Werktags - ORF

Eine Truppe von Anstreichern stapft herein, arrogant und selbstsicher. Das sind solche, die
sich in die Mitte setzen und dort dann ihre dreckigen Witze so erzählen, als wären sie nur zur
Selbstunterhaltung gedacht, gleichzeitig aber eine Lautstärke wählen, die auch für alle anderen
in der Kantine ein Weghören unmöglich macht. Sie verraten sich dann, indem sie mit schnellen,
schielenden Seitenblicken sich der Aufmerksamkeit der umliegenden Tische versichern. Wären
die Anstreicher aus Kunststoff, hätten sie sympathische Malermützchen auf und eine Leiter
in der Trinkbecherhaltehand.
Arbeiter eben. Kleine, typische, anständige Arbeitermänner wären sie alle dann.
Rajab und die anderen stehen noch rauchend draußen und schauen einer Frau in engem
Jeansminirock hinterher. Mein Entfremdungsfilter scheitert: Playmobilröcke sind eher schwierig,
überhaupt Erotik, stricke ich noch meine abstrakten Phantasiekleidungen, als es plötzlich
geschieht mit mir:
Einer der Tirolerknödel, die ich mir eben geholt habe, bleibt mir im Hals stecken. Er verhärtet
sich an der Stelle, wo sonst nur der Adamsapfel herausquillt. Panik packt mich und ich führe
langsam meine Hand dort an die Stelle, wo mir der Knödel zum Problem wird. Eine riesige
harte Kugel steckt dort und es gelingt mir gerade noch vor einem Erstickungsanfall sie
hinunterzudrücken mit meinen ... Trinkbecherhaltehänden! Dann geht alles Schlag auf Schlag,
meine Hose versteift sich, wird blau und blauer und glänzt, meine Knie verhärten und strecken
sich, ich muss aufstehen. Ich kann meine Beine nicht mehr abwinkeln. Ich möchte mich
hinunterbücken und nachsehen, aber es geht nicht. Nur mehr meinen Kopf kann ich drehen
und grinsen. Ja, ich muss grinsen, obwohl es schrecklich traurig ist: Stumm und steif sitzen
neunundzwanzig Arbeiter in glänzenden Overalls um mich herum und starren mich an. Sitzen
wie zuvor an den Tischen. Neben mir die orangen Straßenarbeiter, hinten die grünen Gärtner,
die jetzt graue Schaufeln mit den Becherhänden umklammern.
Sie sitzen steif auf ihren braunen Plastikstühlen, die Beine waagrecht ausgestreckt, dass sie
beim Tischnachbarn wieder herausschauen. Wie schrecklich. Murren macht sich breit im
Raum. Einige werfen mit steifer Drehung einen ihrer Arme wütend in die Höhe und machen
Gesten mit ihren Trinkbecherhaltehänden zu mir herüber, die bedrohlich ausschauen. Auf den
Tischen stehen blaue Plastikfläschchen und blaue Teller auf denen die beigen Tirolerkugeln
liegen. Ich rufe in meiner Verwirrung: „Ich wollte das nicht“, meine Stimme klingt, als würde
sie von Dagmar Koller synchronisiert, „es war nur eine Phantasie! Ich habe nur nachgedacht
über euch Arbeiter, euch ehrliche, fleißige Leute!“. Es ist blöd, was ich sage, aber in der
Situation: Was sagt man da? Vor allem mit dieser ungewohnten Stimme. Komplett hysterisch
werde ich: „Ihr dürft mir das nicht verübeln, was schaut ihr denn so? Ihr habt mich einfach
erinnert an Spielzeughandwerker, ich wollte einfach im Kopf ein bisschen mit euch spielen, mit
euch kleinen Männern. Es war ja nur ein Tagtraum, sozusagen!“
Das Murren der Männchen vervielfacht sich und entflammt zu einem bösartigen Stimmengewühl.
Vor lauter Erregung höre ich nur gelegentlich Wortfetzen wie aus weiter Ferne. „Supergscheiter“,
heißt es da, „Schnösel!“, „Schmarotzer“.
Sie, die von mir verwandelt wurden, dem Fremdkörper, einem Spion der Arbeitswelt aus gutem
Hause, sie sind zum Plastikprodukt meiner verniedlichenden Phantasien geworden.
„Keine Ahnung hast du“, ruft einer, „du Student!“ Obwohl ich kein Student bin, glaube ich zu
ahnen, was er meint und will gerade zu einem schüchternen Konter ausholen, als derjenige
in seinem weißen Overall mit Mützchen eine nach der anderen seiner Tirolerkugeln nimmt und
nach mir zu werfen beginnt. Bald tun es ihm die anderen gleich und ich werde förmlich
geknödelt. Ein Gedonner aus beigen Kugeln prallt an meinem blauen Plastikpanzer ab,
fürchterlich.
Ich habe meine Kollegen inzwischen fast vergessen. Wo sind sie eigentlich? Sie kennen mich
verkehren werktags
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