Fokus Volksschule Mittelschule Berufsbildung Weiterbildung Agenda Amtliches Stellen Podium Porträt Fokus im Sinne vonHerrn Wolfensberger,die das Interesse der Kinder ansprechen und Verknüpfungen mit der Lebenswelt ermöglichen sollen. Aber das sind Aufgaben, die sehr schwierig zu erteilen sind. Und der zweite Aspekt? Ulrich Landis: Dieser betrifft eine Hauptfunktion der Hausaufgaben, das ist genau das,was verächtlich als Drill bezeichnet wird: Vokabular üben ist beispielsweise eine geeignete Hausaufgabe. Inder Schule werden Prozesse,Arbeitsweisen besprochen, da benutzt man die Möglichkeiten des Miteinanders. Dann gehen die Schülerinnen und Schüler nach Hause und verrichten individuelle Arbeiten. Dazu gehört auch das Einprägen vonWörtern. Frau Bachmann, Herr Wolfensberger engagiert sich sehr ambitioniert in der Elternmitwirkung. Ist ein solch elterliches Engagement ein Problem für Sie? Georgina Bachmann: Nein, Elternmitwirkung ist erwünscht. Aber es gibt auch eine Grenze –auch bei den Hausaufgaben. Ich erlebe oft, dass die Eltern das Gefühl haben, sie wüssten am besten, wie es in der Schule zugehen müsste. Man sollte deshalb genau klären, wie weit die Elternmitwirkung gehen soll. Ich erwarte von den Eltern Respekt vor meiner Arbeit; ich habe eine pädagogische Ausbildung. Anunserer Schule handhaben wir das so,dass Eltern ihre Anliegen via Elternforum einbringen können. Rolf Wolfensberger: Also wenn zwei Lehrpersonen das Thema Walfisch nacheinander durchnehmen, dann muss ich mir als Vater zutrauen zu sagen, bitte,das ist einmal zu viel. Georgina Bachmann: Gut, darüber müssen wir gar nicht diskutieren. Dennoch: letztlich muss ich als Lehrperson die Verantwortung übernehmen. Ulrich Landis: Ja,amSchluss muss jemand die Verantwortung haben, und das ist die Klassenlehrperson. Aber die Sachdiskussion mit den Eltern soll man ja trotzdem führen. Georgina Bachmann: Ja, klar. Ich kenne viele engagierte Väter wie Herrn Wolfensberger, ich unterrichte im Kreis 7. Ich bin froh um solche Sachinputs. Wenn ich weiss, der Vater oder die Mutter eines Kindes hat Interesse zu einem passenden Schulthema aus dem Berufsalltag zu erzählen, werde ich diese Person gerne zu einem Vortrag einladen. Aber: Ich ärgere mich, wenn der Respekt vor mir als Fachperson nicht da ist. Es gibt aber nicht nur engagierte Eltern… Georgina Bachmann: Ja, esgibt Eltern, die lassen es einfach laufen, die kümmern sich nicht darum. Dort braucht es eher die Initiative vonseiten der Lehrperson. Dann muss sie eine Lösung anbieten. Das kann ein Hortangebot sein, oder auch, dass das Kind die Aufgaben nach dem Unterricht in der Schule macht, vielleicht findet sich gar ein anderes Kind, bei dem zu Hause es die Arbeiten erledigen kann. Die einen Eltern wollen sich engagieren, fordern mehr Hausaufgaben, die andern fühlen sich bedrängt. Führt das letztlich nicht zu einer weiteren Öffnung der Schere zwischen Kindern aus bildungsnahen und solchen aus bildungsfernen Familien? Georgina Bachmann: Wenn die Eltern den Kindern die Hausaufgaben abnehmen, dann wird die Schere sich immer weiter öffnen. Aber wenn die Kinder die Hausaufgaben auch im Sinne des Lehrplans