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zusammen, was soll man schon sagen, wie Blutsbrüder, Paul ist einer von uns. Er ist einer wie<br />
wir.<br />
„Ja?“, fragt die Barfrau.<br />
„Ja“, sagt Paul, „genauso ist das.“<br />
Jetzt weiß die Barfrau es auch. Dann bringt sie uns Whiskey, Gläser, Cola und Bier an unseren<br />
Tisch, weil wir ein Fest feiern: Es ist etwas mit Liebe passiert, wir haben uns wieder getroffen,<br />
wir Blutsbrüder, und die Barfrau weiß jetzt, wer wir sind. Das sind einige Gründe. Paul stellt<br />
es sich vor. Draußen wird es langsam dunkel, die Straßen werden ruhiger und die Busse fahren<br />
irgendwann leer durch die Stadt. Unser Lokal aber ist jetzt voller Leben, Menschen kommen<br />
und gehen und die Musik wird lauter, mischt sich mit ihren Stimmen, rinnt durch ihre Gesichter,<br />
tropft in ihre Gläser, während ein Gesicht mit dem anderen spricht. Wir trinken Whiskey mit<br />
Cola, nehmen dazwischen einen Schluck Bier. Der Abend hat gerade erst begonnen und wir<br />
wissen noch nicht, was sonst noch alles passiert. Die Barfrau steht hinter der Theke. Manchmal<br />
lächelt sie, manchmal blickt sie zu uns herüber. Wir sehen Paul und er sieht nur sie. Sie weiß,<br />
wer wir sind.<br />
„Wir werden jetzt etwas erleben“, sagt der schöne Mensch.<br />
Der Coder sagt: „Wir werden ein bisschen Schönheit und Chaos verbreiten.“<br />
Dann hält der schöne Mensch dem Coder die Whiskeyflasche über den Mund und denkt der<br />
Coder an Prädikatenlogik und die nichteuklidische Geometrie, während er trinkt. Er fühlt sich<br />
der Weltformel sehr nahe und der Rest der Whiskeyflasche entleert sich in einem Zug. Dann<br />
beginnt der schöne Mensch zu sprechen und findet passende Wörter, um die Freundschaft<br />
der Liebe, die Liebe der Freundschaft zu beschreiben. Wir sehen Paul und Paul sieht die<br />
Barfrau. Sie findet es wunderbar, was hier passiert. Es ist unglaublich romantisch. Wir bestellen<br />
noch Whiskey und Bier.<br />
„Ja“, sagt Paul, „genauso ist das.“<br />
Er ist jetzt betrunken und glücklich, trinkt sein Glas aus, steigt auf seinen Sessel, dann auf<br />
unseren Tisch. In der Welt, in der wir Paul sehen, passieren Dinge gleichzeitig und überall,<br />
irgendwo, hier und dort, aber wir betrachten nur noch Paul und die Barfrau und sehen nichts<br />
weiter, die Wüste Gobi, Panama, der große Ozean, ein Flusskrokodil und ein weinendes Kind,<br />
was soll man schon sagen, ein alter, fast schon erblindeter Mann am anderen Ende der Welt<br />
setzt sich seine Brille auf und sieht, wie die Welt vor seinen Augen verschwimmt.<br />
„Das sind meine Freunde“, sagt Paul auf dem Tisch stehend, „wir sind wie Blutsbrüder, wir<br />
feiern ein Fest.“<br />
Wir prosten Paul zu und er beginnt, vor uns zu singen. Die Menschen an den anderen Tischen<br />
drehen die Köpfe, sie lachen und sehen Paul an. Auf dem Tisch stehend, mit ausgebreiteten<br />
Armen singt er von den Augen der Barfrau, der Schönheit ihrer Wangen, ihrer Lippen, dem<br />
Duft ihrer Haut. Er sieht die Barfrau und die Barfrau sieht ihn. Jetzt weiß sie, dass er sie liebt.<br />
Es fehlt nur noch ein Chor, der mit einstimmt, weshalb der Coder sein Bier austrinkt, durch<br />
die Tischgruppen geht und die Arme wie Paul hebt, damit die Menschen mit ihm zu singen<br />
beginnen, in mehreren Chören, in Variationen, in Männer- und Frauenstimmen geteilt und alle<br />
verstehen, wie sehr die Liebe dem Wesen der Barfrau entspricht. Der Coder steht zwischen<br />
den Menschen, dirigiert nach einem mathematisch-musikalischen Takt und die Menschen sind<br />
glücklich. Wir bestellen bei der Barfrau noch mehr Whiskey und Bier. Als sie an den Tisch<br />
kommt, streckt Paul eine Hand nach ihr aus. Er berührt ihre Finger, zieht sie zu sich hinauf.<br />
Dann steht sie vor ihm. Sie atmet ein und atmet aus. Er spürt sie ganz nah.<br />
Das alles passiert jetzt.<br />
„Ja?“, fragt die Barfrau.<br />
Wir sehen Paul. So ist das. Wir sehen uns an.<br />
„Ja“, sagt Paul, „genauso ist das.“<br />
Etwas von Paul<br />
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