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schon ein bisschen besser, vielleicht würden sie die Sache regeln können. Aber niemand.<br />
Lange, grausame, demütigende Zeiten kommt niemand. „Wir wollen überhaupt keine kleinen<br />
Männer sein!“, schreit einer der Strassenarbeiter, und die anderen bestätigen ihn: „Ja!“, „Genau!“.<br />
Und sie beginnen erneut zu werfen – auch noch mit den blauen Flaschen. Wäre ich nicht aus<br />
Plastik, würde ich in Tränen ausbrechen, verzweifelt meine Unschuld hinausweinen, meine<br />
Dummheit.<br />
Ich sehe um mich in achtundfünfzig braune Augenpunkte, die alle böse schauen. Mich böse<br />
anschauen. Verzweiflung ergreift mich. Ich ringe meine harten blauen Arme, ich hüpfe mit<br />
meinen Parallelbeinen einen skurrilen Tanz der völligen Verwirrung, einen ekstatischen<br />
Ausdruckstanz der tiefen Reue mit einem noch immer grinsenden Mund.<br />
„He Kleine!“ höre ich da plötzlich und wende meinen steifen Kopf zur Tür hinüber. Was sehen<br />
meine erleichterten Augen hinter den Plastikstirnfransen: Rajab und die anderen. Plötzlich fühle<br />
ich mich ihnen so innig verbunden, als wären wir Geschwister, die besten Freunde. Wie froh<br />
ich bin. Doch in dem Moment, als sie eintreten, geschieht – und ich bemerke es erst gar nicht<br />
– das Unglaubliche. Als wäre die Türschnalle der Aktualisierungsbutton meiner Wirklichkeit,<br />
beginnen sich langsam mit dem Öffnen der Tür die Beine der Männchen zu lockern, die<br />
Haartoupets zerfallen wieder in weiche Strähnen, die Trinkbecherhände zerteilen sich in<br />
zweihundertneunzig Finger, die Gesichter werden wieder kantig und männlich, richtig männlich.<br />
Rajab und die anderen bemerken gar nichts. Ich werde es ihnen auch nicht erzählen. Die<br />
Kantine ist unverändert: die dunklen Gärtnerstimmen, die Malerwitze, das Leuchtorange.<br />
Und ich, ich kann beschwören, noch ganz benommen wie ich bin, dass dies kein Traum war.<br />
Was immer es war, es war eine Verkehrung von Wirklichkeit und Phantasie mit Auswirkungen<br />
auf beiden Seiten. Es waren mit Sicherheit meine letzten Tirolerknödel. Die Himbeercreme mag<br />
ich jetzt auch nicht mehr. Scheiß pastellrosa. Typisch Vorurteil.<br />
verkehren werktags<br />
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