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Werktags - ORF

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Hose, die er, braver Hausmann, noch vor dem Zubettgehen ausgewaschen und zum Trocknen<br />

in die Duschkabine aufgehängt hatte. Ich zog sie an, das klamme Gefühl war mir egal. Dann<br />

öffnete ich das Schloss geräuschvoll und entschlossen, trat aus der Türe, griff nach meinem<br />

Rucksack und den Schuhen und verließ das Hotelzimmer. In den Spiegel im Vorraum blickend,<br />

sah ich Clemens am Rücken im Bett liegen. Seine Augen waren geschlossen und ich wusste,<br />

ich hatte ihn weich gekocht; mürbe, verzweifelt und gefügig wartete er nun auf Rettung, bereit,<br />

auf meine Forderungen einzugehen, wie abstrus auch immer sie wären. Es ist zu spät, war der<br />

einzige Gedanke, der von mir Besitz ergriffen hatte. Mich diesem beugend riss ich mich von dem<br />

Anblick los und verließ das Zimmer.<br />

Gurgelnde Geräusche lenkten meine Aufmerksamkeit auf die Gegenwart; hinter mir war das<br />

Wasserballett ausgebrochen, mächtige Fontänen schossen aus der Wasserfläche empor, die<br />

Choreographie den kitschigen Rhythmen einer Celine-Dion-Nummer gehorchend. Der plärrende<br />

Gesang verdarb mir den Spaß an der Sache, also ging ich schnell weg und wechselte die<br />

Straßenseite. Ich kaufte mir eine Flasche Wasser und ein Sandwich mit Zwiebel und Thunfisch<br />

und schlenderte weiter, überquerte den Boulevard unzählige Male auf Rolltreppen und machte<br />

ein paar Photos, von denen ich wusste, dass ich mich später darüber ärgern würde, weil das<br />

Licht grausam und grell war und die meisten Bilder versaut haben würde. Beim Hotel Hilton<br />

angelangt hatte ich mein ganzes Wasser geleert und musste pinkeln, also trat ich ein, erschreckte<br />

wie immer über die verschwenderische, klimatisierte Kälte, deren Künstlichkeit man fühlen kann.<br />

Das großzügige Foyer war bis zum Bersten mit Spielautomaten gefüllt, deren Geblinke und<br />

Gedudel mich sofort einlullte. An den Automaten saßen Menschen, die mechanisch und freudlos<br />

Münzen in die Geldschlitze warfen, in sich zusammengesunken, mit starrem Blick, selbst zu<br />

Maschinen geworden, zu Geldvernichtungsmaschinen. Von meinen schlaflosen Wanderungen<br />

in unserem Hotel wusste ich, dass die Automaten Tag und Nacht besetzt waren, und fast<br />

beneidete ich diese Narren um ihre naive, besessene Trance, mit der sie sich vom Glücksspiel<br />

verschlingen ließen. Auf dem Rückweg vom Klo fiel mein Blick auf eine Reklame, welche für eine<br />

Show in diesem Hotel warb. Sie zeigte eine Szene aus Star Trek; Klingonen, Borg und Captain<br />

Jean Luc Picard tummelten sich darauf und versprachen eine Show „You won‘t forget“ mit dem<br />

Namen „Borg Invasion“. Ich wurde neugierig, und, angesteckt von der omnipräsenten Gier nach<br />

Ablenkung und Unterhaltung, befahl ich mir, mich von der Unterhaltungsmaschinerie verführen<br />

zu lassen und folgte den Schildern. Sie führten in einen abgedunkelten Komplex, der dem<br />

Raumschiff Enterprise verblüffend ähnlich war. Am Kassenschalter standen Angestellte in<br />

Raumschiffuniformen mit spitzen Vulkanierohren; eine mittelalterliche Dame mit einem schlaffen<br />

Doppelkinn wie aus Hühnerhaut knöpfte mir 30 Dollar ab und verabschiedete mich grinsend mit<br />

dem Vulkaniergruß, der gespaltenen V-förmigen Handfläche. Ich grüßte etwas verlegen zurück.<br />

Von der Begeisterung der anderen Besucher angesteckt amüsierte ich mich bereits, als ich durch<br />

die schmalen Gänge mit allem nur erdenklichen Star-Trek-Klimbim – Waffen, Kommunikatoren,<br />

Gewänder, Uniformen – zur eigentlichen Show schlenderte. Realistisch kostümierte Klingonen<br />

und Borg gingen im Bereich auf und ab und starrten einen arttypisch an – die Besucher kreischten<br />

vor Vergnügen und machten sich zum Trottel, indem sie für Photos vor ihnen posierten. Wie<br />

resignierte Tiere in einem Streichelzoo ließen die Kostümierten die Begeisterung der Besucher<br />

über sich ergehen. Schließlich gelangte ich an das Ende einer kurzen Warteschlange, und nach<br />

wenigen Minuten wurden wir in einen kleinen Raum gebeten. Ein weißblonder Uniformierter, der<br />

sich als Lieutenant Ford vorstellte, begrüßte uns witzig und überschwänglich, fragte nach<br />

eventuellen Schwangerschaften und Herzleiden; da von den fünfzehn teilnehmenden Personen<br />

keine Reaktion kam, konnte die Show beginnen. Ich blickte mich um; wir befanden uns in einem<br />

hellgrauen Kobel, der einem Aufzug nachgebildet war. Der Aufzug plapperte Raumschiff-Nonsense,<br />

während ich die Leute gespannt taxierte. Das schwedische Pärchen und ich waren augenscheinlich<br />

Vegas, Baby<br />

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