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nancy gemeinschaft 1

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Was die Singularitäten miteinander kommunizieren läßt, ist vielleicht<br />

nicht genau das, was Bataille deren Zerrissenheit nennt. Was wirklich<br />

unsere Zerrissenheit ausmacht, ist die Darstellung der Endlickeit in<br />

der Gemeinschaft und durch sie – die Darstellung meiner dreifachen<br />

Trauer: Trauer um den Tod des anderen, Trauer um meine Geburt<br />

und Trauer um meinen eigene Tod. Zur Ge-<br />

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meinschaft gehört diese dreifache Trauer (ich würde nicht unbedingt<br />

behaupten, sie sei diese dreifache «Trauerarbeit», zumindest ist sie<br />

nicht nur dies: es gibt da in dieser trauernden Gemeinschaft etwas<br />

Weitreicherenderes und weniger Produktives). Nicht das singuläre<br />

Wesen erfährt diese Zerrissenheit: ganz im Gegenteil, es erscheint<br />

hier zusammen. Vielmehr wird das Gewebe des Einssein, die Immanenz<br />

zerrissen. Dennoch geschieht diese Zerrissenheit an nichts,<br />

denn dieses Gewebe existiert nicht. Das gemeinsame Sein ist weder<br />

Gewebe noch Leib, weder Subjekt noch Substanz, und folglich gibt<br />

es auch keine Zerrissenheit dieses Seins, aber es ist Mit-Teilung.<br />

Es gibt strenggenommen keine Zerrissenheit des singulären Seienden:<br />

da ist kein Einschnitt, keine offene Wunde, durch die das Drinnen<br />

sich in das Draußen verflüchtigen würde; dies würde ein «Drinnen»,<br />

eine Innerlichkeit voraussetzen, die dem vorausginge. Die<br />

«Spalte» der Frau, die Bataille als exemplarisches Beispiel für Zerrissenheit<br />

versteht, ist letztlich gar keine Zerrissenheit. Sie ist bis tief in<br />

ihr Allerinnerstes unweigerlich immer noch die dem Draußen ausgesetzte<br />

Oberfläche. (Die Obsession der Spalte zeigt zwar bei Bataille<br />

schon etwas von jener unerträglichen äußersten Grenze auf, an der<br />

es um die Kommunikation geht, läßt aber auch einen ungewollt metaphysischen<br />

Bezug zu einer Ordnung der Innerlichkeit und der Immanenz<br />

erkennen; sie verrät den Bezug zu einer Ordnung, die den<br />

Übergang als Übergehen eines Wesens in ein anderes deutet, anstatt<br />

zu denken, wie der eine an der exponierten Grenze des anderen<br />

entlang gehen muß.)<br />

Die «Zerrissenheit» besteht einzig darin, dem Draußen ausgesetzt zu<br />

sein: das ganze «Drinnen» des singulären Seienden wird dem<br />

«Draußen» ausgesetzt (und deshalb<br />

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stellt die Frau das Beispiel, oder was hier auf dasselbe hinausläuft,<br />

die Grenze der Gemeinschaft dar). Da wird nichts zerrissen, nichts<br />

auseinandergerissen; aber es gibt die Komparenz vor dem nichts<br />

(und vor dem nichts kann man nur zusammen-erscheinen). Ich betone<br />

noch einmal: weder das Sein noch die Gemeinschaft sind zerrissen,<br />

das Sein der Gemeinschaft ist vielmehr die Exposition der Singularitäten.<br />

Auch der Mund, wenn er sich öffnet, ist kein Riß. Er bietet dem<br />

«Draußen» ein «Drinnen» dar, das ohne diese Darbietung nicht exi-<br />

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