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Werktags - ORF

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verdauten Thunfischsandwichs; sondern wie eine bedeutende menschliche Protagonistin in einer<br />

Star-Trek-Folge, die maßgeblich an der Rettung eines ganzen Planetensystems beteiligt war. Wir<br />

gelangten in den Eingangsbereich, am Schalter musste ich vor der hühnerhälsigen Vulkanierin<br />

beteuern, dass ich keine medizinische Hilfe brauchte und eine Art Revers unterschreiben, während<br />

Lursa geduldig und schweigsam neben mir wartete. Ich schüttelte ärgerlich den Kopf. „Ihr Amis<br />

und euer Rechtssystem“, sagte ich. Sie nickte. „Wäre nicht das erste Mal, dass das Hotel wegen<br />

so einem Scheiß verklagt wird. Außerdem bin ich keine Amerikanerin sondern Klingonin …“<br />

Weiter kam sie nicht. Ein pickeliger pubertierender Bursche kam auf sie zu gerannt. „Man! That’s<br />

Lursa! Please, daddy, quick, take a picture of her!“, schrie er total überdreht, drängte sich an sie<br />

und vergaß fast in die Kamera zu sehen, weil er von ihrem Dekolletee so hingerissen war. Der<br />

apathische Vater knipste mit seiner Digitalkamera, Lursa starrte böse und klingonisch in die Linse.<br />

„Schnell weg von hier, bevor noch so ein jugendlicher Wichser daherkommt. Das sind die<br />

schlimmsten.“ Ich sah sie ungläubig an. „In diesem Aufzug gehst du auf die Straße?“, fragte ich<br />

sie. „Das ist Vegas, Baby. Außerdem ...“, sie sah prüfend an mir herunter, „… isses auch nicht<br />

schlimmer als mit einem Nachthemd ohne BH, oder?“ Ich errötete. Dass sie mich Baby nannte,<br />

machte die Sache nicht besser. Warum nannten mich hier alle Baby oder Honey? Ist es ein<br />

Kompliment, eine erwachsene Frau als hilflosen Säugling zu bezeichnen? Wir verließen das Hilton<br />

durch die klingelnde und blinkende Spielhalle und traten auf die Straße, geohrfeigt von der brutalen<br />

Mittagshitze. Lursa tat mir Leid in ihrem heißen Kostüm, aber sie schien es stoisch hinzunehmen.<br />

„Ich würde ja gerne mit dir in ein Café gehen, aber so etwas haben wir hier nicht“, sagte sie<br />

achselzuckend. Auf der Straße, dem Strip, sahen uns die Leute verwundert an, aber nicht alle.<br />

Viele gingen vorbei, ohne von der mächtigen Klingonin und ihrer menschlichen Gefährtin mit dem<br />

Nachthemd und den schaukelnden Brüsten Notiz zu nehmen. Nach wenigen Minuten deutete<br />

sie mit einem Kopfnicken auf eine Rolltreppe, die in einen McDonald‘s führte. Ich nickte und wir<br />

fuhren hinauf und betraten das Lokal. Drinnen war es eiskalt und roch nach altem, überhitztem<br />

Fett. Ein paar Leute sahen müde auf, unappetitlich tropfende Burger in sich hineinstopfend oder<br />

scheinbar mittels Trinkhalm fix am Trinkbecher montiert. Strohhalme sind wie zusätzliche, obligate<br />

Mundwerkzeuge an den Mündern der Amerikaner; am dritten Tag in den Staaten begann ich<br />

daran zu zweifeln, dass sie normal aus Gläsern trinken konnten. „Setz dich, ich bring dir eine<br />

Cola“, wies sie mich an. Ich nahm gehorsam Platz auf einem der typisch amerikanischen, die<br />

Wände flankierenden Sitzbänken mit roten Kunstlederbezügen und faltete die Hände. Was tat<br />

ich hier eigentlich? Warum war ich nicht bei Clemens, sondern wartete in diesem kalten,<br />

ungemütlichen Lokal auf eine Klingonin mit vermutlich eiskaltem Coca Cola, das ich normalerweise<br />

gar nicht trank? Außerdem fror ich. Gänsehaut legte sich um meine Schultern wie ein schwerer<br />

Mantel. Lursa kam mit zwei riesigen Pappbechern voll Cola und Eis und stellte einen vor mich<br />

hin. Ich nickte dankend, stützte mich auf die Ellenbogen und sog am Strohhalm. Sie tat das<br />

Gleiche, stöhnte genüsslich nach dem ersten Schluck, lehnte sich zurück und verschränkte die<br />

Arme. „Na, nun zu dir. Was machst du allein in Vegas mit einem Nachthemd in einer Show, die<br />

eine Hausnummer zu groß für dich ist?“<br />

Ich lehnte mich zurück. Etwas an der Frage, und überhaupt an ihrem gesamten bisherigen Verhalten<br />

mir gegenüber ließ mich stutzen, und schließlich schoss mir ein, was es war: sie stellte mir Fragen wie<br />

ein Mann. Sie briet mich an. Ich war etwas verschreckt, beschloss aber, mitzuspielen und mir nichts<br />

anmerken zu lassen. „Ich hab mit meinem Freund gestritten, und es im Hotel nicht mehr ausgehalten“,<br />

sagte ich gedehnt. Sie nickte und ihre Haare wippten mit. „Dachte mir schon so was.“<br />

„Wie heißt du eigentlich wirklich?“, fragte ich. Sie seufzte. „Katharina Manners. Ich bin aus Kiel. Vor<br />

eineinhalb Jahren in die Staaten. Und wie du siehst ...“, sie schüttelte kokett ihre gepanzerten Schultern<br />

und ihren Plastikbusen, „ganz groß rausgekommen.“ Ich blieb ernst. „Wieso bist du weg aus Deutschland?“<br />

Sie zog die Brauen hoch und seufzte. „Meine Schwester war hier und hatte Probleme. Sie ist übrigens<br />

die zweite Duras-Schwester, B‘etor, die jüngere Klingonin. Ist das nicht witzig?“ Sie lächelte kurz.<br />

Vegas, Baby<br />

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