Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe
Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe
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Nereide<br />
Dryade – ich bin hier die Älteste: Genug des<br />
Schabernacks! Nimm Formen an, die wir<br />
umfassen können!<br />
Dryade<br />
(sich in <strong>ein</strong>e Nymphe verwandelnd)<br />
Oh – schade! Wo mir das Spiel so gut gefiel!<br />
(Sie tritt in den Kreis und wird von allen<br />
begrüßt)<br />
Oreade<br />
Jetzt fühle ich den Tag die Glieder schon<br />
durchwärmen.<br />
Najade<br />
(die Hand gegen die Sonne haltend)<br />
Ja, rosig schimmert mir die Haut, und jene nahe<br />
Quelle hier beim Hause hör´ ich wieder durch die<br />
Büsche.<br />
Oreade<br />
Wie Schnee, der taut, schmilzt mir das Leben <strong>ein</strong><br />
zu grünen Fluren, und Blumen fühl´ ich sprießen<br />
zwischen Felsgest<strong>ein</strong> und auf den weiten<br />
Wiesen.<br />
Nereide<br />
Und majestätisch rollt die Welle froh zu<br />
altgewohnten Ufern.<br />
Dryade<br />
Blätter rauschen mir neuen Traum: Verwandle<br />
dich, du heit´re Nymphe – belebe diesen Garten<br />
mit dem Wispern und dem Scherzen d<strong>ein</strong>er<br />
Stimme!<br />
Dryade - !<br />
Oh!<br />
Nereide<br />
Dryade<br />
(beschämt)<br />
Nereide<br />
(Echo um die Schulter fassend, sie anlächelnd)<br />
Was sagt nur dir die Stunde, Echo?<br />
Echo<br />
(seufzt)<br />
Wir möchten´s kaum glauben, aber ich höre die<br />
Bäche rauschen, den Wind säuseln, die Kreatur<br />
sich bekriegen, finde das Meer Ertrunkene<br />
wiegen – es hat sich zu nichts Bedeutungsvollem<br />
geändert. Ach, Nereide, warum fragst du mich?<br />
Ich komme und gehe, und der Tag hat mich nur<br />
begrüßt. Helios erwärmt und hütet m<strong>ein</strong>e<br />
Locken, bis sie Selene, die Köstliche, mit <strong>ein</strong>em<br />
kalten Hauch umgürtet. Und doch ist alles<br />
Leiden noch Leben, noch Hoffnung und mäßiger<br />
Gebrauch von der Liebe, die uns kitzelnd reizt<br />
und hernach mit ihrem grausigen Stachel tötet!<br />
Nereide<br />
Ich will Poseidon bitten, dass er den Schiffen<br />
günstig sei.<br />
Oreade<br />
Ich will Pan anflehen, dass er dir freundliche<br />
Töne spielt, wenn er in d<strong>ein</strong>e Nähe kommt. Und<br />
auch Aphrodite will ich ersuchen, dich zukünftig<br />
nicht zu übersehen.<br />
Echo<br />
Sag´ Eros, er soll mich nicht wieder aufsuchen.<br />
Ach, dann ist mir wohler!<br />
Oreade<br />
Denke doch: Dies soll der Tag nicht s<strong>ein</strong>, an dem<br />
du ins Unglück gestürzt worden bist!<br />
Echo<br />
Heute – n<strong>ein</strong>! Doch dämmert mir <strong>ein</strong> ähnliches<br />
Verhängnis, das ich zu verhindern suchte. –<br />
(sich erinnernd)<br />
Ja, jetzt weiß ich´s: War es nicht <strong>Phaethon</strong>, dem<br />
es noch übler ergangen ist als mir?<br />
Najade<br />
<strong>Phaethon</strong> – ja! Er war´s, dessen Stimme ich<br />
gehört habe. Hieß er uns nicht rufen?<br />
Echo<br />
So lebt er? M<strong>ein</strong> Bruder – lebt?<br />
(freudig erregt)<br />
Dryade<br />
Mir gar nicht fern, erweckte mich s<strong>ein</strong><br />
Zwiegespräch – es kann nicht anders s<strong>ein</strong>: Er ist<br />
zurückgekommen!<br />
Echo<br />
(zu Nereide und Oreade)<br />
Sagt, Schwestern, ihr auch: Lebt <strong>Phaethon</strong> doch?<br />
Nereide<br />
Aus der Erstarrung stieg ich aus den Fluten .Auf<br />
den Wellen lag <strong>ein</strong> metallischer Glanz, und die<br />
Fische ängstigten sich und flohen in kühlere<br />
Tiefen. Ich sage dir: Er ist´s!<br />
Dryade<br />
Sag´, Nereide, was hat dies zu bedeuten?<br />
Najade<br />
Fällt´s euch nicht <strong>ein</strong>? An <strong>ein</strong>em gleichen Tag<br />
wie jetzt, und fast zur gleichen Stunde,<br />
plauderten wir im Garten, hier, als <strong>Phaethon</strong> zu<br />
uns kam mit ebenso vielen Gefährten, wie wir<br />
Schwestern sind. Wir verbargen uns im Gebüsch,<br />
als sie herbeitraten.<br />
Oreade<br />
Oh ja, und herrlich fanden wir es, sie zunächst zu<br />
necken ....