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nancy gemeinschaft 1

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Traum, der die Grenze und die Berührung zugleich verschwinden<br />

läßt. Die Freude findet im Aufschub statt. Die Liebenden empfinden<br />

Lust, wenn sie im Augenblick der Intimität versinken, aber da dieses<br />

Ertrinken auch ihre Mit-Teilung ist, da dies weder den Tod noch die<br />

Einswerdung, sondern vielmehr die Freude bedeutet, so ist genau<br />

dies seinerseits eine Singularität, die sich (dem) draußen aussetzt.<br />

Augenblicklich werden die Liebenden geteilt, ihr je singuläres Sein —<br />

das keine Identität, kein Individuum schafft, das nichts bewerkstelligt<br />

— teilt sich mit, und die Singularität ihrer Liebe setzt sich der Gemeinschaft<br />

aus. Sie, die Gemeinschaft, erscheint ihrerseits vor dem<br />

Auge aller: so zum Beispiel in der literarischen Kommunikation.<br />

Eigentlich ist dies kein Beispiel, denn «Literatur» hat hier nicht die<br />

übliche Bedeutung. In Wirklichkeit geht es darum, daß es ein Einschreiben<br />

des <strong>gemeinschaft</strong>lichen Ausgesetzt-Seins gibt, und daß<br />

dieses Ausgesetzt-Sein als solches nicht anders kann als sich einzuschreiben<br />

und sich nur durch eine Inschrift darbieten kann.<br />

Es geht hier nicht allein, ja noch nicht einmal vorrangig um Liebesdichtung<br />

oder um «literarische» Literatur, son-<br />

/85/<br />

dem einzig und allein um die Entwerkung der Literatur: d.h. um die<br />

gesamte entwerkte «Kommunikation», sei sie nun literarisch, philosophisch,<br />

wissenschaftlich, ethisch, ästhetisch oder politisch. Diese<br />

Kommunikation wäre die Umkehrung der Rede der Liebenden, wie<br />

Bataille sie darstellt, und in diesem Sinne müßte man sie wenn nicht<br />

«Literatur», so doch zumindest «Schrift» nennen. Während die Rede<br />

der Liebenden nach einer Dauer für ihre Freude strebt, einer Dauer,<br />

der sich die Freude entzieht, würde dagegen die Schrift nun die Dauer<br />

von Gemeinschaft und Gesellschaft in den Augenblick der Kommunikation,<br />

in die Mit-Teilung, einschreiben. Der «literarische Kommunismus»<br />

wäre dann die Mit-Teilung der Souveränität, welche die<br />

Liebenden in ihrer Leidenschaft nicht erwirken, wohl aber dem Draußen<br />

aussetzen: sie bieten die Mit-Teilung zunächst sich selbst, ihrem<br />

je singulären Sein dar, aber als solches erscheinen diese singulären<br />

Wesen, selbst wenn sich die Liebenden fest umschlungen halten,<br />

inmitten einer gesamten Gemeinschaft und vor deren richtendem<br />

Auge. Für die Liebenden wie für die Gemeinschaft, in der Liebe wie in<br />

der Schrift, geht dies nicht ohne Angst — und nicht ohne Freude.<br />

Aber das ist der Preis der Ekstase: um nicht nur ein erotisches oder<br />

faschistisches Todeswerk zu sein, führt ihr Weg über das Einschreiben<br />

der Endlichkeit und ihrer Kommunikation. Das bedeutet, daß sie<br />

notwendig auch (literarische, politische, u.a.) Werke voraussetzt; Was<br />

sich jedoch einschreibt und was im Einschreiben an die Grenze gelangt,<br />

sich aussetzt und sich mitteilt anstatt wie die Rede einen Sinn<br />

hervorbringen zu wollen), was sich mit-teilt, ist die Entwerkung der<br />

Werke.<br />

Die Liebenden offenbaren in besonderem Maße die Entwerkung der<br />

Gemeinschaft. Die Entwerkung findet in der Intimität statt. Aber die<br />

Liebenden setzen diese der Gemeinschaft aus, die schon an ihrer<br />

Intimität teil hat.<br />

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