nancy gemeinschaft 1
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als das immanente Wesen par excellence, den Stein des Anstoßes<br />
für ein Denken der Gemeinschaft. Wenn man erwartet, daß eine Gemeinschaft<br />
die Gemeinschaft der Menschen zu sein hat, so setzt dies<br />
voraus, daß sie als solche vollständig ihr eigenes Wesen verwirklicht<br />
oder verwirklichen muß, und daß dieses Wesen selbst wieder das<br />
Wesen des Menschen zur Vollendung bringt. («Was kann von den<br />
Menschen gebildet werden? Alles. Die Natur, die menschliche Gesellschaft,<br />
die Menschheit,» schrieb Herder. Diese regulative Idee<br />
hält uns unweigerlich gefangen, selbst dann noch, wenn wir davon<br />
ausgehen, daß diese «Bildung» selbst nur eine «regulative Idee»<br />
ist...) Folglich repräsentieren das ökonomische Band, die technologische<br />
Verfahrensweise und die politische Verschmelzung (zu einem<br />
Körper oder unter einer persönlichen Herrschaft ) an sich schon notwendig<br />
dieses Wesen oder vielmehr bieten sie es dar, exponieren<br />
und realisieren es. Hier wird es ins Werk gesetzt; hier ist es Ergebnis<br />
seines eigenen Wir-<br />
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kens geworden. Genau dies haben wir «Totalitarismus» genannt,<br />
vielleicht spräche man besser von «Immanentismus», wenn man diese<br />
Bezeichnung nicht mehr nur auf bestimmte Gesellschafts- oder<br />
Herrschaftstypen anwenden will, sondern darin zugleich den allgemeinen<br />
Horizont unserer Zeit sieht, der wohl auch die Demokratien<br />
samt ihrem fragilen Rechtsgerüst umschließt.<br />
*<br />
* *<br />
Muß man an dieser Stelle wirklich noch ein Wort über das Individuum<br />
verlieren? Manche sehen in der Erfindung und Kultivierung der Idee<br />
des Individuums, ja in seinem Kult, jenes unübertreffliche Privileg,<br />
dank dessen Europa der Welt doch schon den einzig möglichen Weg<br />
aus der Tyrannei gewiesen und die Norm gesetzt habe, an der alle<br />
kollektiven oder <strong>gemeinschaft</strong>lichen Unternehmungen zu messen<br />
wären. Aber das Individuum ist nur das, was bei der Erfahrung der<br />
Auflösung der Gemeinschaft übrigbleibt. Seiner Natur nach erweist<br />
sich das Individuum – das, wie sein Name schon sagt, das Atom, das<br />
Unteilbare, ist – als das abstrakte Ergebnis einer Zerlegung. Es ist<br />
eine weitere, eine symmetrische Figur der Immanenz: das absolut<br />
losgelöste Für-Sich als Ursprung und Gewißheit.<br />
Mit der Erfahrung aber, die dieses Individuum zumindest seit Hegel<br />
durchlebt und die es, wie man zugeben muß, mit verblüffender Unbelehrbarkeit<br />
immer wieder macht, erfährt es eigentlich nur folgendes:<br />
Es ist Ursprung und Gewißheit einzig seines eigenen Todes. Und<br />
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seine in seine Werke übergegangene Unsterblichkeit, seine wirkende<br />
Unsterblichkeit, erfährt das Individuum noch immer als seine eigene<br />
Entfremdung und so wird ihm sein Tod sogar noch fremder als die<br />
unwiderrufliche Fremdheit, die er, der Tod, ohnehin «ist».<br />
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