ohne die Hilfe der Eltern erledigen, dann muss sich die Schere nicht unbedingt weiter öffnen. Ulrich Landis: Da bin ich anderer Meinung: Hausaufgaben haben die Tendenz, die Bildungsschere weiter zu öffnen, weil die Bedingungen für die Kinder extrem ungleich sind. Das zu negieren macht keinen Sinn. Deshalb ist wichtig, dass für diese Kinder entsprechende Tagesstrukturen zur Verfügung stehen. Es gibt wirklich Kinder, die keine Möglichkeit haben, zu Hause in Ruhe ihre Hausaufgaben zu lösen. Georgina Bachmann: Aber das hat direkt nichts mit den Hausaufgaben zu tun, sondern mit den generellen Rahmenbedingungen zu Hause. Letzte Frage, wenn Sie punkto Hausaufgaben je einen Wunsch formulieren könnten, welcher wäre dies? Georgina Bachmann: Mein Wunsch an die Eltern ist, dass sie sich möglichst rasch in der Schule melden, wenn sie sehen, dass ihr Kind Mühe mit den Aufgaben hat. Und dass sie keine Angst haben, dass dies irgendwelche negative Folgen auf die Beurteilung ihres Kindes hat. Rolf Wolfensberger: Ich wäre sehr glücklich, wenn die Lehrpersonen erkennen würden, dass die Hausaufgaben sehr wichtig sind in der Beziehung zu den Eltern, und sie sich mit diesen vermehrt darüber austauschten. Ich bin sehr dankbar, wenn Lehrpersonen individuelle Hausaufgaben erteilen, wobei ich weiss, dass der Aufwand sehr gross ist. Aber ich bin überzeugt, dass die Qualität der Aufgaben sich dadurch erhöhen würde. Ulrich Landis: Mein Wunsch ist, dass man die mit den Hausaufgaben geleistete Arbeit der Kinder und Jugendlichen richtig würdigt. Ein Merkmal guter Hausaufgaben ist, dass alle Beteiligten –Kinder, Eltern und Lehrpersonen –wissen, welche Erwartungen damit verbunden sind. Zentral ist die Wertschätzung gegenüber der geleisteten Arbeit des Kindes.Wenn Eltern und Lehrpersonen diese Arbeit nicht entsprechend zur Kenntnis nehmen, verlieren sich Motivation und Wirkung. Zu den Personen Georgina Bachmann ist Primarlehrerin an einer 4.–6. Mehrjahrgangsklasse in der Stadt <strong>Zürich</strong>, Co-Präsidentin des MLV (Mehrklassenlehrer und -lehrerinnen Verband), Geschäftsleitungsmitglied des ZLV, wohnhaft in der Stadt <strong>Zürich</strong>. Ulrich Landis ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter auf dem Volksschulamt, dort zuständig für Unterrichts- und Lehrplanfragen. Er hat mehr als dreissig JahreSchulpraxis als Klassenlehrer, Schulischer Heilpädagoge und Schulleiter; er ist Vater von vier Söhnen und wohnhaft in Schönenberg. Rolf Wolfensberger ist selbstständiger Architekt, Vater von vier Söhnen, Co-Präsident der Vereinigung der Elternorganisationen im <strong>Kanton</strong> <strong>Zürich</strong> und Kreisschulpflegemitglied, er wohnt in der Stadt <strong>Zürich</strong>. Schulblatt des <strong>Kanton</strong>s <strong>Zürich</strong> 5/2008 7
Fokus Wichtig für gutes Lernen ist ein Hausaufgabenplatz, an dem sich ein Kind wohl fühlt. Wie sehen die Schreibtische von Schülerinnen und Schüler heute aus? Der Fotograf Fabio Pirovino hat sich auf die Suche gemacht. Im Bild: Der Lernort der Mittelstufenschülerin Lena, 11-jährig. 8 Schulblatt des <strong>Kanton</strong>s <strong>Zürich</strong> 5/2008