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Jazz- und Blues-Standards, natürlich, wie auf Bestellung, auch „Gloomy Sunday“. And yes,<br />
we were a little bit in a suicidal mood.<br />
Die Frauen hatten wir rasch durch, er sei jedes Jahr hier, meinte Jozef.<br />
„Ich 95 zuletzt“, fügte ich an, „während der Tage der Massenmorde in Srebrenica.“<br />
Auffällig eilig hatte er es jetzt, mir seine Vielvölkerherkunft auszubreiten. Seine Mutter, die früh<br />
an Krebs verstorben war, sei Kärntnerin gewesen, mit teilweise kroatischen Vorfahren, sein<br />
Vater sei Slowene, dessen Großväter jeweils Serben, beide jung in Jasenovac ermordet, ohne<br />
die ungeborene Tochter, den ungeborenen Sohn je gesehen zu haben. Ich musste rechnen<br />
und mir einige Nachhilfeminuten in Geschichte geben lassen, bevor ich ihn fragte, ob und wie<br />
er seinen Urlaub fortzusetzen gedenke.<br />
Montag<br />
Das Video zeigt einen alten, rostigen, überwiegend weißen Ford Fiesta, dem Jozef offenbar<br />
noch vieles zutraute. Kerstin war inzwischen sicher wieder in Regensburg, aber meine<br />
Kurzmitteilungen beantwortete sie nicht. Ich malte mir aus, während Jozef und ich die Zelte,<br />
die Schlafsäcke, die Campingkocher, die schlampig bepackten Rucksäcke, die Isomatten, das<br />
von Berit Zurückgelassene (Kerstin war in dieser Hinsicht gründlicher, hatte sogar einige CDs<br />
von mir mitgenommen) in den Kofferraum und auf die Rückbank luden, und nachdem Jozef<br />
einen sich anbahnenden Streit mit der Campingplatz-Rezeption, die nur einen zu geringen<br />
Bruchteil der Platzgebühr der für die ganze Woche reservierten Zeltplätze erstatten wollte, mit<br />
einer Mischung aus charmanten und drohenden Blicken und Gesten und wohl auch mit den<br />
richtigen Worten abgewendet hatte, ich malte mir also aus, wie sie noch auf der Heimfahrt mit<br />
diesem Sven telefoniert und ihm den endlichen Bruch mit mir triumphierend mitgeteilt hat.<br />
Vielleicht könnte man ja, Urlaub habe sie ja noch, gleich am Montag wieder gemeinsam skaten?<br />
Ein unüberhörbares Loch im Auspuff und ein im gekünstelten Wiener Dialekt mich parodierendes<br />
„Hammer‘s?“ mit sehr hellem „a“ zogen meine Gedanken zurück und vertrieben letzte Zweifel.<br />
Mir war Jozef sehr sympathisch, er mochte mich wohl auch und wir fuhren, ohne etwas<br />
gegessen zu haben, um halb acht los. Großmaßstäbige Straßenatlanten, die das südwestliche<br />
Bosnien nicht unbedingt als Urlaubsland auswiesen, deswegen grob daherkamen und nur die<br />
wichtigsten Verbindungen als blaue Autobahnen, rote Staats-, gelbe Land- und weiße<br />
Gemeindeverbindungsstraßen zu dick und unübersichtlich zeigten, sollten uns bis zum Abend<br />
in das ehemalige Kriegsgebiet führen. Mich trieben das Entsetzen meiner Jugend, die<br />
eingebrannten Bilder blutüberströmter Marktplätze in Sarajevo und feixender, rauchender junger<br />
Serben, die von CNN und vom <strong>ORF</strong> übertragen wurden, und eine merkwürdige Scham dorthin.<br />
Vielleicht gab es noch mehr Motive. Vielleicht konstruiere ich mir das jetzt aber auch nur so,<br />
da ich unscharfe Bilder, die letzten vom See, aus dem Beifahrerfenster heraus aufgenommen<br />
und von den Motoren-, Auspuff- und Lou-Reed-Tönen überlagert, auf dem Fernsehschirm<br />
sehe.<br />
Jozef trug eine Sonnenbrille, obwohl es bewölkt war, fuhr zügig und hatte mit der „New-York“-<br />
Scheibe von Lou Reed meinen Geschmack getroffen. Er war mir wirklich sympathisch und ich<br />
empfand Stolz, weil ich mir sicher war, er mochte mich. Ich bin fast acht Jahre älter als er, aber<br />
die mir sonst eigene Arroganz gegenüber Jüngeren spürte ich bei ihm nicht. Darüber war ich<br />
erleichtert.<br />
Über Bled, Kranj, Ljubljana, Novo Mesto und Metlika kamen wir nach Kroatien. Die zu vielen<br />
Bilder der Fahrt sind eintönig, ich verwende die Schnelllauffunktion des Videorekorders, um<br />
das Dunkelgelb und Graugrün der Felder und verdörrten Wiesen Südsloweniens, aber auch,<br />
in Zwischenschnitten, Jozefs Profil, die zynischen Lippen und die gerade Stirn, zügig zu<br />
passieren.<br />
Die paar Stunden in Kroatien verschlief ich, weil ich zum Frühstück im Auto drei Flaschen<br />
Bohinj. Schweigen<br />
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