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Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe

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Anphit<br />

Sagst du das nun als Helios´ Sohn?<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Hab´ ich mich verändert, seit es mir m<strong>ein</strong>e<br />

Mutter gestern gesagt hat?<br />

Anphit<br />

Wusstest du nichts – all die Jahre nichts?<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Bei m<strong>ein</strong>em Vater – n<strong>ein</strong>!<br />

(lächelnd)<br />

Anphit<br />

Zwar hast du dich in nichts geändert – du hast –<br />

die Brücken d<strong>ein</strong>er Kindheit soeben <strong>ein</strong>gerissen,<br />

ja, das ist anders und neu. Aber das kann auch<br />

verborgene Gründe haben. Ich hörte, du habest<br />

<strong>ein</strong>e Geliebte gefunden?<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Auf dem Dorfe bleibt wohl nichts geheim? –<br />

Aber es tut nichts zur Sache!<br />

Anphit<br />

Vielleicht doch? M<strong>ein</strong>st du nicht, dass dich das<br />

zum Manne hat reifen lassen?<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

So über Nacht? Das glaub´ ich nicht.<br />

Anphit<br />

Dir mag es selber nicht auffallen, aber Philos<br />

kann bestätigen, was ich sehe.<br />

Philos<br />

Du wirkst entschlossener, auch wagemutiger.<br />

Das liegt sicher am Ausmaß d<strong>ein</strong>er<br />

Verantwortung, <strong>Phaethon</strong>.<br />

Wie?<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Philos<br />

Dir wurde zweierlei bewusst: Du bist, das weißt<br />

du erst seit gestern abend, der Sohn Helios´, und<br />

alles andere, was daraus folgen muss, ist dir<br />

sofort klargeworden. Noch in der gleichen Nacht<br />

hast du dich für jenes Mädchen entschieden. S<strong>ein</strong><br />

Name tut nichts zur Sache, aber du hast dich<br />

gebunden, und die Folgen, die daraus für dich zu<br />

ziehen sind, machen dich reifer und <strong>ein</strong>samer.<br />

Anphit<br />

In der Tat bekommen die Dinge <strong>ein</strong> anderes<br />

Gewicht.<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Vielleicht habt ihr beide recht. Stärker denn je<br />

spüre ich m<strong>ein</strong>en Lebensauftrag, <strong>ein</strong>e Botschaft<br />

an die Mitmenschen, so unbedingt, unbeirrbar, so<br />

ohne Kompromisse, dass es mir k<strong>ein</strong>e Zeit mehr<br />

zu lassen sch<strong>ein</strong>t, unter wohlm<strong>ein</strong>enden<br />

Menschen Anker zu werfen. Die ich bei mir<br />

habe, muss ich wohl an mich flehen, aber Macht,<br />

sie zu halten, empfinde ich heute weniger denn<br />

je.<br />

Anphit<br />

Ist das <strong>ein</strong> Wunder? Vorher warst du <strong>ein</strong><br />

merkwürdiger Kauz, <strong>ein</strong> frühreifer Sonderling,<br />

aber gern gelitten, weil d<strong>ein</strong> Wesen offenherzig<br />

und leutselig war. Jetzt brichst du beliebig<br />

Freundschaften, beschwörst Zwist herauf,<br />

sonderst dich gegen das unbeschwerte Drauflos<br />

erst recht ab -: Alles an dir ist uns unheimlich<br />

geworden.<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Philos, bin ich so böse?<br />

Philos<br />

Natürlich nicht! Was er m<strong>ein</strong>t, ist das<br />

Endgültige, was jetzt d<strong>ein</strong>em Handeln zu Grunde<br />

liegt. Alles hat den Ansch<strong>ein</strong> des Einmaligen,<br />

Unwiederholbaren gewonnen. So offen war es<br />

sonst bei dir nicht zu bemerken, obwohl d<strong>ein</strong>e<br />

Anlagen dich dahin gedrängt haben mögen.<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Du hast recht, Philos: Mir selbst ist zu Mute, als<br />

hätte dies alles schon viel eher geschehen<br />

müssen. Mich reut auch nicht! Ich bin erleichtert,<br />

sogar befreit, wenn du willst.<br />

Anphit<br />

Nun, und wofür willst du tatsächlich leben?<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Wo mir Verantwortung übertragen wird, will ich<br />

das Menschliche im Menschen in Kraft setzen.<br />

Ich fühle das Leben, wo es Liebe ist. Dort ist es<br />

menschlich, ohne Berechnung gegen jedermann.<br />

Dorthin zieht es mich.<br />

Anphit<br />

Was ist der Mensch?! Ein verbindendes Glied<br />

zwischen Lüge und Wunsch, zwischen Schöntun<br />

und der Fratze der Verbohrtheit! Hast du<br />

Freunde, sei auf der Hut: Über Nacht sind sie<br />

d<strong>ein</strong>e ärgsten F<strong>ein</strong>de, wenn du ihnen k<strong>ein</strong>en<br />

Vorteil mehr verschaffst. Je hilfloser du um ihre<br />

Liebe ringst, desto fröhlicher schlagen sie auf<br />

dich <strong>ein</strong>. Für sie gibt es nichts, was weh tut –<br />

außer ihnen! Und fragst du nach Gründen? Sie<br />

verbrettern jeden Durchblick nach innen,<br />

schweigen! Hundert Kerzen reichen nicht aus,<br />

um sich in ihrem dunklen Seelenlabyrinth<br />

zurechtzufinden. Darum ist m<strong>ein</strong>e erfolgreichste<br />

Waffe der beständige Zweifel – ihn halte ich<br />

wach wie <strong>ein</strong>en Hofhund! Denn steckt nicht in<br />

allem, was man uns angeblich Gutes tun möchte,<br />

der widerwärtige Keim des Handels? Mich ekelt

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