Werktags - ORF

Szenerie, die mich ohnehin beeindruckt, dann fast noch niedlicher. Die Tirolerknödel wären
dann kleine beige Plastikkugeln, die auch wunderbar als Munition für die Kanonen der blauen
Fortsoldaten verwendet werden könnten.
Ich hole mir ein Bier bis die anderen kommen, die noch irgendwie am Wasserstaubsauger
herumbasteln. Durch die rauchvergilbten Fensterscheiben der Kantine, die der Mittagssonne
nur mehr ihren melancholischsten Lichtanteil durchgehen lassen, beobachte ich ihre routinierten
Handlungen. Während ich aus meiner kleinen blauen Playmobilflasche Bier in die verstaubte
Kehle rinnen lasse, saugt Rajab am Schlauch vom Sauger bis das Schmutzwasser wie in einer
Achterbahn über den Hochpunkt im Schlauchinneren dem Rajabmundunterdruck weit genug
entgegengekrochen ist, um sich dann in einem schnellen Sturzbach hinunter auf den Boden
auszukotzen. Zeitgleich spielt sich in meiner Speise- und Getränkeröhre während des
Bierschluckens ganz Ähnliches ab und ich bin gezwungen, mir Analogien vorzustellen. Und
wie das so ist mit Zwangsgedanken, je mehr ich mein Gehirn dagegen konzentriere, umso
mehr wird mir das Bier im Rachen zu dem grauen Dreckgespül, das sich draußen in den Kanal
vor der Kantine ergießt.
Mir ist die Prozedur bereits bekannt – vielleicht mit ein Grund, warum ich so schnell in die
Kantine verschwand, sicher sogar. Mit der Behauptung ich müsse dringend aufs Klo. (Auch
diskretes Drücken vor unangenehmen Tätigkeiten sind im Pseudonym „He Kleine“ angesprochen.)
Solche Details Ekel erregender Arbeit kämen natürlich in der Playmobilarbeitswelt nicht vor.
Das wär sauber. Lauter kleine Männer, anständige, kleine Männer, die immer lächelnd ihre
polierten Maschinen bedienen würden, nur saubere Arbeiten machen müssten, mittags
Tirolerplastikkugeln speisen und stets freundlich mit ihren Trinkbecherhaltehänden winken
würden.
Am Nebentisch sitzt die Orangefraktion richtiger Männer, Straßenarbeiter mit Dreitagebärten.
Die Himbeercreme schlägt sich damit farblich irgendwie: Dieses Rosa, das vielleicht noch zu
den Stadtgärtnermännchen mit grünem Overall am Tisch neben der Tür passt, wird also vor
diesem Orange zu einer abgeschmackten Sache, dass es fast unappetitlich ist. Ihre blassen
Gesichter schauen mürrisch drein, aber nicht wegen der Dessertfarbe, denke ich. Sie würden
natürlich auch lächeln in der Plastikübertragungswelt.
Von den rissigen schwarzbraunen Fingern werden die kleinen Löffel in die zarte Himbeercreme
hineingesteckt und zu einem Spitzmündchen geführt, das sich also auch furchtbar mit dem
Gesamtbild nicht verträgt. So ein gegerbtes Gesicht sollte kein Spitzmündchen machen. Kann
man denn nicht Himbeercreme authentischer essen? Arbeitermässig?
Der Spitzmund würde bei den Spielzeugmännchen mit der glatten Gesichtshaut und den
unverbrauchten Gesichtszügen besser passen. Das Löffeln könnte mit den
Trinkbecherhandwinkeln allerdings auch Probleme machen, stelle ich mir vor.
Ich wende meinen Blick ab und beginne die Kantine nach neuen Opfern für mein Spiel
abzusuchen, das Playmobilkantinenspiel: „Geöffnet an allen Werktagen außer Samstag“ und
„Mahlzeit“ steht auf einem Papierplakat über dem Buffet – über „Rosis Buffet“ – mit rotem
Filzer aufgetragen in dicken ausgemalten Lettern und einem Herz über der Rosi. Hier wird
noch Mahlzeit gesagt, nicht das Vegetarier-ist-deins-auch-gut meiner üblichen Umgebung.
Wie romantisch. Echte kleine Männchen eben, die noch Mahlzeit sagen.
Die Stadtgärtner sitzen mit breiten Ellenbogen abgestützt am Tisch, der mit seinem schweren
Eichenholzrustikallook für die statischen Anforderungen gerade klobig genug zu sein scheint.
Wie das Holz sind auch die Gärtnerstimmen dunkel, die Gespräche etwas ungehobelter. Als
ihre Playmobilentsprechungen wären sie richtig natürliche Gärtner, froh von der Arbeit an der
frischen Luft und zufrieden hungrig.
verkehren werktags
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