Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe
Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe
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<strong>Phaethon</strong><br />
S<strong>ein</strong> flammendes Auge suchte nicht mich,<br />
sondern all<strong>ein</strong> den Sieg.<br />
Philos<br />
Dann wirst du ihn enttäuscht haben! Wer mag<br />
mit dir kämpfen, wenn er nicht s<strong>ein</strong>e ganze<br />
Geschicklichkeit durch d<strong>ein</strong>e kraftvolle<br />
Gegenwehr erproben darf?<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Vergleich´ er sich doch mit mir in der Art s<strong>ein</strong>es<br />
Willens und zu welchem Ziel er sich geschaffen<br />
fühlt - : was er Großes vorhat! Unsere Lehrer<br />
sollen das Urteil fällen!<br />
Philos<br />
Sie möchten in dir die Mutter ehren, von der du<br />
mir immer das Beste erzählst, wenn du solche<br />
Kühnheit im Denken vorweist und für d<strong>ein</strong><br />
Leben durchsetzen willst.<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Erst recht die Schwestern würden sie – ungewollt<br />
– ehren, Philos!<br />
Philos<br />
Deren Schönheit habe ich rühmen hören – aber<br />
noch mehr ihre Unnahbarkeit.<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Wundere auch du dich nicht, dass sie sich<br />
vorläufig zurückziehen, sobald Fremde<br />
ersch<strong>ein</strong>en: Sie wollen niemandem Hoffnungen<br />
erwecken, den sie nicht mögen.<br />
Sind sie so spröde?<br />
Philos<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Sie erforschen das Herz – nichts weniger!<br />
Philos<br />
Sie m<strong>ein</strong>en, das reiche aus?<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Das weiß ich nicht. Freier kenne ich jedenfalls<br />
noch k<strong>ein</strong>e für sie. Allerdings hält sie ihre Natur<br />
reichlich jung.<br />
Philos<br />
Trotz der Heiterkeit, die aus d<strong>ein</strong>en Worten<br />
blitzt, klopft mir das Herz. Wer sind sie<br />
wirklich?<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Am klügsten ist es, sie als fremde Wesen zu<br />
betrachten, um nicht enttäuscht zu werden.<br />
Philos<br />
Dann sind d<strong>ein</strong>e Schwestern Nymphen und <strong>ein</strong>er<br />
Nymphe Kinder – wie du?<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Mit <strong>ein</strong>em wesentlichen Unterschied zu mir.<br />
Philos<br />
Wir zwei sind sterblich, nicht wahr?<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
(<strong>Phaethon</strong> nickt)<br />
Philos<br />
(mit leisem Spott)<br />
Dann hast du <strong>ein</strong>en bedeutenden Vorzug: Wir<br />
nehmen unser kl<strong>ein</strong>es Glück als unverhofftes<br />
Geschenk. Wir müssen, um es überhaupt<br />
verdient zu haben, vor dem Allwissenden in<br />
schönen Gedanken und hohem Handeln<br />
wetteifern. Denn die Götter messen uns nicht an<br />
der Fülle unseres ausgeschöpften Glückes,<br />
sondern an der Gesinnung, mit der wir ihr<br />
Geschenk verwalten. Selbst der Unglückliche<br />
darf hoffen, nach s<strong>ein</strong>en Fähigkeiten bestrebt<br />
gewesen zu s<strong>ein</strong>. Darf uns <strong>ein</strong>e Gottheit neiden,<br />
was sie uns ohnehin vorübergehend überließ?<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Was aber, wenn wir das Gute nicht erkannt und<br />
es vertan haben?<br />
Philos<br />
Der Blinde ist nicht zu strafen, weil er´s nicht<br />
sieht, sondern er macht sich schuldig, wenn er<br />
versäumt, sich zum Guten leiten zu lassen.<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Quält uns aber nicht unser Gewissen, auch wenn<br />
wir unschuldig genannt werden?<br />
Philos<br />
Dann beklagst du nicht eigenen Verlust!<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Ja, Philos – hier liegt die Ursache m<strong>ein</strong>es<br />
Zögerns: Oft hätte man zu Gunsten anderer<br />
entscheiden können, wo man´s lieber versäumt<br />
oder sich gar nicht getraut hat.<br />
Philos<br />
Zögerst du deshalb, weil du dich nicht übereilt<br />
und zum eigenen Gewinn verteidigen willst?<br />
Hältst du deshalb den Streich aus, den du hättest<br />
abwehren müssen?<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
M<strong>ein</strong>e Tat ist nie r<strong>ein</strong>, solange mir das Gewissen<br />
zum Gegenteil rät. Ich weiß: Man wird über<br />
mich lachen, wenn man davon erfährt.<br />
Philos<br />
Erträgst du es, wenn es wenigstens d<strong>ein</strong>e<br />
Freunde wissen?