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nancy gemeinschaft 1

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meinschaft gedacht — die es wiederzufinden oder wiederherzustellen<br />

galt.<br />

Die verlorene oder zerbrochene Gemeinschaft kann<br />

/27/<br />

auf verschiedenste Weise, mit allen möglichen Paradigmen illustriert<br />

werden: die natürliche Familie; die attische Polis, die römische Republik,<br />

die urchristliche Gemeinde, Korporationen, Gemeinden oder<br />

Bruderschaften — immer geht es um ein verlorenes Zeitalter, in. dem<br />

die Gemeinschah sich noch aus engen harmonischen und unzerreißbaren<br />

Banden knüpfte und in dem sie in ihren Institutionen,<br />

ihren Riten und Symbolen vor allem sich selbst das Schauspiel, ja<br />

sogar die lebendige Darbietung ihrer eigenen Einheit, der ihr immanenten<br />

Vertrautheit und Autonomie offenbarte. Im Unterschied zur<br />

Gesellschaft (die einfach ein Zusammenschluß oder eine Verteilung<br />

von Kräften und Bedürfnissen ist), im Gegensatz aber auch zur Gewaltherrschaft<br />

(welche die Gemeinschaft auflöst, indem sie die Völker<br />

ihrer Waffengewalt und ihrem Ruhm unterwirft), ist die Gemeinschaft<br />

nicht allein das vertraute Kommunizieren und die enge Verbindung<br />

ihrer Mitglieder untereinander, sondern auch das organische Einswerden<br />

ihrer selbst mit ihrem eigenen Wesen. Sie besteht nicht nur<br />

aus einer gerechten Verteilung von Aufgaben und Gütern, auch nicht<br />

in einem geglückten Gleichgewicht von Kräften und Machtverhältnissen,<br />

sondern vor allem im Mitteilen, Auflösen oder Eindringen einer<br />

Identität in eine Pluralität, und zwar so, daß je-des einzelne Mitglied<br />

dieser Pluralität seine Identität nur genau durch diese zusätzliche<br />

Vermittlung seiner Identifikation mit dem lebendigen Körper der Gemeinschaft<br />

findet. Im Leitspruch der Republik definiert die Brüderlichkeit<br />

die Gemeinschaft: es ist dies das Modell der Familie und der Liebe.<br />

Aber genau hier muß man dem rückblickenden Bewußtsein vom Verlust<br />

der Gemeinschaft und iher Identität mißtrauen (einerlei nun, ob<br />

sich dieses Bewußtsein tatsächlich als historische Rückschau begreift<br />

oder ob es, ungeachtet der Realität vergangener Ereignisse,<br />

um eines<br />

/28/<br />

Ideals oder Zukunftsentwurfes willen, derartige Bilder herstellt). Man<br />

muß diesem Bewußtsein zunächst des-halb mißtrauen, weil es das<br />

Abendland von Anbeginn an zu begleiten scheint: In jedem einzelnen<br />

Augenblick seiner Geschichte hat es sich schon immer der Sehnsucht<br />

nach einer noch archaischeren, einer verschollenen Gemeinschaft<br />

hingegeben und den Verlust von familiärer Vertrautheit<br />

und Brüderlichkeit, des Zusammenlebens überhaupt, beklagt. Unsere<br />

Geschichte beginnt mit dem Aufbruch Odysseus , mit dem sich zugleich<br />

Rivalität, Zwietracht und Intrigen in seinem Palast einrichten.<br />

Um Penelope herum, die das Tuch der Intimität unaufhörlich fortwebt,<br />

ohne es jemals zu Ende zu bringen, errichten die Freier die gesellschaftliche<br />

Urszene, die Szenerie von Krieg und Politik — die reine<br />

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