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antisemitismus in vorarlberg - Johann-August-Malin-Gesellschaft

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Judenfrage zunehmend als Rassenfrage begriff und sich besonders<br />

gegen die emanzipierten Juden richtete (30). Gerade die<br />

Identifikation von Judentum und Modernität hat dem Antisemitismus<br />

soziologisch wie ideologisch das Profil e<strong>in</strong>er Protestbewegung<br />

gegen "1789", also die Ideen e<strong>in</strong>er liberalen <strong>Gesellschaft</strong>sordnung,<br />

gegeben (31).<br />

Sicher waren die von der neuen gesellschaftlichen Dynamik<br />

bedrohten konservativen Eliten, vor allem der Adel und der alte<br />

Mittelstand, entscheidende Träger der antidemokratischen Stoßrichtung<br />

des Antisemitismus (32). Doch es ist ebenso offensichtlich,<br />

daß auch l<strong>in</strong>ke, antikapitalistische Sozialagitation auf der<br />

Basis des Antisemitismus versucht wurde (33), zumal sich von<br />

den Frühsozialisten bis <strong>in</strong> die sozialistische Bewegung des ausgehenden<br />

19. Jahrhunderts antisemitische Denkhaltungen verfolgen<br />

lassen. Im übrigen aber war der Antisemitismus für die<br />

sozialistische Arbeiterbewegung ke<strong>in</strong> Thema, sondern lediglich -<br />

wie Friedrich Engels es 1890 formulierte - "e<strong>in</strong>e Reaktion mittelalterlicher<br />

untergehender <strong>Gesellschaft</strong>sschichten gegen die modeme<br />

<strong>Gesellschaft</strong>" (34). Das hat freilich nicht verh<strong>in</strong>dert, daß der<br />

Antisemitismus <strong>in</strong> die Propaganda der Sozialdemokratie zum<strong>in</strong>dest<br />

<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es ''bed<strong>in</strong>gten Reflexes" - wie es Leopold Spira<br />

formuliert hat - E<strong>in</strong>gang fand. Wenn auch die Sozialdemokratie,<br />

zumal <strong>in</strong> Österreich, vom Gebrauch des Antisemitismus als e<strong>in</strong>es<br />

politischen Kampfmittels weit entfernt war, so schien gerade <strong>in</strong><br />

der Zwischenkriegszeit paradoxerweise der Antisemitismus doch<br />

gut genug, um damit die Antisemiten zu bekämpfen; Die Denkfigur<br />

war simpel und zwiespältig zugleich: Man wollte die Antisemiten<br />

unglaubwürdig machen, <strong>in</strong>dem man sich über ihre -<br />

meist geschäftlichen - Verb<strong>in</strong>dungen zu Juden lustig machte (35).<br />

Der Antisemitismus <strong>in</strong> der zweiten Hälfte des 19. und der<br />

ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war ke<strong>in</strong>eswegs mit ger<strong>in</strong>geren<br />

Heilserwartungen aufgeladen, als dies bei se<strong>in</strong>en mittelalterlichen<br />

Vorläufern der Fall gewesen war. Es deutet vielmehr alles<br />

darauf h<strong>in</strong>, daß die Bilder e<strong>in</strong>es apokalyptischen Endkampfes,<br />

der gegen die Juden ausgetragen werden müsse, recht ungebrochen<br />

tradiert wurden, nicht zuletzt von namhaften Vertretern<br />

gerade der europäischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts (36).<br />

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