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nancy gemeinschaft 1

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Immanenz. Man kann in dieser Figur nicht herausfinden, welches von<br />

beiden, Einswerdung oder Liebe, im Tod Modell für das andere wird.<br />

In Wirklichkeit vollendet der Tod mit der Immanenz der beiden Liebenden<br />

die unendliche Wechselbeziehung dieser beiden Instanzen:<br />

Die leidenschaftliche Liebe wird von der christlichen Kommunion her<br />

entworfen, während die Gemeinschaft nach dem Prinzip der Liebe<br />

gedacht wird. Dies belegt auch der hegelsche Staat, der zwar nicht<br />

auf dem Modell der Liebe basiert - denn er gehört der sogenannten<br />

Sphäre des «objektiven Geistes» an -, der aber dennoch die Wirklichkeit<br />

der Liebe zum Grundprinzip hat, das heißt die Tatsache, «im<br />

anderen das Moment der eigenen Selbsterhaltung zu haben». In diesem<br />

Staat hat jeder seine Wahrheit im anderen, der der Staat selbst<br />

ist und dessen Wirklichkeit sich am allerdeutlichsten dann zeigt, wenn<br />

seine Glieder ihr Leben in einem Krieg hingeben, den zu führen auf<br />

der alleinigen und freien Entscheidung des Monarchen als tatsächliche<br />

Selbstgegenwart des Subjektes Staat beruht 5 .<br />

Sicherlich konnte und kann die Aufopferung von Menschen für die<br />

Gemeinschaft - und folglich auch durch sie - durchaus Sinn haben,<br />

allerdings unter der Bedingung, daß dieser «Sinn» auch wirklich der<br />

Sinn einer Gemeinschaft ist, und daß es sich bei dieser Gemeinschaft<br />

nicht um eine Todes<strong>gemeinschaft</strong> handelt (so wie sie zumindest<br />

seit dem Ersten Weltkrieg in Erscheinung tritt und uns eben dazu<br />

berechtigt, nicht mehr «für das Vater Iänd sterben» zu wollen).<br />

Nun ist aber die Gemeinschaft<br />

/34/<br />

der menschlichen Immanenz, der Mensch, der sich selbst, oder Gott,<br />

der Natur und seinen eigenen Werken gleich geworden ist, eine derartige<br />

Todes<strong>gemeinschaft</strong> - ja, eine Gemeinschaft von Toten. Der<br />

vom Humanismus vollendete Mensch, ob Individualist oder Kommunist,<br />

ist der tote Mensch. Das will heißen, daß der Tod hier nicht der<br />

unbeherrschbare Exzeß der Endlichkeit, sondern die unendliche<br />

Vollendung eines immanenten Lebens ist; es ist der Tod selbst, der<br />

hier der Immanenz überantwortet wird, und gerade diese Aufhebung<br />

des Todes hat sich die christliche Kultur, als wolle sie damit ihre eigene<br />

Transzendenz verschlingen, letztlich zum höchsten Werk erkoren.<br />

Seit Leibniz gibt es in unserem Universum den Tod nicht mehr:<br />

In irgendeiner Weise wird jede endliche Negativität von einer unbegrenzten<br />

Zirkulation von Sinn (von Werten, von Zwecken und Zielsetzungen,<br />

von der Geschichte...) verschüttet oder aufgefangen, sie<br />

zieht aus jedem endlichen singulären Schicksal einen Mehrwert an<br />

Menschlichkeit oder an unendlicher Übermenschlichkeit. Genau das<br />

aber setzt den Tod eines jeden und aller im Leben des Unendlichen<br />

voraus.<br />

Generationen von Bürgern und politischen Aktivisten, von Arbeitern<br />

und Staatsdienern glaubten, ihr Tod würde in dem, was kommen sollte,<br />

aufgefangen oder aufgehoben, in de Zu-kunft einer Gemeinschaft<br />

5<br />

Vgl. J.-L. Nancy, «La juridiction du monarqu e hégélien», in Rejouer le<br />

politique, Paris, Galilée 1981.<br />

17

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