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der bereits zahnlosen Kriegswitwe im Ehebett im Schlafzimmer liegt. Die kinderlose Kriegswitwe<br />
wird sich jeden Abend vor dem Einschlafen über die brummenden Fürze des neben ihr liegenden<br />
Großvaters beschweren, die er zu seiner Erleichterung in seine schlabberige, weiße Unterhose<br />
fahren lässt. Sein Großvater, ehemals Mitglied der nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei,<br />
dann Mitglied der österreichischen sozialdemokratischen Partei, dann parteilos, nun Mitglied<br />
der Freiheitlichen Partei Österreichs, wird selbst nach seiner Pensionierung jeden Werktag um<br />
halb sechs Uhr aufstehen und um viertel sieben die Wohnung verlassen, um sich in der Trafik<br />
die Tageszeitung und zwei Schachteln Zigaretten der Marke Smart zu holen. Einmal in der<br />
Woche, meistens freitags, wird er zwei Lottoscheine aufgeben, seinen eigenen und den seiner<br />
Frau, der kinderlosen Kriegswitwe, die seit der Einführung des Lottospiels jede Woche die<br />
Zahlen drei, elf, vierzehn, einundzwanzig, dreißig und vierundvierzig ankreuzt.<br />
Seine mittlerweile vierunddreißigjährige Tochter, die bereits zum dritten Mal verheiratet war,<br />
arbeitete seit geraumer Zeit drei Tage in der Woche, von Donnerstag bis Samstag, in einem<br />
Nachtklub in der Innenstadt, in dem regelmäßig bekannte Schauspieler und andere Künstler<br />
verkehrten. Ihr siebzehnjähriger Sohn, der seit einem Jahr an einer schweren Akne litt und<br />
dessen bleiche Stirn aus diesem Grund nahezu immer mit Pusteln übersät war, hatte im Alter<br />
von fünfzehn Jahren seinen ersten Geschlechtsverkehr mit der Tochter des Hausmeisters, die,<br />
da seine Erektion nicht ausreichte, um in sie einzudringen, seinen Schwanz solange mit der<br />
Hand massierte, bis er ganz steif wurde und ihn dann schnell zwischen ihre Beine steckte,<br />
worauf es ihm zu ihrer beider Enttäuschung sofort kam.<br />
Als er achtzehn Jahre alt geworden war, bewarb er sich, nachdem er eine Autolackiererlehre<br />
abgebrochen hatte, bei der Post und wurde am Postamt Wien-Margareten als Zusteller<br />
eingestellt. Jeden Werktag stand er um fünf Uhr morgens auf, denn bereits um sechs Uhr<br />
begann seine Arbeit am Postamt mit dem Sortieren der Postsendungen. Eine große Masse<br />
an neu eingetroffenen Postsendungen wurde jeden Morgen zuerst nach Zustellgebieten und<br />
dann nach Straßennamen und Hausnummern in die dafür vorgesehenen Fächer aufgeteilt,<br />
anschließend zu kleinen Päckchen verschnürt, die er in der Reihenfolge der Zustellung in seinen<br />
Handwagen schlichtete, den er beim Austragen der Post holpernd, wie eine schwere Last,<br />
hinter sich her zog.<br />
Mit neunzehn Jahren, nachdem er aus der Wohnung seiner Großeltern ausgezogen war, zog<br />
er in den fünften Bezirk zu seiner um fünfzehn Jahre älteren Freundin, die in seinem Zustellgebiet<br />
wohnte und die, seitdem er dort als Zusteller arbeitete, jeden Morgen um acht Uhr in ihrer<br />
Wohnung auf ihn wartete. Jeden Morgen um acht, von Montag bis Freitag, brachte er ihr<br />
persönlich die Post an die Wohnungstür und ging anschließend mit ihr ins Schlafzimmer, wo<br />
er es eine halbe Stunde lang mit ihr trieb. Nachher zog er schnell seine Dienstkleidung wieder<br />
an, denn er musste sich beeilen, damit der bis zum Rand mit Postsendungen gefüllte Handwagen<br />
nicht zu lange im selben Hauseingang stehen blieb.<br />
Nachdem er die restliche Post ausgetragen hatte, traf er sich gegen Mittag mit seinen Kollegen<br />
in einem kleinen Wirtshaus. Sie saßen immer am Stammtisch des Wirtshauses, gleich gegenüber<br />
des an der Wand befestigten Fernsehapparates, der bei Liveübertragungen von Fußballspielen<br />
immer eingeschaltet war. Gemeinsam sahen er und seine Kollegen in diesem Fernseher die<br />
Spiele der Fußballweltmeisterschaft in Mexiko und noch Jahre später wird er sich an das Tor<br />
von Diego Maradona erinnern, das dieser in der einundfünfzigsten Minute im Viertelfinalspiel<br />
gegen England mit der Hand erzielte.<br />
Seitdem er bei seiner um fünfzehn Jahre älteren Freundin eingezogen war, wurde er mit dem<br />
Austragen der Post immer um eine halbe Stunde früher fertig als sonst, da er sich nun nicht<br />
mehr jeden Morgen um acht Uhr eine halbe Stunde lang bei ihr aufhielt, sondern gleich, ohne<br />
Umschweife, mit dem Austragen der Post begann. Vier Jahre nachdem er bei ihr eingezogen<br />
war, wird er seiner um fünfzehn Jahre älteren Freundin mitteilen, dass er seit geraumer Zeit<br />
ein Verhältnis mit einer jüngeren Frau habe, die nun, da sie von ihm schwanger sei, erwarte,<br />
dass er sie heirate.<br />
Mit vierundzwanzig Jahren wird er begleitet von seiner Mutter, seinem Vater, seinem Großvater<br />
Immer werktags<br />
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