<strong>in</strong>er Frau „zwischen ihrem Daumen <strong>und</strong> ihrem Zeigef<strong>in</strong>ger“ (R 37) sche<strong>in</strong>t auch<br />

zweideutig <strong>auf</strong> Irenes eigene Situation h<strong>in</strong>zuweisen. Diese etwas ungewöhnliche Beobachtung<br />

sche<strong>in</strong>t sowohl Irenes Entfernung vom alten Land als auch der Entfernung Irenes, die sie zum<br />

neuen Land <strong>und</strong> zu ihren Mitmenschen erlebt, zu entsprechen.<br />

Ihre Entfernung vom alten Land kommt durch das Gespräch mit dem Hauswart zum<br />

Ausdruck als sie „den Namen des anderen Landes [...] [sowie] den Namen des Diktators“ (R<br />

38) nennt. Doch Abstand zur ehemaligen Situation ist nicht gleichbedeutend mit<br />

Heimatgefühl im neuen Land. Ihre Wohnung betrachtet sie als unpersönlich <strong>und</strong> leer, was sie<br />

noch fremder macht. Sich fremd im fremden Land zu fühlen, führt bei ihr zutr Apathie: „Der<br />

Koffer stand lange geschlossen im Flur, als wäre Irene nur halb am Leben. Sie konnte nicht<br />

denken, nicht gehen.“ (R 39). Darüberh<strong>in</strong>aus kommt die Fremdheit durch das K<strong>auf</strong>en von<br />

Irenes Bett zum Ausdruck, als sie „eigentlich e<strong>in</strong> Gästebett“ (R 41) möchte, als sei sie im<br />

neuen Land nur <strong>auf</strong> Besuch. In diesem Zusammenhang sei noch an e<strong>in</strong>en schon <strong>in</strong> der<br />

E<strong>in</strong>leitung der vorliegenden Arbeit zitierten Satz er<strong>in</strong>nert, denn dar<strong>in</strong> kommt <strong>in</strong> Irenes<br />

Gedanken, wie wir sehen, das Gefühl der Menschen „die nicht mehr wußten, ob sie [...]<br />

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