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Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe

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zu vergessen!<br />

Vergessen! Kann dich je <strong>ein</strong> gottgewolltes<br />

Wesen<br />

im Chaos d<strong>ein</strong>es hohnerfüllten Ruhmes<br />

übersehen?<br />

N<strong>ein</strong>: Leichtsinn, Großmannssucht war´s nicht!<br />

Es war, <strong>ein</strong>mal im Leben vor die Wahl gestellt,<br />

d<strong>ein</strong> ganzes Ich, das in der Flamme sich<br />

verzehrte.<br />

Nun ist, mit diesem Weltenbrand, der Glaube<br />

Wohnung auch vernichtet und verschwelt, und,<br />

nutzlos, hebt k<strong>ein</strong> frommer Grieche zu s<strong>ein</strong>en<br />

Göttern die Hände zum Gebet. Er flehte doch zu<br />

st<strong>ein</strong>geword´nen<br />

schönen Toten, nicht zu lebensrettendem Gewinn<br />

der trüben Seele!<br />

Oh, <strong>Phaethon</strong>, kehrte je das Leben dir zurück,<br />

wie wollt´ ich m<strong>ein</strong>e Schläfe an der Schulter dir<br />

bei scherzendem Geplauder ruhen lassen! Ach,<br />

striche nur noch <strong>ein</strong>mal d<strong>ein</strong>e sanfte Rechte<br />

das lockenschwere Haar mir aus der Stirne,<br />

und jeden Kuss, den du mir schenktest, wollt´ ich<br />

sehnsuchtsvoll erwidern – ach,<br />

nun kommst du lebend nie zurück?<br />

Du liegst so kalt! Auch mir gefriert das Leben,<br />

das langsam sich von dannen stiehlt,<br />

den Körper abermals zu düsterem Felsgest<strong>ein</strong>.<br />

Mir ist so kalt! Ach, <strong>Phaethon</strong>, liebster Bruder –<br />

kalt - ist - alles ....<br />

(in die Felswand zurücktretend, zu St<strong>ein</strong><br />

werdend)<br />

Fünfter Auftritt<br />

(Jahrtausende führen Eos heran)<br />

Eos<br />

Ihr namenlosen Schwestern! Sagt, ruht m<strong>ein</strong><br />

<strong>Phaethon</strong>, m<strong>ein</strong> Gemahl, an dieser Stätte?<br />

Kenn´ ich sie doch! Ist das hier nicht<br />

Klymenes Garten? Er ist es doch!<br />

Nur – will mich k<strong>ein</strong>er mehr begrüßen?<br />

(Die Jahrtausenden gehen stumm)<br />

Sechster Auftritt<br />

Eos<br />

Verlasst ihr mich? Ist das euer Vermächtnis, dass<br />

ihr mich lehrt, <strong>ein</strong>sam unsterblich zu werden? Oh<br />

ja, die alten Götter traten ab; <strong>ein</strong> Frevel häuft<br />

sich zum nächsten, und wellenartig riss es alles<br />

mit hinab. Ist´s nicht so? N<strong>ein</strong>?<br />

Da raucht nun Hellas´ Pracht – <strong>ein</strong> göttergleiches<br />

mächtiges Geschick – als käm´ es aus der<br />

Fremde! Zerrissen ist das duftige Gespinst des<br />

alten Glaubens!<br />

Bleib´ ich all<strong>ein</strong> zurück? – Bin ich das Letzte ...?<br />

Was kann mir vorbehalten bleiben, wenn die<br />

Erde <strong>ein</strong>stmals verkohlt, entmenscht?<br />

Wem soll ich glühen, rosenfingrig Hoffnung<br />

senden? Wen soll ich grüßen -–und von wem?<br />

Was halt´ ich hier noch in der Hand?<br />

Ein Faden ist´s – den <strong>Phaethon</strong> Lachesis entriss!<br />

Ja, du ergriffest d<strong>ein</strong> Geschick mit kühner Hand,<br />

beendetest das ungewisse Jetzt!<br />

Zwar bist auch du nicht mehr! Du hattest mich<br />

zu Höherem erheben sollen als zu bloßer Liebe,<br />

mich von gewohnter Sinnlichkeit<br />

hinaufzulocken!<br />

Den Faden werf´ ich fort – du wolltest ihn ja<br />

auch nicht mehr. Und dennoch weiß ich, dass du<br />

leben musst!<br />

In vielen Seelen wirst du wiederkehren.<br />

Nur in der unbeirrten steten Wiederholung d<strong>ein</strong>es<br />

Opferwillens liegt der Sinn: Nach höchster<br />

Menschlichkeit zu fordern und zu leben, so will<br />

ich s<strong>ein</strong>, was du nicht werden durftest! D<strong>ein</strong><br />

Schicksal ist so wenig nutzlos wie das Sterben<br />

jener Menschen, die die stumpfe Welt verkennt<br />

und die sie doch so heilsam zu durchforschen<br />

wussten.<br />

Wehe dem Volk, in dem das Ringen <strong>Phaethon</strong>s<br />

ohne Widerhall verklingt und schlimmem<br />

Gleichmut unterliegt!<br />

Es ist nicht wert, dass auch nur <strong>ein</strong>e große Seele<br />

darum bangte!<br />

Wo du nicht fragst, woher du kommst, wozu du<br />

bist, wohin du gehen wirst, oh Mensch, da wird<br />

k<strong>ein</strong> Gott dir d<strong>ein</strong> erkaltetes Gewissen rühren,<br />

und niemals wirst du <strong>Phaethon</strong>s raschen Tod<br />

begreifen!<br />

Was auch die Welt erschaffen hat und hält: Es<br />

stelle mich, die Morgenröte, als Symbol der<br />

Treue zu allem täglich ins Geschehen, was zu<br />

Bess´rem hoffen lässt! Ich will <strong>ein</strong> Freund s<strong>ein</strong>,<br />

wem der Tag<br />

beginnt mit heißer Herzensglut,<br />

will Trost ihm leuchten, wenn er sich in<br />

Einsamkeit begreift, wo er die Welt umarmen<br />

wollte, ich will ihm lächeln, wenn die Kreatur<br />

das Herrliche, das Ahnen<br />

in ihm verkennt, will schmeichelnd röten, wo der<br />

Gram ihn blasser krankt, will Hoffnung strahlen,<br />

wo Verzweiflung wuchert, will ruhelos den<br />

Einzelnen erwarten, wenn ihn die Menge frech<br />

verstößt – ich will ihm Zeichen s<strong>ein</strong> für alles,<br />

was ihn weit erhebt zu großem Sehnen, <strong>ein</strong><br />

ewiger Bruder m<strong>ein</strong>es Gatten <strong>Phaethon</strong>, den ich<br />

finden möchte, soll er werden! - -<br />

Der Gram zerfrisst m<strong>ein</strong> Selbst! Nicht <strong>ein</strong>e<br />

Nymphe, nicht <strong>ein</strong> Mensch, der mich zu<br />

<strong>Phaethon</strong> führen könnte?<br />

(Sie schaut angestrengt um sich,<br />

entdeckt <strong>Phaethon</strong>s Leiche hinter sich)<br />

Eos

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