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Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe

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Du kamst so ohne Hoffnung her zu mir!<br />

Doch ruhig fußest du auf d<strong>ein</strong>er Würde.<br />

Wenn dich doch auch Klymene sehen könnte!<br />

(Er bricht in Tränen aus, das Haupt schützend.<br />

Endlich, sich fassend)<br />

Ich wusste ja, bevor du kamst, was kommen<br />

und mich zum größten Vater fordern würde!<br />

Was darf ich handeln, wenn ich handeln muss?<br />

Ach, an den Busen will ich m<strong>ein</strong>en Sohn<br />

dies <strong>ein</strong>e, letzte Mal mit Inbrunst pressen!<br />

(Sie umarmen <strong>ein</strong>ander)<br />

Nun höre, höre, <strong>Phaethon</strong>: Niemand soll<br />

je wieder m<strong>ein</strong>er Rosse Zügel fassen,<br />

wenn ich nicht selbst! Doch diesen <strong>ein</strong>en Tag<br />

sei´s dir erlaubt: Ich wüsste k<strong>ein</strong>en Bess´ren!<br />

Ach, liebster <strong>Phaethon</strong>, wissen wir´s doch beide:<br />

Nicht lebend sehen sich die Besten wieder!<br />

Doch was ich dir versprach, das sei gehalten,<br />

und flössen selbst Jahrtausende dahin!<br />

Lass´ dir zuvor erst den Palast des Vaters<br />

noch zeigen. Sieh, hier stehen die Getreuen,<br />

die Horen Lenz und Sommer, Herbst und Winter,<br />

Jahrtausende, die vielen an der Zahl.<br />

Gespannt, erstrahlt die Kuppel schon, wenn Eos<br />

die Tore, eh´ ich selbst ersch<strong>ein</strong>e, öffnet.<br />

Komm, Schwester, führe du den Bräutigam<br />

noch <strong>ein</strong>mal sicher, Hand in Hand, durch d<strong>ein</strong>es<br />

Geliebten Heimatfeste, denn er ist<br />

in s<strong>ein</strong>er Sehnsucht endlich nun zu Haus.<br />

Umarmt euch, küsst euch – ja, doch w<strong>ein</strong>et nicht!<br />

Ist erst die Angst hinweg, so fallen Schranken.<br />

Der Fuß wird leicht, das Leben knüpft die<br />

Fesseln<br />

behende selbst sich ab und steigt zum Licht.<br />

Nun ist es hier – will nicht betrauert werden.<br />

Du bist gewachsen, seit ich dich zuerst<br />

gesprochen. Jetzt, am Gipfel d<strong>ein</strong>er Größe,<br />

m<strong>ein</strong> <strong>Phaethon</strong>, wirst du künftig nicht verzagen.<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Es ist nicht Angst: Ich tat ihr vorhin Unrecht;<br />

Nun schmerzt mich sehr, ihr wehgetan zu haben!<br />

Helios<br />

Ist recht!<br />

Kommt nur, ihr müsst euch trennen! – Eos! Eos!<br />

(Er legt den Arm um die laut Schluchzende)<br />

Eos<br />

Wie sollen wir´s im Kopf ergrübeln können,<br />

was unser Herz vor Qual nicht mehr erfassen<br />

kann?!<br />

Wie bangte ich, niemals mehr zu enttäuschen,<br />

dem Liebsten niemals irgend weh zu tun!<br />

Nun steht er hier, dem Leben sich zu künden,<br />

das ihn auf Erden nicht erfüllen durfte.<br />

Du hattest alles längst dies überschaut<br />

Und hast mich nicht gewarnt – du schwiegest<br />

auch!<br />

Oh, Fluch dem Wort, das ungesprochen bleibt,<br />

denn Schweigen lindert nicht – es muss das<br />

Unheil,<br />

dem Schwelbrand gleich, nach innen hin<br />

vergrößern!<br />

Helios<br />

Zum Trost gelobt´ ich euch des Hoffens<br />

Wiederkehr<br />

und die Gelegenheit, vor aller Welt<br />

in diesen wen´gen Augenblicken ganz<br />

den Umfang und die Tiefe eurer Liebe<br />

noch <strong>ein</strong>mal unerschütterlich zu nennen.<br />

(Er hält ihr den geknüpften Faden hin –<br />

Eos ergreift ihn zögernd)<br />

Eos<br />

(zu <strong>Phaethon</strong>)<br />

Vorgestern, als ich mich der Seele d<strong>ein</strong><br />

Zum erstenmal vertraute, wusste ich,<br />

dass sie in ungeheurem Flügelschlag<br />

der Heimat nahte. Sieh, nun ruht sie aus<br />

an m<strong>ein</strong>er Liebe, Lichtgeborener<br />

zum Licht, vergehend und doch wieder werdend<br />

- Wenn d<strong>ein</strong>e Lippen kalt, d<strong>ein</strong> Herze still,<br />

bin ich nicht ferne, dich zum Licht zu retten.<br />

Dies sei das ganze Los der armen Eos!<br />

Eos<br />

N<strong>ein</strong> Liebster, das ist längst schon überwunden.<br />

Mich quält der Abschied – and´res quält nicht<br />

mehr.<br />

Helios<br />

Du reißt die Wunde, die s<strong>ein</strong> Tod dir schlägt,<br />

mit aller Kraft nur tiefer auf! Willst du<br />

entsetzt im Brautbett s<strong>ein</strong>en Tod erleben?<br />

Komm – gib ihn frei! Lass´ ihn dies <strong>ein</strong>e<br />

Tagwerk<br />

an s<strong>ein</strong>es Vaters Statt beglückt beenden.<br />

Dann magst du trauern und ihn – neu erwarten!<br />

Hemera<br />

Die Rosse warten, Helios!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Wir fühlen Gleiches, sind wir doch nicht gleich,<br />

und atmen wir nicht dennoch gleiche Luft?<br />

Wir steh´n im Äther uns´rer Liebe, im<br />

Zenit, und, überschauernd, ruh´n die Herzen<br />

nach kurzer Irrfahrt bald für immer aus.<br />

Was kommen soll, ist ja schon längst erklärt,<br />

und, wohl der Leidenschaft zum Trotz, entrückt<br />

die Liebe bald in Sphären höchsten Glücks.<br />

Mögt denn ihr Götter ewig euch umwandeln –<br />

Vergessen macht euch <strong>ein</strong> zukünftig´ Irren,<br />

erklärt i h r euch nicht durch der Schöpfung<br />

Wesen,<br />

dass sie durch Liebe! - - durch Berechnung nicht<br />

–<br />

gebildet und im Innersten begründet!<br />

Nur dann ist Werden und Vergeh´n und Werden

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